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Burstup

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30. 3. 2012 - 15:15

Verfassungsklage gegen Vorratsdatenspeicherung

Der "Arbeitskreis Vorrat" ruft alle Benutzer von Internet und Telefon auf, sich an einer Sammelklage gegen Überwachung zu beteiligen.

Ein modernes Smartphone, das sich ständig mit dem Internet verbindet, erlaubt ein Bewegungsprofil zu erstellen, mit dem auf Stunden und Meter genau nachvollziehbar ist, wann man wo war. Wo man schläft oder wo man arbeitet. Und natürlich auch, mit wem man telefoniert oder emailt. Ab Sonntag, dem 1. April 2012, muss all das sechs Monate lang – „auf Vorrat“ – gespeichert werden. Kritiker halten die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und planen eine Sammeklage, an der sich jede Bürgerin und jeder Bürger beteiligen kann.

Auge mit Paragraph

AK Vorrat

Der "Arbeitskreis Vorrat" betreibt schon seit letztem Oktober die Bürgerinitiative Stoppt die Vorratsdatenspeicherung. Unterschrieben haben dort schon etwa 80.000 Menschen. Der selbe Arbeitskreis organisert jetzt auch die Sammelklage beim Verfassungsgerichtshof. Ziel dieser Klage ist die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung. Andreas Krisch vom AK Vorrat wünscht sich möglichst hohe Beteiligung: „Auf den einzelnen werden keine Kosten zukommen. Sie werden von zu uns getragen. Auch Risiken geht man nicht ein. Sondern man setzt sich für seine Grundrechte ein.“

Zu den Erstunterstützern der Sammelklage gehören Maria Wittmann-Tiwald von der Richtervereinigung, Hannes Dretter vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte oder Albert Steinhauser von den Grünen. Steinhauser vergleicht die Vorratsdatenspeicherung mit der Überwachung der Post: „Man stelle sich folgende Situation vor: Das Parlament beschließt ein Gesetz, dass die Post künftig jedes Mal, wenn jemand einen Brief schreibt, aufschreiben muss, wer den Brief schreibt, an wen der Brief geschrieben wird und wann er geschrieben wird. So ein Gesetz wird natürlich nicht beschlossen, denn jeder würde sagen: Das geht in einer Demokratie nicht. Nichts anderes passiert aber bei der Vorratsdatenspeicherung mit SMS und E-Mail.“

Christoph Tscholl, Wissenschafter beim Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, hält die Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung für sehr chancenreich. Denn er sieht gleich mehrere Grundrechte verletzt: „Erstens unser Grundrecht auf Datenschutz. Dieses gilt umfassend. Das heißt, es gilt nicht nur als Abwehranspruch gegenüber staatlichen Behörden, sondern es gilt auch privat untereinander, von privat zu Unternehmen usw. Zweitens haben wir in Österreich im Verfassungsrang die Europäische Menschenrechtskonvention. Sie verbürgt in Artikel 8, dass jeder einen Anspruch auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens und seiner Korrespondenz hat.“

Weiters sieht Tscholl auch das Recht auf Redaktionsgeheimnis verletzt, denn: Journalisten könnten ihre Informanten nicht mehr vor der Aufzeichnung von E-Mail- oder Telefon-Vebindungsdaten schützen. Der AK Vorrat ruft zu möglichst breiter Unterstützung der Sammelklage auf. Es können sich nicht nur österreichische Bürger, Firmen und Vereine, sondern auch ausländische Bürger beteiligen, sofern sie in Österreich einen Telefon- oder Internet-Anschluss angemeldet haben.

In ganz Österreich finden morgen, Samstag 30. März, Trauerzüge statt. Beerdigt wird die Privatsphäre unter anderem in Linz, Innsbruck, Salzburg und Wien.