Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Schulschwänzen ist nicht cool""

Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

22. 3. 2012 - 18:39

"Schulschwänzen ist nicht cool"

Horst Tschaikner wurde heute als Schulschwänz-Beauftragter für Wien vorgestellt. Seine schwierige Aufgabe: Schulschwänzen "uncool" machen.

"Ich möchte, dass Schulschwänzen nicht als Kavaliersdelikt gesehen wird. Ich möchte, dass hier ein Umdenken passiert, und ich möchte, dass Erwachsene hinsehen und nicht wegsehen, weil es geht um Lebenschancen", sagt Horst Tschaikner, der heute als Wiener Schulschwänz-Beauftragter vorgestellt wurde. Wie groß das Problem aber tatsächlich ist, weiß man gar nicht so genau. Zwar war in den vergangenen Wochen immer wieder von einer Verdopplung des Schulschwänzens in den letzten zehn Jahren die Rede, genaue Daten werden aber nicht erfasst, heißt es heute.

Klassenzimmer

APA/Helmut Fohringer

Wer schwänzt überhaupt?

Schulschwänzerinnen und Schulschwänzer könne man in drei Gruppen einteilen, sagte Susanne Brandsteidl, Präsidentin des Wiener Stadtschulrats. Und es ist keineswegs nur ein Problem bei SchülerInnen mit Migrationshintergrund.

Über die Schulverweigerer im Pflichtschulalter weiß man genau Bescheid, das sind in Wien etwa 200 bis 300 Schulpflichtige. Für die ist das Jugendamt zuständig, oft haben die Schulprobleme mit anderen sozialen Problemen wie Verwahrlosung oder Alkoholismus der Eltern zu tun.

Die zweite Gruppe sind die SchülerInnen mit Schulangst. Für die gibt es bereits Betreuungsangebote, wie etwa das Projekt "Schlangenfuß", wo in Kleingruppen unterrichtet wird.

Und dann gibt es die, die einfach keine Lust auf Schule haben, die stattdessen lieber zu Hause fernsehen oder ins Kaffeehaus gehen. Sie gehen meistens in die Oberstufe und sind zwischen 14 und 19 Jahre alt. Zahlenmäßig sollen das so ca. ein bis zwei Schüler pro Klasse sein, insgesamt um die 4000 bis 5000 SchülerInnen, schätzt Brandsteidl. "Über die haben wir keine genauen Daten, können wir auch gar nicht, weil es hier keine Meldepflicht gibt."

"Ich sammle Daten und habe eine Telefonnummer"

Horst Tschaikner

APA/Herbert Neubauer

Die Hotline zum Wiener Schulschwänzbeauftragten: 01/52525-77111

Um die letzteren soll sich nun also der Schulschwänz-Beauftragte im Besonderen bemühen. Konkrete Ideen oder Pläne hat er dafür aber nicht. Internationale Vorbildprojekte wolle man sich ansehen. Mit den "Schulpartnern" sollen weitere Schritte besprochen werden, deswegen gibt es bald Round Tables mit Eltern- und SchülervertreterInnen.

Und der Schulschwänzbeauftragte hat eine Telefonnummer, unter der ihn verzweifelte Eltern, LehrerInnen und ja, auch SchulschwänzerInnen anrufen können, um ihn um Rat und Hilfe zu bitten. Denn, so argumentiert Stadtschulrats-Präsidentin Susanne Brandsteidl die Schaffung des neuen Postens: "Jede Form von jemanden mit einem Thema in Verbindung bringen schafft Verantwortlichkeit." Viele LehrerInnen oder Eltern hätten sich so einen Ansprechpartner in Sachen Schulschwänzen schon lange gewünscht.

Schulschwänzen soll uncool werden

Grundsätzlich weiß man also, dass Schuleschwänzen im Alter von 14 bis 19 attraktiver wird und dass es etwas mit Coolness zu tun hat. Aufgabe des Schulschwänz-Beauftragten wird es sein, das Schulschwänzen "uncool" zu machen. Auf die Frage, wie er das machen will antwortet Horst Tschaikner: "Ich stehe am Anfang meiner Arbeit, ich kann Ihnen diese Frage noch nicht beantworten. Ich möchte aber, dass Menschen erkennen: Schule ist zentral und wichtig, und ich bin ausgrenzungsgefährdet, wenn ich mich einmal aus dem Lernprozess aus der Schule ausklinke. Und das ist wirklich uncool, nicht partizipieren dürfen an den Chancen, die diese Gesellschaft bietet."

Blöd nur, dass das Hauptabendprogramm voll ist mit Chancen, die nichts mit Zur-Schule-Gehen zu tun haben und noch dazu wesentlich "sexier" erscheinen. Heidi Klum betet vor, dass mit der richtigen Figur und ausreichender Bereitschaft sich demütigen zu lassen die Karriere geritzt ist. Und auch bei sämtlichen Popstar-Formaten ruled nicht, wer früh aufsteht und brav ist, sondern wer die große Klappe und Badass-Attitüde hat.

Und auch Brandsteidls Lehrerinnen-Witz am Beginn der heutigen Pressekonferenz, ob wohl so viele JournalistInnen gekommen seien, weil das Thema mit ihrer eigenen Vergangenheit zu tun habe, wirkte ein wenig deplatziert. Waren doch die Anwesenden selbst ein Beispiel dafür, dass spätestens mit dem Siegeszug der Kreativwirtschaft und weniger rigiden Arbeitsformen der/die SchulschwänzerIn in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wobei es wohl nicht die "Kreativen" sind, um die man sich beim Schulschwänzen sorgen macht, sondern die 60.000 "verschwundenen" Jugendlichen, von denen letztes Jahr immer wieder die Rede war. Vielleicht findet ja der Schulschwänz-Beauftragte Maßnahmen, um sie wieder in die Schule zurück zu holen.