Erstellt am: 11. 4. 2012 - 10:55 Uhr
Eiermann
Ich habe immer noch nicht ganz begriffen, was genau der Osterhase macht. Ja, er bringt den Kindern die Ostereier und die Kinder sollen sie suchen, aber woher er die Eiern nimmt und wo er während des Rests des Jahres steckt, bleibt mir ein Rätsel. Ich habe jetzt das Internet durchstöbert, um mir diese Geheimnisse aufklären zu lassen, aber selbst Wikipedia konnte nicht helfen.
Während hier Jesus Christus schon auferstanden ist, tut er es in diesem Jahr für die orthodoxen Christen erst in einer Woche. „Alles kommt zu uns mir einer Verspätung“, meint mein Freund M. „Wir sind immer die letzten auf der Liste von Jesus. Weihnachtsmann, Osterhase und Madonna. Hauptsache, sie erreichen uns irgendwann doch.“ Mein Freund S. ist anderer Meinung. S. glaubt, dass die Katholiken Jesus einfach so schnell wie möglich kreuzigen wollten, „und wir lassen ihn noch eine Woche in Ruhe“.
Josef Türk / flickr / CC BY-SA 2.0
Ehrlich gesagt, interessiert mich das nicht besonders. Früher oder später kommt Ostern und muss gefeiert werden. Wie gesagt ist der Unterschied zwischen dem katholischen und dem orthodoxen Ostern heuer genau eine Woche. Da ich in Österreich bin und will, dass man mich als einen integrierten Menschen betrachtet, durfte ich die hiesigen Traditionen nicht missachten. Ich habe Eier bis zum Platzen gegessen. Ich habe meine Probleme mit dem Osterhasen, aber, dass man Osterbrot mit Rosinen und Eier isst, verstehe ich schon. So ehrte ich die Leiden Christi und war also nun sehr erfreut, dass er auferstanden ist. Da ich aber nominell ein orthodoxer Christ bin, muss ich diese Woche noch einmal die gleiche Prozedur durchlaufen.
to01 / flickr / CC BY 2.0
Am Donnerstag der orthodoxen Karwoche färben wir wieder Eier. Am Samstagabend gehen viele der Bulgaren, die in Wien leben, in die bulgarische Kirche. Die meisten tun es nicht, weil sie besonders gläubig sind, sondern um Bekannte zu treffen. Um 23 Uhr verkündet der Pope die Auferstehung Christi. Eigentlich soll das um Mitternacht passieren, aber Mitternacht ist in Griechenland und Bulgarien eine Stunde früher als in Wien. „Hristos voskresse“, sagt er zur Gemeinde, was „Christus ist auferstanden“ bedeutet. „Vo istina vosskresse“, erwidern die Menschen und das soll „Im Namen der Wahrheit ist er auferstanden“ heißen. Danach muss man drei Mal die Kirche umkreisen, eine Kerze vom Feuer des Popen anzünden und die leuchtende Kerze nach Hause mitbringen.
a.froese / flickr / CC BY-SA 2.0
Wenn ihr nächste Samstagsnacht viele Menschen mit Kerzen in der Wiener U-Bahn seht, dann habt keine Angst, dass sie einen Brandanschlag planen. Am Sonntag schlagen wir unsere Ostereier gegeneinander. Der, dessen Ei am längsten aushält, wird der Stärkste im nächsten Jahr sein. Danach essen wir - Lammfleisch, süßes Osterbrot und Salat mit Eiern.
Meine Oma sagt, dass man an Ostern nicht arbeiten und den Ostertisch nicht wegräumen soll. Eigentlich mache ich es immer so, aber das nur unter uns - meine Oma darf es nicht erfahren, weil sie glaubt, dass ich im Ausland meine Gewohnheiten zum Guten verändert habe. Ich muss zugeben, es ist nicht leicht, integriert zu sein und gleichzeitig die Traditionen der Großmutter zu befolgen. Um beides zu erfüllen, muss ich in diesen beiden Karwochen so viele Eier essen, dass ich bestimmt Probleme mit meinem Cholesterinwert haben werde. Um ein echter Eiermann zu werden, müsste man wohl Ironman sein. Nicht jedermanns Sache.