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16. 3. 2012 - 17:07

Gleichberechtigung für Tiere?

Der US-Philosoph Gary Steiner tritt für ein Ende des Anthropozentrismus ein.

In Europa soll es bald keine Langstrecken-Transporte von Tieren mehr geben. Nachdem mehr als eine Million Europäer die Initiative 8hours unterstützt hat, setzte sich auch das Europäische Parlament für eine Änderung der Tiertransport-Verordnung ein. Falls die Maßnahme auch von EU-Kommission und Ministerrat beschlossen wird, dürfen Tiere nicht mehr wie derzeit noch mehrere Tage lang in einem LKW stehen, sondern höchstens acht Stunden lang.

Für Gary Steiner, Uni-Professor und Autor zahlreicher Philosophie-Bücher zum Thema Tierrechte, ist eine Maßnahme wie "8hours" begrüßenswert, aber nur ein Zwischenschritt.

Welfarists und Abolitionists

Der vegane Philosoph schreibt in seinen Büchern über den moralischen Status des Tiers in der menschlichen Gesellschaft. Er sieht im Tierschutz derzeit eine Debatte zwischen jenen Menschen die er „Abolitionists“ nennt, und jenen die er „Welfarists“ nennt. Welfarists sind für Gary Steiner jene Menschen, die es für wichtig halten, Tiere gut zu behandeln, während sie gezüchtet werden, für Experimente benutzt werden oder zur Unterhaltung in Film, Sport oder Zirkus eingesetzt werden. Steiner: „Welfarists sagen: ‚Lasst uns den Tieren mehr Raum gebeb, ihnen besseres Futter geben und sicherstellen, dass sie gute medizinische Versorgung erhalten – bevor wir sie töten.‘“ Steiner glaubt, dass die meisten Menschen in Europa und den USA Welfarists sind.

„Abolitionists“ treten für ein Aufgeben des Status von Tieren als Eigentum ein. Für Abolitionists haben Tiere das Grundrecht, vom Menschen so unbeeinflusst wie möglich leben. Die Aussicht, ein Abolitionist zu werden, reiße uns aus unserer Komfortzone, sagt Steiner. „Wenn du Menschen sagst, dass es moralisch falsch ist, Tiere zu essen, werden sie sehr zornig. Wenn du sagst, sie sollen Fleisch kaufen, dass ‚menschlich‘ erzeugt wurde, dann sagen sie ‚ja okay, das kann ich machen‘. Denn es ist nicht sehr aufwändig, das zu tun. Aber ich denke, es löst auch nicht das Problem.“ Die Maßnahmen der Welfarists seien problematisch, weil sie uns ein besseres Gefühl dabei geben, Tiere auszubeuten, während wir immer noch eine Industrie unterstützen, deren einziger Zweck sei, Tiere zu töten um menschliches Verlangen zu stillen.

Anthropozentrismus

Jährlich werden über 50 Milliarden Tiere für den Verzehr getötet. Das führt Gary Steiner in seinen Philosophie-Büchern zurück auf den Anthropozentrismus, also die Idee, dass der Mensch im Mittelpunkt der Welt steht und ihm die Tiere untergeordnet sind. Sowohl die Philosophe des antiken Griechenland, als auch die judäisch-christlichen Traditionen vertreten ein anthropozentristisches Weltbild: Die Welt wäre für den Menschen erschaffen worden und existiere für sein Wohl. „In meiner Arbeit“, sagt Steiner, „analysiere ich die gesamte Geschichte der westlichen Philosophie – von Homer über Jacques Derrida zu Martin Heidegger. Ich versuche zu zeigen, wie die anthropozentristischen Vorurteile unser gesamtes Wertesystem bezüglich der Beziehung zwischen Mensch und Tier beeinflusst haben. Ein Wertesystem, in dem Menschen ganz oben sind, aber Tiere unten sind und deswegen Werkzeuge werden, Stoff, Material. Mittel, um unseren Zwecken zu dienen.“ Eines der wertvollsten und wichtigsten Dinge, die Menschen in moralischer Hinsicht heute tun können, ist für Steiner die Abkehr vom Anthropozentrismus.

Eine Kursänderung in der Philosophie also, hin zur Gleichberechtigung für Tiere - doch neben ihr muss auch eine praktische Schwierigkeit gelöst werden: „Wie kann man eine Veränderung in den Herzen der Menschen bewirken?“, fragt Gary Steiner. Denn es sei nicht nur die „pure Logik“, die Veränderungen bewirke, die postmoderne Perspektive sei gar nicht geeignet, die Unterdrückung von Tieren zu beenden. Strikte Prinzipien wie der vegane Imperativ, eine moralische Verpflichtung gegenüber Tieren oder Gerechtigkeit zwischen Mensch und Tier können für Steiner nicht auf postmodernem Denken beruhen. Es sei dafür zu widersprüchlich und rechtfertige je nach den Umständen alle Arten von Grausamkeiten gegenüber Tieren: "Wir brauchen ein neues Verständnis liberaler humanistischer Ideen." Ausführlich wird sich der Autor damit in seinem nächsten Buch befassen.

"Moral hat ihre Basis auch in den Gefühlen, die wir empfinden.“ Deshalb müsse bei den Menschen das Gefühl für die geteilte Verwandtschaft zwischen Menschen und Tieren erwachen. „Du kannst den Menschen alle Argumente und alle Logik der Welt präsentieren – es wir nichts verändern, bis du in ihnen das Gefühl erzeugst, das Kinder haben: ‚Ich bin wie dieses Tier, wir sind gleich‘“.

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Das komplette Interview mit Gary Steiner gibt es hier und als Download auch im Interview Podcast.