Erstellt am: 8. 4. 2012 - 09:00 Uhr
Erinnerungs-Service vor der Camping-Saison
marc carnal
Marc Carnal, der schönste Mann von Wien, sammelt seit geraumer Zeit Einkaufslisten.
Unterstützt wird er dabei von einem stetig wachsenden Kreis an redlichen Helfern, die ihn regelmäßig mit am Wegesrand oder in Supermärkten aufgelesenen Zettelchen beliefern, auf denen Fremde seltsame, amüsante, wirre, ungesunde oder fragwürdige Gedankenstützen notiert haben.
Zu diesen teils zauberhaften Stichwortsammlungen verfasst Herr Carnal dann Texte und trägt diese zwischendurch auch öffentlich vor.
Termine findet man hier.
marc carnal
Da Ihr letzter Campingurlaub bereits über zwei Jahre zurückliegt, möchte ich Ihnen die Details kurz in Erinnerung rufen.
Bereits bei Ihrer Ankunft im slowenischen FKK-Paradies hagelte es, worauf Sie Ihr Zelt überhastet und mit zu lückenhaften Erinnerungen an die korrekten Arbeitsschritte derartig falsch aufgestellt haben, dass es zwar in den drei Stunden, in welcher die Batterien der Taschenlampe Ihnen noch gehaltvolle Lektüre erlaubten, eine scheinbar tadellose Herberge bot, allerdings zu nachtschwarzer Stunde dem Gewitterregen an den schlecht imprägnierten Stellen Einlass gebot, was dazu führte, dass Sie um vier Uhr morgens in einem durchtränkten Schlafsack erwachten, um zuerst gedanklich zu fluchen und dann in Ihrer anfänglichen Ratlosigkeit unterbrochen zu werden, indem die falsch montierten Zeltstangen den gänzlichen Zusammensturz Ihrer Behausung bedingten. Nass, frierend und verzweifelt stiegen Sie nackt aus dem Polyesterhaufen und scheiterten im Dunkeln daran, das Zelt notdürftig wieder aufzubauen, worauf Sie die letzten trockenen Textilien aus Ihrem Rucksack retteten und das Morgengrauen damit zubrachten, sich auf dem von Schimmel und Fußpilz verschnörkelten Fliesenboden der Campingplatz-Duschen notdürftig zuzudecken.
Sie konnten zwar nicht mehr einschlafen, zumindest hörte es aber auf zu regnen.
Bald brach ein neuer Tag an. In Handtücher eingewickelt warteten Sie in Ihrem Aufklappsessel auf die warme Morgensonne, um dann Ihr Zelt in aller Ruhe noch einmal zu errichten, den nassen Schlafsack zum Trocknen aufzuhängen und dann endlich zu frühstücken. Um sich eine Dose Gulasch aufzuwärmen, aktivierten Sie ihren Gaskocher, der tadellos funktionierte, zumindest jene dreißig Sekunden, bis die Kartusche leer war. Wütend ob der eigenen Unachtsamkeit suchten Sie in Ihrer Kühlbox nach Alternativen, die zwar vorhanden, aber im ehemaligen Inhalt der drei zerquetschten Joghurtbecher gebadet waren. Also kehrten Sie im nahen Strandrestaurant ein, wo Sie hinreichend dinieren, in Ihrer Abwesenheit jedoch nicht verhindern konnten, wie fiese Freikörperkultur-Freunde aus Ihrem Zelt das best of Ihrer Wertgegenstände klauten und der Hund des Bademeisters die letzten genießbaren Speisen aus Ihrer Kühlbox verschlang.
marc carnal
Dies bemerkten Sie erst, als Sie von Ihrem Mittagsschläfchen am Strand zurückkehrten, das durch den Schlafmangel der letzten Nacht etwas zu ausgedehnt geraten war und Ihnen so einen dunkelroten, von hübschen weißen Bläschen gesprenkelten Sonnenbrand am Rücken bescherte. Das Entsetzen ob der Plünderung Ihres Zelts wurde weder von Ihren neu angekommen Nachbarn gemildert, einem Dutzend Jugendlicher aus Berlin, die mittels Primitiv-Hip-Hop die Leistungsgrenzen ihrer Boxen auszuloten versuchten, noch vom frisch installierten Spinnennest in Ihrem Zelt und erst recht nicht von der slowenischen Exekutive, die erst am frühen Abend eintraf und keine große Mühe investierte, um Ihre Notlage zu verstehen.
Muss ich Sie auch noch an Ihre verfrühte Heimreise erinnern, das zähe Autostoppen bis zum Bahnhof und die endlosen Diskussionen mit dem Schaffner, der Ihnen nicht glauben wollte, dass Ihre Mutter die Fahrkarte bei der Ankunft bezahlen würde? Oder die spätere Entführung durch Außerirdische, in deren Raumschiff schmerzhafte Experimente zur Energiegewinnung aus menschlicher Harnsäure an Ihnen durchgeführt wurden?
Damit entfernen wir uns aber etwas zu sehr vom Thema, weswegen ich nun schließe, Ihnen einen schönen Urlaub im Grünen wünsche und zuletzt noch bemerke, dass der Mensch nirgends sonst zu so großer nachträglicher Verklärung neigt wie beim Camping.