Erstellt am: 9. 4. 2012 - 06:05 Uhr
Combinations and Contradictions
Seit Anfang März kürt FM4 statt einem Album der Woche wöchentlich einen "Artist of the Week".
Der Winter war hart und kalt meine Lieben, und ich war nicht nur einmal kurz vor der Entscheidung: Psychopharmaka oder Solarium. Irgendwie muss der Melatonin- und Endorphin-Haushalt hinaufgeschraubt werden.
Wenn jetzt kurz nach Ende der allgemeinen Winterdepression ein Mitglied einer Band namens Bräungslinien über die Allgegenwart von Schmerz und Freude referiert, halte ich das für einen ironisch miesen und doch lustigen Scherz des Weltenlaufs. „The Bitter and the Swee“t davon hat Marc Almond schon vor hundert Jahren gesungen, aber dieser Cocktail wird das Lieblingsgebräu der romantischen Melancholiker unter uns bleiben. Jesse Cohen, eine Hälfte der Tanlines wartet mit einer einfachen aber doch großen Wahrheit anlässlich der Veröffentlichung von Mixed Emotions auf:
„Wir leben in einer Welt in der dir verschiedene Institutionen und Meinungsbildner ständig einreden wollen, dass Dinge und Sachverhalte eindeutig zu definieren sind. Das tun sie, weil sie dir etwas verkaufen wollen.“
James Ryang
Widerspruch als wesentliche Ingredienz
Deshalb ist Widerspruch einer wesentlichen Ingredienz dessen, was die Tanlines ausmacht, erzählt Jesse Cohen. Das gilt für die Texte in denen verlorene Lieben und anderen Traumata, die sich Menschen so um die Dreißig zugelegt haben, rekapituliert werden und auch für die musikalischen Elemente, die die beiden Gentlemen kombinieren.
Eric Emm ist Jesse´s Partner bei den Tanlines, und er ist laut Jesse der komplizierteste und detailverlebteste Mensch, den man sich vorstellen kann. Außerdem kann er acht Stunden an Musik arbeiten, ohne aufs Klo zu gehen. Und nicht zu vergessen: Er ist der beste Gitarrist der Welt.
4/4-Beat- und Synthie-Wände
Matador/Beggars Group (Indigo)
Vor vier Jahren haben sich die Tanlines gefunden. Die ersten zwei Jahre waren die Experimentierjahre, und die letzten zwei Jahre haben „Mixed Emotions“ gehört. „Brothers“ die erste Single und auch der Opener des Albums ist eine Art Blueprint, ein Wegweiser wohin „Mixed Emotions“ führen soll. Anhand von „Brothers“ kann man den Weg, den die Tanlines in den letzten zwei Jahren zurückgelegt haben, nachvollziehen. Es gibt die für sie charakteristischen 4/4-Beat- und die Synthie-Wände, die fast wie Meereswogen über einen Ertrinkenden zusammenschlagen und die abgeklärte Melancholie in Eric Emms Stimme.
Tanlines ist nicht nur eine süß-sauer emotionale Kombi sondern auch ein Mix aus dem, was die beiden sind und was sie in verschieden Teilen der Welt an musikalischen Einflüssen eingesammelt haben: Krautrock, afrikanische Percussions, nur die Steeldrums, die manche Reviewer gehört haben wollen, die gibt es da wirklich nicht, meint Jesse Cohen. Der größte Widerspruch an „Mixed Emotions“ ist, dass es das Album überhaupt gibt. Die Tanlines waren als Remix- und Produzenten-Duo unterwegs, wollten sich aber physisch in dieser Welt und auf ihren Bühnen manifestieren, wollten mehr als nur ein Name in Klammer sein.