Erstellt am: 14. 4. 2012 - 18:02 Uhr
Survival Training
"Computerspielverfilmung", bei diesem Begriff rümpfen die meisten Kritiker die Nase und gehen regelmäßig in Deckung. Sofort ist von der Ideenlosigkeit in Hollywood die Rede und von beinhart kalkulierten Marketingvehikeln. Nicht zu Unrecht, muss man anmerken.
Dabei dürften all die Videogame-Adaptionen, mit denen seit Dekaden potentielle Zielgruppen bombardiert werden, anscheinend erst der Anfang gewesen sein. Brettspiele sind der neueste heiße Scheiß in Hollywood. Cluedo und Monopoly sollen ihren Weg auf die Leinwand finden, jetzt ist aber erst einmal Schifferl versenken dran.
Willkommen also zu "Battleship", einem 200-Millionen-Dollar-Blockbuster, der auf einem schnöden Kinderzimmer-Spiel basiert.
Weil die Vorlage unfilmischer nicht sein könnte, setzt Regisseur Peter Berg, ein bislang eher farbloser Kino- und TV-Handwerker, auf ein klassisches Genre-Geschichtengerüst. Ein internationaler Flottenverband aus fünf Kriegsschiffen wird während eines gemeinsamen Manövers im Pazifik mit einem gigantischen Raumschiff konfrontiert, das aus dem Wasser ragt. Schnell entpuppt sich das U.F.O als Vorbote einer außerirdischen Invasion. Durch ein undurchdringliches Energiefeld von jeglicher Hilfe abgetrennt, müssen die unglaublich tapferen Navy-Truppen im Alleingang die Welt retten.
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Schon der Trailer machte klar: Das wahre Vorbild für dieses Destruktionsspektakel heißt "Transformers". In etlichen Szenen huldigt Peter Berg seinem Vorbild Michael Bay. Und zwar so eindeutig, dass die Grenzen zwischen Peter Bay und Michael Berg verschwimmen.
Freunde und Feinde von Hollywoods erfolgreichstem Feldmarschall wissen also, was sie erwartet. Eine Heiligsprechung des American Way Of Life, eine Breitwand-Huldigung sämtlicher republikanischer Werte und ein Kniefall vor dem Militär. Und natürlich ein Großaufgebot an außerirdischen Vernichtungsmaschinen und amerikanischen Schlachtschiffen, brüllenden Soldaten und infernalischen Explosionen.
Auch die bewusst inhomogene Castingmischung erinnert an das Bay’sche Oeuvre, wo richtige und falsche Schauspieler schon immer gerne durcheinander gewürfelt werden.
Alexander Skarsgård, der charismatische "True Blood"-Sexgott, wird viel zu schnell versenkt. Taylor Kitsch darf als dessen trotzköpfiger Navy-Bruder, der am Ende zum Helden mutiert, seinem Nachnamen gerecht werden. Der prinzipiell großartige Tadanobu Asano, Nippons Indie-Antwort auf Johnny Depp, muss sich als japanischer Admiral besonders farblos geben. Ach ja, Rihanna ist auch mit an Bord und den Namen der blonden weiblichen Hauptdarstellerin habe ich verdrängt.
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Was "Battleship" ideologisch von den rechtskonservativen Michael-Bay-Machwerken abzuheben scheint, ist der Versuch, nicht bloß martialische weiße Amibuben ins Bild zu rücken. Aber wenn Peter Berg Japaner, Afroamerikaner, Kriegsversehrte und Pensionisten in trauter Einigkeit an die Front schickt, ist das vielleicht nur der ultimative Gipfel des Zynismus.
Mittendrin in diesem digitalen Hokuspokus, der die Festplatte krachen lässt, ist jedenfalls auch Liam Neeson. Groß steht sein Name auf dem Plakat, den gefühlt zehn Minuten langen Auftritt als strenger General dürfte er aber in zwei Drehtagen auf Autopilot absolviert haben.
Weitere Filmrezensionen
Wer den irischen Akteur in der Rolle seine Lebens sehen will, muss sich einen anderen Film ansehen, der diese Woche bei uns anläuft. Auch ein Streifen in dem ums Überleben gekämpft wird, aber CGI-Außerirdische sucht man hier glücklicherweise vergeblich. "The Grey" erzählt von einer Gruppe Bohrarbeiter, die nach einem Flugzeugunglück im eisigen Niemandsland stranden, ganz auf sich alleine gestellt.
Regisseur Joe Carnahan machte sich mit höchst unterschiedlichen Actionthrillern einen Namen. Mit dem gefloppten Serienremake "The A-Team" erreichte er 2010 jedenfalls einen künstlerischen Tiefpunkt. Die Hoffnungen, der Carnahan einst mit dem Polizistendrama "Narc" weckte, nämlich hochgradiges Spannungskino mit einem Gespür für rohen Realismus zu verbinden, erfüllt er aber erst jetzt. "The Grey" ist stellenweise einfach atemberaubend geraten.
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Am Anfang stehen Bilder der Vergletscherung, äußerlich und emotional. John, ein alternder Biologe (Liam Neeson) hat sich auf eine Ölraffinerie in Alaska zurückgezogen. Weil nach dem Tod seiner geliebten Frau einfach nichts mehr geht. In sich versunken und dem Selbstmord nahe steigt er mit anderen Arbeitern zusammen in ein Flugzeug. Doch die Reise Richtung Kanada findet ein jähes Ende.
Die kleine Maschine stürzt ab, mitten in der menschenleeren Wildnis. Die wenigen Überlebenden sehen sich mit arktischen Temperaturen konfrontiert, mit Hunger, Durst und nackter Panik. Aber da funkeln vor allem auch glühende Augen draußen in der Dunkelheit. Ein Rudel Wölfe liegt auf der Lauer. John hat sich lange mit den Tieren beschäftigt und wird zum unfreiwilligen Anführer der kleinen Gruppe.
Rohe Männerfilme sind sie allesamt, die bisherigen Werke von Joe Carnahan. Von einem billigen Testosteron-Thriller ist "The Grey" aber meilenweit entfernt. Das eisklirrende Kammerspiel verzichtet zwar nicht auf reißerische Effekte und plakativen Nervenkitzel. Im Grunde inszenierte Carnahan aber ein Survivalepos, in dem Friedrich Nietzsche und Jack London mit Horror-Elementen kollidieren.
Liam Neeson, dessen Frau Natasha Richardson tragischerweise 2009 bei einem Schiunfall verstorben ist, personifiziert die existentiellen Themen, um die der Film angesichts des nahen Todes kreist, er gibt ihnen ein raues, verwittertes Gesicht. Kein simpler Tierschocker also, sondern ein kleines Genre-Meisterwerk über die ganz großen Fragen des Menschseins.
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