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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

2. 4. 2012 - 17:34

Revolutionieren eBooks den Buchmarkt?

Noch fristen eBooks ein Schattendasein im Vergleich zu klassischen Buchverkäufen. Spreeblick-Gründer Johnny Haeusler hat sich davon nicht abhalten lassen und selbst eines herausgebracht.

Seit Jahren werden sie uns als der neue heiße Scheiß verkauft: Digitale Bücher, sogenannte eBooks, sollen es uns leichter machen. Und zwar im wortwörtlichen Sinn. Tausende Bücher auf einem wenige hundert Gramm schweren Device, immer und überall dabei. So die schöne neue Welt. Gegen klassische Bücher, also Hard- oder Softcover fürs Regal zu Hause, haben sich eBooks bisher aber noch nicht durchgesetzt.

Auch Johnny Haeusler, Mitbegründer von Spreeblick.com, einer der bekanntesten deutschen Weblogs, wurde im Gespräch mit klassischen BuchverlegerInnen immer wieder mit den Problemen von eBooks konfrontiert: dass sie wirtschaftlich irrelevant seien, sich nicht verkaufen ließen und die Zielgruppe nur schwer definierbar wäre. Doch Haeusler wollte herausfinden, ob das wirklich stimmt. Im Eigenvertrieb hat er 15 Kurzgeschichten seines Weblogs als eBook gebündelt und vor knapp einem halben Jahr herausgebracht. Schon nach sechs Stunden hatte er 92 eBooks verkauft und war auf Platz 9 in den Verkaufscharts.

Buchcover "I live by the River"

Johnny Haeusler/Spreeblick

"I Live By The River!" ist unter anderem in Apples iBook Store und im Amazon Marketplace erschienen.

Seitdem wanderten an die 5000 Exemplare des eBooks über die virtuelle Ladentheke - eine Stückzahl, bei der selbst klassische Buchverlage genauer hinhören. Traditionelle Bücher gelten als Erfolg, wenn sie mehr als 10.000 Mal verkauft werden. Natürlich helfen Haeuslers hoher Bekanntheitsgrad und eine gute Vernetzung über Social Communities beim Ankurbeln der eBook-Verkäufe. Viel wichtiger findet er allerdings die Preisgestaltung.

"Der Preis ist ein ganz wichtiger Faktor, weil ich glaube, dass der eBook-Markt einen Anschwung braucht. Und das könnte ähnlich funktionieren, wie das Apple mit dem App Store vorgemacht hat, nämlich so: am Anfang müssen diese Sachen günstig sein, weil alle Leute, die das ausprobieren wollen, zunächst mal Erfahrungen damit machen müssen, auch die Leserinnen und Leser. Deshalb habe ich den Preis meines Buches auf 99 Cent gesetzt. Da sag ich als Leser schon eher mal: 'Ach komm, da klick ich jetzt drauf.'"

Mit Niedrigpreisen sollen Einsteiger angelockt und langfristig an den eBook-Markt gewöhnt werden. Das heißt für AutorInnen derzeit, dass sie nur mit sehr hohen Verkaufszahlen halbwegs von ihren eBooks leben können. Den Brotjob kündigen und als eBook-AutorIn erfolgreich werden scheint derzeit also noch in weiter Ferne. Im Fall von Apples iBook Store und Amazons Marketplace bleiben zudem etwa 30 Prozent vom Verkaufspreis bei den Vertriebsplattformen. Vorschussfinanzierungen, wie man sie bei klassischen Buchverlagen findet, gibt es bei eBooks nicht. Aber der Selbstvertrieb bietet auch Vorteile: Wenn man jahrelang nach einem geeigneten Verlag sucht, aber niemand das Buch veröffentlichen will, sollte man das Ruder selbst in die Hand nehmen, meint Haeusler und es als eBook veröffentlichen.

Aller Anfang ist schwer

Wenn man noch gänzlich unbekannt ist und keine eigene Leserschaft herangezogen hat, ist es schwierig, die Aufmerksamkeit auf sein eBook zu lenken und auf dem Markt Fuß zu fassen. Im Zuge des Selbstvertriebs wird man zwangsweise zum Allround-Wunderwuzzi: Neben dem Schreiben muss man sich nämlich auch um die PR-Arbeit kümmern, damit das eBook in diversen Blogs oder sogar Zeitungen rezensiert wird. Und natürlich müssen die technischen Hürden überwunden werden: Das Buch in die jeweiligen Dateiformate bringen (ePub ist zwar ein genormtes und weit verbreitetes Format, aber je geschlossener die Systeme sind, desto mehr Abweichungen und Eigenbrötlerei gibt es auch bei den angebotenen eBook-Formaten für diverseste Reader) und sie auf die jeweiligen Plattformen wie Apples iBook Store, Amazon Marketplace, Thalia etc. hochladen und anbieten.

Johnny Haeusler

Johnny Haeusler/Facebook

Wenn man als eBook-AutorIn also so richtig durchstarten will, sollte man neben diversen Schreib-Akademien auch noch eine Werbe-/PR-Fachhochschule besuchen, sich mit Photoshop auskennen und einen kleinen Bachelor-Abschluss in Medieninformatik haben, um alle eBook-Plattformen bedienen zu können. Eine ganze Palette an Hürden also, die einen im Selbstvertrieb erwarten. Doch Johnny Haeusler glaubt, dass es in Zukunft Firmen geben wird, die sich auf den Vertrieb oder die Vermarktung von eBooks spezialisieren werden - erste Versuche hierzu existieren bereits - und einen zum Beispiel in technischen Bereichen unterstützen. Auch Haeusler hat sich für sein eBook Hilfe geholt, damit es in allen gängigen eBook-Stores zu finden ist. Dafür muss er einen gewissen Prozentsatz seiner verkauften eBooks abgeben - wesentlich fairer, als die fünf Prozent, die er bei einem traditionellen Buchverkauf vom Verlag bekommen hätte, findet er.

Anders, als von early adoptern erwartet, ist der durchschnittliche eBook-Leser nicht jung und männlich, sondern weiblich und 35 Jahre und älter. Um diese Zielgruppe könnten die Verlage intensiver werben und dabei Experimente wagen. Damit sich eBooks besser durchsetzen als bisher, ist Kreativität gefragt, findet Haeusler. Autoren könnten zum Beispiel ihre eBooks kapitelweise herausbringen und dafür jeweils eine kleine Summe verlangen. Buchverlage könnten zum Hardcover zusätzlich die eBook-Variante kostenlos beilegen, damit neue Kunden gewonnen werden. Oder eBooks könnten via Autorenabo erworben werden.

Der Komfort, jederzeit über mobiles Internet das Buch deiner Wahl zu erwerben, unabhängig von Öffnungszeiten und wie weit das nächste Buchgeschäft entfernt ist, wird sich über kurz oder lang durchsetzen, glaubt Johnny Haeusler. Letztendlich aber entscheidet Können und Glück über den eigenen Erfolg. Haeusler selbst ist sich ganz sicher, dass es in ein bis zwei Jahren einen Überraschungsautor bzw. eine Überraschungsautorin geben wird. Jemand, der noch völlig unbekannt ist, dessen eBook aber in diversen Blogs die Runde macht und seine 100.000 Stück verkaufen wird.