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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

22. 3. 2012 - 19:08

Digitale Klingelbeutel

Crowdfunding ist das neue Allheilmittel, mit dem man im Social Web schnell zu Geld kommt. Derzeit ist es ein für alle Beteiligten bereicherndes Modell.

Du willst ein Buch schreiben, einen Kurzfilm drehen, einen schicken Stuhl designen oder ein Videospiel entwickeln - allein, es fehlt das Geld. An der Finanzierung sind schon viele gute Ideen gescheitert, in Zeiten der Vernetzung via Social Media ist das aber alles seit einigen Monaten kein Problem mehr. So scheint es zumindest. Crowdfunding heißt das Wort der Stunde. Der Web-Forscher Julian Ausserhofer bezeichnet das Prinzip des Crowdfunding sehr bildhaft als einen Klingelbeutel, der fürs gemeinschaftliche Web digitalisiert worden ist.

Ein chinesischer Klingelbeutel, der mit Silbermünzen überfüllt ist. Daneben liegen in einem Umkreis von einem Meter viele weitere Münzen.

sanfamedia.com / flickr.com

Demokratisierung der Mittelbeschaffung

Früher waren Finanzspritzen vor allem Wirtschaftstreibenden vorbehalten. Wer als Unternehmer Mittel für Projekte und Investitionen auftreiben will, sucht Geldgeber, die im Gegenzug dafür Anteile an der Firma bekommen oder am Gewinn beteiligt werden. Nicht-kommerzielle Initiativen wiederum betreiben oft kompliziert organisierte Fundraising-Projekte. Privatpersonen konnten bis vor einigen Jahren nur um Stipendien (Staat) oder Sponsoring (Privatwirtschaft) ansuchen, deren Existenz und Anforderungsprofile oft schwer zugänglich und intransparent waren und in vielen Fällen weiterhin sind.

Im sozialen Netz geht das jetzt alles viel direkter: Menschen mit Ideen stellen ihr jeweiliges Projekt vor, erzählen, was sie genau machen wollen und bitten für die Umsetzung um kleine (oder auch große) Geldbeträge. Das funktioniert erstaunlich gut. Julian Ausserhofer nennt mehrere Gründe, warum es für die Geldgeber Sinn macht. Der wichtigste davon: Menschen, die nach Innovationen suchen, werden durch das schiere Angebot der Möglichkeiten verzaubert.

Inspiration schafft Geberlaune

Das Durchforsten von Crowdfunding-Plattformen ist höchst inspirierend. Hier ein geplanter Dokumentarfilm, da eine Idee für ein ungewöhnliches Computerspiel, dort ein aufwühlendes Sachbuch, das gerade geschrieben wird. Wer dafür Geld geben möchte, ist maßgeblich mitverantwortlich, dass das jeweilige Projekt der Umsetzung einen Schritt näher kommt. Das erhöht die Emotionalisierung - einer der wichtigsten Faktoren beim Crowdfunding - die vor allem durch gutes Storytelling gesichert wird, so Julian Ausserhofer, der an der FH Joanneum in Graz und an der Universität Wien über Social Media im Netz forscht.

Julian Ausserhofer

Julian Ausserhofer

"Wenn man eine Geschichte erzählen kann, wie es zum jeweiligen Projekt gekommen ist, was die Idee dahinter war, und wie sich diese weiterentwickelt hat, ist ein erster großer Schritt gemacht. Wichtig ist auch zu klären, warum man jetzt um Unterstützung bittet. Wenn man so eine Geschichte schön erzählen und damit die Leute mitnehmen kann, hat man schon viel gewonnen."

Für Ausserhofer ist das Finanzierungsmodell Crowdfunding eine bestehende Idee, die für das gemeinschaftliche Web 2.0 übernommen und adaptiert worden ist. Das ist bereits 2008 passiert, damals ist die mittlerweile populäre US-amerikanische Seite kickstarter.com online gegangen und war damit eine der ersten Crowdfunding-Plattformen. Seither sind viele Dutzend weitere Sites hinzugekommen - ein Überblick fällt schwer. Viele Plattformen spezialisieren sich inhaltlich, sammeln ausschließlich Projekte zu Politik, Sozialem, Musik, Wissenschaft, Journalismus, etc., und stechen so aus dem umfangreichen Angebot hervor.

Mitschneiden an den Fördergeldern

Das Finanzierungsmodell der Crowdfunding-Sites ist einfach und funktioniert sehr ähnlich wie bei Online-Auktionshäusern: Das Einstellen von Projekten ist kostenfrei, die jeweilige Plattform schneidet jedoch mit einem bestimmten Prozentsatz (derzeit von 1,5 bis 12,5 Prozent) an den gespendeten Geldbeträgen mit.

Das Finanzieren eigener Projektes durch Mikrobeträge ist bei den Produzenten und Projektbetreibern ebenso populär wie bei den Geldgebern. Wer etwas schafft, kann schnell und unkompliziert zu Geld kommen. Wer Mittel zur Verfügung stellt, kann sich als interessierte/r Unterstützer/in Szene setzen. Darüber hinaus treffen sich beim Crowdfunden auch Menschen mit ähnlichen Interessen.

"Wenn man auf einer Plattform spendet, dann sieht man auch die anderen, die für dieses Projekt gespendet haben. Wenn man beispielsweise einen Experimentalmusiker unterstützt und auf andere Spender/innen aufmerksam wird, die sich für dieses Thema interessieren, kann mit auch Verbindung mit ihnen aufnehmen."

Jedes zweite Projekt eine Erfolgsgeschichte

Derzeit schafft es verblüffenderweise fast jedes zweite via Crowdfunding eingereichte Projekt, den jeweils angestrebten Finanzierungsbetrag zu erreichen. Ist das geschafft, haben die Einreichenden die soziale und gesellschaftliche Verpflichtung, mit dem Geld ihre Idee auch wirklich umzusetzen. Daran scheitert es aber quasi nie. Die Geldgeber freuen sich schließlich, wenn sie bei einem fertiggestellten Projekt im Film-Abspann oder Album-Booklet ihren Namen lesen können oder ihre Idee fürs Design eines Videospielcharakters umgesetzt sehen.