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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

10. 4. 2012 - 11:07

Bildung nervt: Schulreformen

Zentralmatura, Modulare Oberstufe, Gesamtschule / Neue Mittelschule und Ganztagsschule: Was ist geblieben von den großen Ideen?

Vier zentrale Themen der Bildungsreform und wie sie jetzt umgesetzt werden.

Vor ein paar Jahren hat man in Österreich noch eine große und umfassende Bildungsreform vorgehabt, geblieben ist der typisch österreichische Kompromiss: hier ein bisserl modulare Oberstufe, da ein wenig Neue Mittelschule, eine Zentralmatura für alle und ab und an eine Ganztagsschule.

Zentralmatura

Einheitlich für alle Schulen Österreichs vorgegebene Prüfungsfragen zur Matura. Das ist seit längerem beschlossene Sache und soll ab den Schuljahr 2013/14 in allen AHS und ab den Schuljahr 2014/15 in allen BHS durchgeführt werden. ElternvertreterInnen hatten vor kurzem kritisiert, dass weder Lehrpläne noch Unterrichtsmaterialien flächendeckend auf die neue Matura umgestellt seien. Unterrichtsministerin Claudia Schmied sieht keinen Grund dazu, die Einführung der Zentralmatura zu verschieben. Laut ihrem Büro verwenden hundert Prozent aller sechsten Klassen - das sind die, die 2014 zur Zentralmatura antreten - bereits die neuen Schulbücher. Alle Schülerinnen und Schüler seien ausreichend auf die Zentralmatura vorbereitet.

Ansonsten stoßen sich die Elternvertreter noch an Details der Maturareform: So benötigen AHS-SchülerInnen bei der Mathematik-Matura künftig zwei Taschenrechner, BHS-SchülerInnen nicht. Auch die Verwendung von Formelsammlungen und ähnlichen Hilfmitteln seien bei den beiden Schultypen verschieden geregelt. Außerdem hätten die Eltern gerne, dass die Prüfungen in Deutsch und in den Sprachen von zwei LehrerInnen kontrolliert werden und dass bei lebenden Fremdsprachen mehr Gewicht auf mündliche Kompetenz gelegt wird.

Modulare Oberstufe

Die Modulare Oberstufe ist seit Jänner 2012 fix beschlossen. Bis 2017/1018 solle das neue System in allen Oberstufen eingeführt sein. Künftig werden die einzelnen Fächer – ähnlich wie auf der Uni – nach Semesterkursen oder Modulen unterteilt sein. Bei einer negativen Note muss man nicht mehr die ganze Klasse wiederholen, sondern nur das einzelne Modul. Mit zwei Fünfern kann man fix, bei positivem Beschluss der Klassenkonferenz auch mit drei Fünfern aufsteigen. Bis zur Matura müssen allerdings alle Module positiv abgeschlossen sein.

Die bisherigen Schulversuche zur modularen Oberstufe haben sowohl SchülerInnen als auch LehrerInnen positiv bewertet. Allerdings sind sie in gut ausgestatteten Schulen durchgeführt worden, die Ressourcen in Extrakurse und Vertiefungsmodule stecken konnten. Bei der flächendeckenden Einführung, befürchten KritikerInnen, wird es in vielen Schulen nicht genug Räume oder Personal geben, um Kurse in dieser Vielfalt anzubieten.

Gesamtschule / Neue Mittelschule

Eine flächendeckende Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen kommt in Österreich nicht. Allerdings wird die Neue Mittelschule von einem Schulversuch zur Regelschule und wird schrittweise bis 2018/2019 die Hauptschule ersetzen. Die Neue Mittelschule orientiert sich an moderneren pädagogischen Konzepten als die Hauptschule: Es gibt keine Leistungsgruppen mehr, es wird viel Wert auf lösungs- und themenorientierte Gruppenarbeit gelegt und es gibt das Konzept des Team Teachings, bei dem zwei LehrerInnen die Klassen betreuen.

Diesen Herbst wird es in Österreich erstmals AbsolventInnen der Neuen Mittelschule geben. Die bisherigen Zahlen sagen voraus, dass der Anteil an Schülern, die in eine weiterführende Schule wechseln, höher sein dürfte, als das bei den Hauptschulen durchschnittlich der Fall ist. Die meisten von ihnen werden wahrscheinlich in eine BHS wechseln.

Ganztagsschule

Siehe auch:
Bernd Schilcher, Bildungsrebell der ÖVP, verfasst mit "Bildung nervt" sein politisches Vermächtnis. Heraus kommt eine Einführung ins österreichische Bildungssystem. Was daran nervt? Fast alles. (Rainer Springenschmid)

Die Idee der Ganztagsschule wurde ursprünglich gemeinsam mit einer Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen diskutiert. In einem Idealmodell sollten in der verschränkten Ganztagsschule Lern- und Freizeiteinheiten einander abwechseln und so für die SchülerInnen einen idealen Lernrhythmus ergeben. Ein derartiges Konzept wird es in naher Zukunft nicht flächendeckend für Österreich geben.

Teilweise sollen Ganztagsschulen aber den klassischen Hort ersetzen. In Wien wird derzeit das Campusmodell ausgebaut: d.h. Kindergarten, Volks- und Hauptschule unter einem Dach, mit gemeinsamen Freizeiträumen und Betreuung. Außerdem werden bestehende Volksschulen in Ganztagsschulen umgewandelt. An einem generellen Konzept scheint es zu fehlen, eher, so meinen KritikerInnen, geht es darum, "Aufbewahrungsstätten" für Kinder berufstätiger Eltern zu schaffen.