Erstellt am: 4. 4. 2012 - 10:47 Uhr
Bands, Tech and Biz
Der Herr der Musikblogs platzierte den Ohrenöffner in einem Nebensatz: Antony Volodkin, Gründer des MP3-Geschmacksaggregators Hype Machine, machte sich am Rande eines South By Southwest-Panels Gedanken über die Zukunft seines digitalen Königreichs: „What we are thinking about right now is, where is music-taste-making going? Because music blogs are a technology solution to a problem that is beginning to disappear”. Volodkin bezieht sich mit seinem Statement auf den stark absackenden Traffic bei MP3-Blogs und Review-Sites. Nicht nur beim diesjährigen Branchenwahnsinn in Texas haben es die Szenespatzen von den Dächern ihrer Ranchos getwittert. Die einstige Nemesis der traditionellen Musikmagazine und Plattenfirmen droht allmählich selbst in den Steinbruch der Industriesaurier hinüberzutrotten.
SXSW
Bis auf große Portale wie Pitchfork, Gorilla vs. Bear, oder Stereogum fallen Musikblogs und Review-Sites in Sachen Musikerkundung immer weiter hinter Streaming-Dienste wie Spotify, Pandora, Rdio oder Promo-Plattformen wie SoundCloud und der alles vernetzenden und umschlingenden Krake Facebook zurück. Social-Sharing von Songs und Videos ist einfacher und bequemer. Man kann sich das Neueste oder Obskurste durch Auskenner-Friends servieren lassen. Die einst treibende Kraft des Entdeckungstriebes scheint in der Masse des Angebots zu verpuffen und die Files kommen ja in der Regel ohne lästige Textblöcke in den Feed ...
Wenn Punkveteran Lenny Kaye also bei seinem South By Southwest-Gig in einer Zwischenansage die Rückkehr „echter Musikkritiker“ fordert, die es den „buchstabenlahmen Bloggern“ so richtig zeigen sollten, dann spricht der Kutscher über den Lokführer, denn die angeblich so inhaltsarmen Reviews bloggender Musikenthusiasten werden zunehmend von zeichendürren Hyperlink-Diensten verdrängt. Das heißeste Tool beim diesjährigen SXSW war This Is My Jam, eine Art Twitter für Songs, das von zwei ehemaligen LastFM-Mitarbeitern entwickelt wurde.
Volodkin hat trotzdem gut Lachen. Er ist eines der neuen Gesichter der Musikindustrie und steht wie nur wenige für die Veränderung der größten Musikmesse der Welt. Die Präsenz klassischer Plattenfirmen bei der SXSW -Tradeshow, aber auch im Feld der Club- und Showcase Gigs, tendiert mittlerweile gegen Null; jene von digitalen Plattformen und außermusikalischen Marken ist hingegen die letzten Jahre über sprunghaft angestiegen. Und die neuen Players stellen nicht nur ihre Digi-Gadgets vor oder diskutieren in Panels die Zukunft der Musikindustrie. Sie bestimmen überdies auch zunehmend das Musikprogramm des großen Herdenauftriebes in Austin.
So hat Volodkin mit dem Hype Hotel einen der best programmierten und besuchten Clubs des SXSW 2012 gehostet. Die Kuratierung übernahmen die auf der Hype Machine vertretenen Blogger. Gesponsert wurde die Sause von einem großen Fastfoodhersteller. Tendenziell etwas geschäftsfreudiger als die Indie/Alternative/Underground-Szene anderswo, sind die Sell Out-Debatten in den USA längst überwunden - zumindest für den Hype Machine Begründer. Jetzt ginge es vielmehr darum, an der für beide Seiten vorteilhaftesten Symbiose zu arbeiten, ohne dass die künstlerische Integrität Schaden nehme. Markenartikler hätten längst erkannt, dass es in diesem delikaten Segment der Musikfreuden unvorteilhaft ist, allzu aggressiv mit Logos und reiner Produktwerbung herumzuwerfen.
Howdie statt Indie
Das muss natürlich nicht für alle gelten: Amerikanische TV-Werbung wird immer mehr zur Spielwiese von Bands, die eigens für Corporations gecasted oder als Hauskapelle übernommen werden. Beim South By Southwest hostete eine Snackfirma eine der aufsehenerrgendsten Bühnen in Form einer gigantischen Vending Machine. Davor Hostessen, die die versammelte Hipsterschaft zu Gratis-Cola und Gratis-Chips einluden. Musik war eher Nebensache. Man musste den Eingang der Automaten-Bühne schon etwas länger studieren bis das Line-Up des Tages auf einem kleinen Täfelchen zu finden war.
Money and Music: Was der Musikindustrie-Profi und SXSW-Star Santigold zu Pop und Karriere-Sponsoring zu sagen hat, wie sich die programmatische DIY-Band Lower Dens aus Baltimore im Spannungsfeld von Selbstausbeutung und -Behauptung bewegt, wie die österreichische Indie Band Bensh erfolgreich eine Eigenbaukarriere betreibt und auch in den USA punkten kann und warum die Quetschen-Punks Attwenger trotz großer Musikaffinität zum Amiland in Texas immer noch als Newcomer gelten, das alles und noch mehr ist ab Mittwoch eine Woche lang in diesem FM4-Hombase Spezial zum SXSW 2012 nachzuhören. "Timez Are Weird These Days"", wie der letztjährige South By Southwest-Aufzeiger, Theophilus London, sein Debütalbum treffend benannte. Howdie.
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artist | song | |
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skrillex | bangarang | |
danny brown | xxx | |
lower dens | brains | |
bensh | woman 77 (live at sxsw) | |
santigold | disperate youth | |
girls | magic | |
chromatics | into the black | |
attwenger | shaking my brain (live at sxsw) |