Erstellt am: 6. 4. 2012 - 14:45 Uhr
Something For The Weekend
Freitag

Not Invited
Das Format "Live-Album" ist ein schwieriges, nur selten ist es zwingend notwendig, und sehr oft auch nicht gut gemacht. Seit das Internet erfunden worden ist, braucht man es nur in ganz wenigen Fällen. Kann sich noch jemand daran erinnern, als man sich darüber gefreut hat, im Plattenladen eine komische CD mit schlecht kopiertem Cover zu finden, auf dem stand "Smashing Pumpkins Live in San Diego April 4 1992"? Mit etwas Glück gab's auf diesen Bootlegs (so hat man früher gesagt) schlechte Aufnahmen von bekannten Liedern mit einem angeschlagenen Sänger zu hören, Publikumsgejohle, möglicherweise zwei unbekannten Stücke und eine obskure Coverversion.
Im Bereich der elektronischen Tanzmusik ist das Live-Album ohnehin eine Seltenheit, und zu Recht. Wie es aber gehen kann, zeigt das mittlerweile eh auch schon längst in Berlin beheimatete Duo Âme mit seinem sehr demnächst erscheinenden, schlicht "Live" betitelten Album. Die zwei Herren von Âme haben - als Act selbst, aber auch mit ihrem gemeinsam mit ihrem Komplizen Dixon betriebenen Label Innervisions - schon Jahre bevor es hip war, die Re-Housifizierung des Dancefloors vorangetrieben. Ihr Stück "Rej" ist einer der 10 prägendsten Dancefloortracks der Nuller-Jahre.
Für ihr Live-Album haben sie ihrer Stücke einerseits entschlackt, um die Essenz freizulegen, die im Club funktioniert und dem Publikum die Freude am Wiedererkennen gibt, andererseits haben sie aber ihr Material neu arrangiert und zusammengesetzt und sich so mitunter durchaus weit von den Originalen entfernt. Alter Vibe in neuen Schläuchen, neuer Vibe in alten Schläuchen, von Âme bekommt man die deepste House-Massage und dann auch noch ein paar Klangerlebnisse, mit denen man gar nicht mehr gerechnet hat. Tanzen, hören und sehen kann man am Freitag in der Pratersauna, da wird ein Live-Auftritt des wunderbaren Duos stattfinden. Mittlerweile wird, wie man so hört, das Konzerte-Spielen von einer Hälfte Âme und das Platten-Auflegen von der anderen Hälften bestritten. Das macht aber nichts. Nicht also wundern, wenn da nur ein Typ auf der Bühne steht: Wenn die Musik gut ist, dann ist das schon Âme.
Außerdem sehr gut: Blue Velvet live im Rahmen einer Vienna Wildstyle Nacht im Market. Der österreichischen Band fällt das mit dem Live-Ding eventuell etwas leichter, weil sie eben mehr Band im Band-Sinne ist. Mit Liedern. Elektronisch und vom Beat getragen zwar, aber man kann die vermutlich auch nur auf der Gitarre spielen. Bands mit anderen Bands vergleichen ist zwar so wie Äpfel mit Birnen vergleichen, also sinnvoll, wenn man aber sagt, dass sich Blue Velvet soundtechnisch manchmal möglicherweise in der Nähe von Moloko aufhalten, wird hoffentlich niemand ernsthaft böse sein.
Und: Guter House und Techno beim dritten Geburtstag der Eastern Conference in der Fluc-Wanne. Gute Menschen auch.
Und, 2: In Graz wird im Niesenberger der englische Labelbetreiber, DJ, Produzent und allgemeine Alleskönner Radio Slave auflegen.

Frank Eickhoff
Samstag

Iron Curtis
Über den "witzigen", sich immerhin vor Joy Division verbeugenden Künstlernamen wird er sich in Zukunft vielleicht noch ärgern müssen, sonst ist aber alles, wirklich alles in bester Topliga bei Iron Curtis. Der - Achtung! - in Berlin ansässige Produzent schmeißt Monat um Monat, beispielsweise für Labels wie Mirau, Morris Audio oder Mule Electronics Spitzentracks in die Welt, die ganz ohne Radaupotenzial auskommen. Deep House in den Schattierungen Scharz/Weiß, melancholisch getränkt und distinguiert der alten Schule huldigend. Mit seinem Projekt Achterbahn d'Amour hat er kürzlich erst ebenso zärtlich verrückt machende Tracks veröffentlicht. Ein wahnsinnig stilsicherer, fast schon an der Grenze des Erträglichen, Schallplattenunterhalter scheint Iron Curtis außerdem zu sein, wenn man nach den DJ-Mixes geht, die da so von ihm im Computer herumschwirren. Man soll sie auschecken. Ernsthaft. Und den Glauben an Dance Music in sich wieder erstarken fühlen. Iron Curtis wird am Samstag in der, na gut, Pratersauna die Abspielgeräte betreuen.

Alex Laljak
Im Flex wird am gleichen Tag ein Mann der tatsächlich alten Schule an den Plattentellern stehen: Heiko Laux, Chef von Kanzleramt. Produziert seit Jahr und Tag strengen Techno, der noch den rohen Charme der Maschine atmet und er weiß auch wie man Platten auflegt. Kürzlich erst hat Heiko Laux sein schönes Debütalbum "Liquidism" aus dem Jahr 1998 in Spezial-Vinyledition neuveröffentlicht, mit seinem Projekt Offshore Funk bewegt er sich nebenher in jazzigere und geschmeidigere Gegenden. Ein Mann der vielen Talente, jedoch mit einer eigenen, immer erkennbaren Handschrift. Obskuranten-Tipp am Rande: Man möge sich das Stück "Tangoamt" anhören, das Laux beim Hamburger Label Ladomat veröffentlicht hat.
Wer in Graz ist, geht in die Postgarage. Das Schweizer Duo Roundtable Knights wird da beim Zeiger Osterfest am Werk sein. Die zwei Herren sind vornehmlich bei Jesse Roses Label Made To Play zuhause, das heißt: zu weiten Teilen House mit starkem Pop-Appeal verpflichtet, dem auch Humor und alberne Samples nicht fremd sind. Sehr gute DJs sind sie auch, diese Aussage beruht auf Erfahrungswerten, DJs, die Geschmack und publikumstaugliches Party-Entertainment bestens unter einen Hut zu bringen vermögen. Und da wird ja keiner etwas dagegen haben. Sonntag: Buße tun.