Erstellt am: 21. 3. 2012 - 16:08 Uhr
Fußball-Journal '12-10.
So wie in den Vorjahren - das war das Fußball-Journal '11 - gibt es auch heuer wieder ein Fußball-Journal '12, welches die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das Umfeld begleitet.
Extras: nach dem Afrika-Cup-Journal '12 kommt im Juni ein Special zur Euro, im Sommer ein Journal zu den London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches und anlassbezogenes Journal 2012.
Heute ein Eintrag über drei aktuelle eindrucks- und hoffnungsvolle Fußball-Geschichten, die wegen ihrer sehr erstaunlichen Gegenläufigkeit zum sonst üblichen Sumpertum des heimischen Fußballs verblüffen.
Siehe auch: Fußball-Journal '12-2. Österreichs Fußball erreicht, durchaus überraschend, 2.0-Level.
Dank an you-know-who-you-are fürs gestrige Ausleuchten der Zusammenhänge.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
Da lassen sich Fußball-Fans weder von einem beschönigenden Vereine, noch von einem Trainer-Irrtum und schon gar nicht von einer plumpen, rein ergebnisorientierten medien-Berichterstattung an der Nase herumführen und erkennen des Kaisers neue Kleider: Vastic raus!
Da stellt sich ein langjähriger Krisen- und Gutsherren-Verein neu auf - und macht das hochprofessionell, langfristig und nachhaltig denkend und personell fantasievoll: Sturm Graz präsentiert Gludovatz.
Da schafft selbst der von seinem Sponsor genötigte ÖFB das Unerwartete und reagiert auf die seit Jahren grassierende Cup-Krise mit einem umfassenden Reform-Programm, das alle Forderungen der zuvor als Trottel diffamierten Kritiker enthält.
Es geschehen also, schon Im Februar vorgefühlte Zeichen und Wunder.
Zeichen und Wunder, 1: der Irrtum Vastic kommt nicht davon
Vorab: es liegt nicht am Abgang von Junuzovic und Barazite, dass die Austria Wien die unansehnlichste Halbsaison seit Jahren spielt; es liegt an Ivo Vastic, an seiner mangelnden Erfahrung was die strategische Einstellung einer Mannschaft betrifft, an seiner Unerfahrenheit in taktischen Belangen, an seiner offenkundigen Beratungsresistenz und vor allem an der übervorsichtigen Defensiv-Ausrichtung einer dergestalt planlos auf den Rasen geschickten Truppe.
Das wiederum hat mit der Wurstigkeit zu tun, mit der viele zu früh in zu hohe Positionen hineingeschobene Ex-Internationale an ihre Aufgabe herangehen zu tun - das erklärt Helmut Kronjäger in einem aktuellen Interview sehr drastisch.
Das System Vastic wiederum fußt auf der ökonomischen Katastrophe heimischer "Spitzen-Fußball": da die Kosten für den Coach ein Premium-Sponsor des Vereins übernimmt, dessen Testimonial Vastic ist, spart die Austria einen Posten; und das ist ein guter Grund für den Wechsel Daxbacher -> Vastic, der die Öffentlichkeit überrascht hat.
Das Gute in dieser üblen Posse ist das Verhalten einer Gruppe, die sich sonst nicht allzu oft durch sinnhaftes Handeln ausgezeichnet hat: der Fans, vor allem der Ultras. Die lassen sich weder von der glorreichen Spieler-Vergangenheit Vastic', noch durch das Wechsel-Gerede von Sportdirektor Parits, nicht durch das beschönigende Geschwätz der Verantwortlichen und schon gar nicht durch das rein propagandistische und peinlich anti-analytische Vastic auf Erfolgskurs-Blabla der Mainstream-Medien blödmachen, die nach ernudelten Erfolgen gegen andere schwache Teams Handschriften erkennen wollten, sondern kommentieren was sie sehen: grauslichen seelen- und prinzipienlosen Angsthasen-Fußball, der einzig durch das Trainerteam zu verantworten ist.
Dabei geht es auch nur am Rande um Personalien: ob sich vorne Roman Kienast oder Roland Linz alleingelassen abmüht, ist egal. Das System Vastic, das sich ausschließlich auf den Ausbau von Hausmacht konzentriert, hat innerhalb von wenigen Wochen drei Jahre Aufbauarbeit von Karl Daxbacher in Grund und Boden ruiniert.
Den, Daxbacher nämlich, haben die Fans auch angesichts schlimmer Niederlagen (ich erinnere mich an das beschämende Cup-Aus gegen Austria Lustenau im letzten April, das mit einer Belagerung der Kabine endete), niemals in die direkte Verantwortung genommen; wohl auch, weil sie gespürt hatten, dass es nicht an ihm lag.
Im Fall Vastic, eh schon am Samstag beim peinlichen Remis in Neustadt, und vor allem nach dem gestrigen Flop in Mattersburg, adressieren die Ultras ihr Unbehagen durchaus gezielt.
Dass Ivica Vastic, der sich clever in ein Amt lobbyiert hat, mit dem er mangels Philosophie aber nichts anfangen kann, sich nicht - wie diverse Vorgänger und Vorgangs-Brüder - mit Schmähtandelei über seine inhaltliche Nacktheit hinwegschwindeln kann, sondern von der Schwarm-Intelligenz des Ultras als Bluffer und Blender erkannt wird, ist eine große Errungenschaft, die gar nicht hoch genug bewertet werden kann.
Zeichen und Wunder, 2: Sturm stellt echt den Gludovatz auf
Schon die Ernennung von Christoper Houben zum Geschäftsführer Wirtschaft beim neu aufgestellten Unternehmen Sturm Graz im Februar war eine Sensation. Ein Modernitätsschub, eine bahnbrechende Personalentscheidungen. Am Wochenende setzte der neue Präsident Christian Jauk noch einen drauf: Trainer Franco Foda, der machthungrige Einzelgänger, der sich nicht in eine moderne Vereins-Struktur pressen lassen wollte, wurde nicht verlängert; und der neue Geschäftsführer Sport wurde auch nicht Foda - der heißt Paul Gludovatz.
Auch wenn es vereinzelte Vorbehalte was etwa different Ansätze oder den großen Alters-Unterschied betrifft - ich halte das für einer herausragende Entscheidung, einfach weil es einen echten Querdenker in eine Position holt, die ihm nicht nur alterstechnisch, sondern auch von der Nachhaltigkeit seiner Entscheidungen her, entspricht.
Auch das von Gludovatz "verlassene" Ried steht dadurch nicht schlechter da: Gerhard Schweitzer ist wie Thomas Weissenböck, Martin Scherb oder Damir Canadi ein Coach, der sich nicht über seine Erfolge als Spieler, sondern über seine Erkenntnisse, was moderne Trainingslehre betrifft, definieren muss und schon allein deshalb deutlich zeitgemäßer agiert als das Gros der bekannten Kollegenschaft.
So kennt dieses Revirement tatsächlich nur Gewinner.
Mit der neuen und durchaus frühzeitigen Aufstellung der Struktur, der - vorbildlichen und längst überfälligen - Ausgliederung des Profi-Bereichs legen die Grazer das Fundament für ein Arbeiten im europäischen Maßstab. Und das ist zumindest genausoviel wert wie das mögliche Erreichen von Platz 15 im UEFA-Ranking.
Zeichen und Wunder, 3: der ÖFB reformiert den Cupbewerb
Apropos ÖFB-Cup:
Fußball-Journal '11-119. Im Bauch des Fußballs. Wieder einmal erzählt der Cup die wahre Geschichte.
Fußball-Journal '11-101. Das Elend des österreichischen Fußballs; im Praxistest - als einer von 247.
Es war ein Ceterum Censeo bestimmter Vertreter der neuen Medien, die linke Partie der Fußball-Blogger und Online-Bewegten, also Journalisten, die sich nicht vor allem als PR-Beförderer und Ergebnis-Fetischisten, sondern als kritische Mitdenker sehen: die Unsäglichkeiten in der Durchführung des ÖFB-Cup anzuprangern und Alternativen darzustellen.
Der Cup ist ein Stiefkind, auch in der öffentlichen Wahrnehmung - und deshalb waren die Reaktionen der Verantwortlichen besonders pampig, wurschtig, verzögernd und verschleppend. Und in keinem anderen Bereich kann eine immer für "demnächst" angekündigte Evaluierung lange Jahre dauern - das ist nur im ÖFB möglich, vor allem dann, wenn der Chef-Zuständige jemand ist, der sich traditionell ungern bewegt.
Und jetzt, wie aus dem Nichts, kam der Reform-Schlag und bringt die "ein Verein - ein teilnehmendes Team"-Regel (die Peinlichkeiten wie den Schlager Red Bull Juniors gegen RB Salzburg hervorbrachte), erhöhtes Kilometergeld und verbesserte Ticketpreise für Amateur-Teams, Zentralvermarktung ab dem Viertelfinale und einen fixen Finalort brachte. Alles Forderungen, die seit Jahren am Tisch liegen, alles Maßnahmen, die auch schon seit Jahren hätten ergriffen werden können.
Ich behaupte: hätte sich der ÖFB nicht dem Druck seines Hauptsponsors für den Cup, der Ö-Vertretung des koreanischen Multis Samsung und dessen sportaffinem Marketing gebeugt, der nach einem Jahr voller Peinlichkeit auf diesen lebensnotwendigen Reformen beharrt hätte, wäre wohl wieder nichts passiert.
Woher es aber die Zeichen und Wunder weht, an denen sich der heimische Fußball aktuell gerade aufrichtet, ist aber wohl wurscht: da darf man nicht wählerisch sein.