Erstellt am: 29. 3. 2012 - 17:06 Uhr
Die Büchse heißt Pandora
Wer unterwegs gerne spielt, hat in diesen Tagen die Qual der Wahl. Soll es ein iPhone sein, ein Android-Smartphone oder doch lieber ein spezielleres Gerät wie Nintendo 3DS oder PlayStation Vita? Die Möglichkeiten zum portablen Videospielen sind vielfältig, doch alle genannten Geräte haben einen Nachteil: Sie sind in sich geschlossene Systeme. Hausfremde Software installieren kann man darauf nicht und selbst dafür Spiele entwickeln ist in den meisten Fällen teuer und damit für Hobbyist/innen schwer bis unmöglich.
Eine tragbare Spielkonsole aus dem digitalen Untergrund soll diese restriktive Politik, so gut es geht, aufbrechen. Die Rede ist von der sogenannten Pandora, einer Mischung aus Subnotebook und tragbarer Spielkonsole, die unter Linux läuft und über keinerlei Zugangsbeschränkungen verfügt. Das Gerät unterstützt offene Formate, wird via SDHC-Karten mit Software gespeist und jeder kann dafür Spiele oder Anwendungen entwickeln.
openpandora.de
Offene Handhelds
Die Geschichte der offenen Spielkonsolen für unterwegs beginnt bereits Ende 2001, als die südkoreanische Firma Game Park den GP32 veröffentlicht - vorerst nur im eigenen Land. Einige Monate später wird das Gerät aber durch kleine Distributionsfirmen - oft Einzelunternehmen - in andere Länder vertrieben. Auch im deutschsprachigen Raum wird der GP32 in kleiner Auflage angeboten, FM4 hat bereits damals über das ungewöhnliche Gerät berichtet.
Als Game Park sich einige Jahre später in zwei Firmen teilt und beide sich sowohl hinsichtlich ihrer Nachfolgeprodukte als auch ihrer Businesspläne verzetteln und Insolvenz anmelden, drängt die Hobby-Community mehr in den Vordergrund. Ein weiteres Gerät - der GP2X - wird von den Koreanern noch erfolgreich veröffentlicht, danach übernehmen die Fans das Ruder.
Wir machen das selbst
Mehr zu den unterschiedlichen offenen Handhelds kann man auf OpenHandhelds.org nachschlagen.
Drei ehemalige Distributoren vom GP2X - ein Brite, ein Türke und ein Deutscher - überlegen sich, wie es nun mit den tragbaren Open-Source-Spielkonsolen weitergehen soll. Nach reiflicher Überlegung beschließen sie, sich die Zukunft ihrer Lieblingsgeräte selbst zu machen. So gestalten ein Hardware-Designer aus England, ein Gehäuseentwickler aus der Türkei und der Community-Manager und Medienarbeiter Michael Mrozek aus Deutschland ihre eigene, offene Spielkonsole. Der ursprüngliche Veröffentlichungstermin ihrer Konsole Pandora wird bereits für Ende 2007 angesetzt.
Doch man hat den Aufwand überschätzt. So ein komplexer kleiner Computer lässt sich zwar vielleicht in absehbarer Zeit am Reißbrett entwerfen. Das Beschaffen der einzelnen Bauteile und das Produzieren der Geräte ist freilich ein anderes Paar Schuhe. Die Pandora soll immerhin ein vollwertiger kleiner Computer mit Touch-Display, einer Tastatur und Videospiel-typischen Eingabegeräten wie Steuerkreuz, Analog-Sticks und Schultertasten werden. So ein Gerät herstellen zu lassen, ist für ein dreiköpfiges Hobby-Team mehr als eine große Herausforderung.
Von Texas über China nach Deutschland
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Alle drei Mitglieder des Kernteams - später werden es vier - sind in ihren Bereichen bewandert und kompetent. Erfahrungen im Umgang und in der Kommunikation mit internationalen Zulieferfirmen müssen sie sich aber erst über Jahre hinweg erarbeiten. Die Mainboards der Pandora lässt man zuerst in einem Werk in Texas fertigen, das Gehäuse wiederum kommt aus China. Leider produziert die texanische Firma nach einiger Zeit viele fehlerhafte Geräte und stellt dennoch die Produktion nicht ein. Währrenddessen hält das chinesische Unternehmen seine Lieferzeiten nicht mal ansatzweise ein. Letzteres ist zumindest für chinesische Firmen durchaus branchenüblich, so Michael Mrozek im FM4-Interview, doch wissen tut man solche Dinge immer erst nachher. Es sind Erfahrungen, die gesammelt werden müssen. So hat es über vier Jahre gedauert und mehrere Produktrevisionen gebraucht, bis die Pandora nun friktionsfrei produziert werden kann. Aber trotz reichlicher Verspätung ist es nun geschafft.
Finanziert wurde die Entwicklung der Pandora anfangs durch Vorbestellungen. Vier Jahre später und mit dem Problem, dass die ehemalige Herstellerfirma in Texas 200.000 Dollar Schaden verursacht hat, war das Projekt kurzfristig an der Kippe. Doch das Pandora-Team hat nicht mit dem Einsatz der treuen Fans des Gerätes gerechnet. Michael Mrozek erstellt einen Businessplan, sucht innerhalb der Community nach Sponsoren - und wird fündig. Das abenteuerliche Projekt der eigenen Videospielkonsole kann weitergehen.
Ab Sommer 2012 lagernd
Die Pandora kann im Online-Shop GP2X.de bestellt werden.
Mittlerweile wird die Hardware der Pandora in Deutschland hergestellt, was eine hohe Produktionsqualität garantiert. Das ursprüngliche Design aus Anfang 2008 ist leicht adaptiert worden, doch wichtig sind ohnehin nicht die technischen Spezifikationen, sondern das, was die Pandora leisten kann: Es ist ein ideales Gerät zum Spielen älterer Videospiele. Abgesehen von alten C64- oder NES-Titeln können auf der Pandora auch viele Systeme weit oberhalb von 8-Bit-Architekturen abgebildet werden - etwa die originale PlayStation. Emulatoren für Dreamcast und Nintendo 64 sind bereits in der Entwicklung.
Auch andere freie Software wie Musik-Tracker oder Bildbearbeitungsprogramme sind auf der Pandora problemlos nutzbar. Wer möchte, kann sogar ein maßgeschneidertes Linux aufsetzen. Derzeit beträgt die Lieferzeit noch vier bis sechs Wochen, im Sommer soll die offene Konsole dann aber immer auf Lager sein und auch stärker beworben werden. In Zeiten, in denen man zwar Zugriff auf technisch brilliante digitale Spielgeräte hat, die aber durch ihre proprietäre Struktur die User in ihrer Nutzung stark einschränken, ist die Pandora eine Wohltat.
Community-Manager Michael Mrozek über die abenteuerliche Entwicklung der tragbaren Open-Source-Spielkonsole Pandora:
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