Erstellt am: 15. 3. 2012 - 17:00 Uhr
Something For the Weekend
"I'm not sure if it was heaven or hell. But it was wonderful."
(Jimmy Carter's mother, Lillian, on her visit to Studio 54.
In: Peter Shapiro, "Turn The Beat Around - The Secret History Of Disco")
Freitag

I:Cube
Im Rahmen von Hart aber Herzlich beehrt I:Cube Wien, und zwar die Pratersauna: Großer, großer französischer House-Produzent, ewig schon ist der gute Mann dabei, solo und als Hälfte des nicht minder feinen Duos Chateau Flight. Verbandelt ist er mit den Labels Versatile und Innervisions; zwei Häuser, die für einige der geschmackvollsten und innovativsten House-Entwürfe der vergangen zehn Jahre verantwortlich sind. Vor Kurzem ist I:Cubes schöne - und auch schön treffsicher betitelte - EP "Lucifer En Discothèque" erschienen, eine neues, längst überfälliges Album liegt schon in der Pipeline.
Das Label Shaddock Records feiert bei seiner Party im Market den Release der "Sample House" EP des Produzenten Tin Man - mit einem Live-Auftritt von ebenjenem. Das, was bis jetzt von der Platte zu hören war, klingt vielversprechend.
Der nahezu als komplett wahr verbrieften Legende nach hat Alleskönner DJ Koze sein vergangenes Jahr mit den Alben von Ada, Robag Wruhme und Isolée formidabel durchgestartetes Label Pampa Records zuvorderst allein deshalb gegründet, um das wahnwitzige Stück "Blaue Moschee" des Hamburger Duos Die Vögel zu veröffentlichen. "Blaue Moschee" war so also Katalognummer 001 auf Pampa und ebenso ein Stück des Jahres 2010. Die zwei Vögel Mense Reents (u.a. Egoexpress, Die Goldenen Zitronen, Stella) und Jakobus Siebels (JaKönigJa) haben mit dieser Nummer - abseits vielleicht von irgendwelchen Wolfgang Voigt'schen, weit abstrakter gelagerten Erkundungen im deutschen Brauchtum - die vermutlich einzig gültige Definition von Blasmusik-Techno geschaffen. Das Blechgebläse kommt bei Die Vögel nicht - wie bei jedem zweiten Track Polka-House und Humptata-Techno der jüngeren Vergangenheit - als draufgepfropftes Sample und "schräg" gemeintes Ornament daher, sondern ist tragendes Fundament. Die Vögel werden am Freitag live in der Grellen Forelle auftreten, und "live" bedeutet bei dieser, ja, Band für gewöhnlich auch wirklich "live": Mit Tuba, Posaune, Tuten und Blasen, im Hintergund läuft stoisch die Bassdrum. Man soll die Vögel aber nicht auf einen einzigen Track und Trick reduzieren, ihre Nummer "Fratzengulasch" wiederum war ein Stück des Jahres 2011. Fra-tzen-gu-lasch. Wenngleich man sich fragen möchte, wie sehr die Darbietung von Die Vögel auf der kleinen Guckkastenbühne der Forelle zu Geltung kommen mag, sei diese Veranstaltung in musikalischer Hinsicht schwerstens empfohlen.

Die Vögel

Kreisky
Samstag
In Graz kann man dem technischen Fortschritt beim Nicht-Haltmachen zuschauen und vor allem - hören: Das wunderbare steirische Kassettenlabel Wilhelm show me the Major Label, das Bands wie den Upperclass Shoplifters, Goldsoundz oder Black Fox Tropikal Heimat gibt und quasi im Alleingang für die Hochblüte der Walkman-Industrie verantwortlich ist, veröffentlicht zum ersten mal einen Tonträger, der kein Tape ist, sondern: eine Flexidisc - in Rot, natürlich. Das darauf gebannte Stück Musik nennt sich "Brüssel" und stammt von der nicht unbekannten österreichischen Band Kreisky, die den Release der schönen, eckigen Folie mit einem Konzert im Keller des Forum Stadtpark begehen wird. Support kommt von Wilhelm show me the Major Label's own Just Friends And Lovers - die soll man bitte auch nicht versäumen. Wer sich bloß noch schemenhaft daran erinnern kann, was eine Flexidisc denn ist, kann in einem 20 Jahre alten Micky-Maus-Heft nachschauen - wir hören uns in der Zwischenzeit durch die neuesten Veröffentlichungen im Mini-Disc-Regal.

Myyy Bitch Club
Weil ja jetzt ohnehin bald schon wieder Fasching ist und man also wieder, ohne gleich die Peitsche Gottes fürchten zu müssen, auch in der Öffentlichkeit den roten Partyhut aufsetzen darf, könnte man sich am Samstag auch mit quietschbunter Party-Elektronik vergnügen. Gewohnheitsmäßig gibt's derlei beim Myyy Bitch Club in der Fluc Wanne, wo tagein, tagaus das Konfetti sprüht. Am kommenden Samstag richtet der Myyy Bitch Club ein Oktoberfest aus, warum auch nicht, mag man da vielleicht sagen. Eingeflogen hat man dafür einen guten Typen aus München namens Justin Faust, dessen bonbonfarbene Tanzmusik stark von Funk und Filter-House der französichen Schule durchsetzt ist. Man darf im Zusammenhang mit Justin Faust auch sicher die Worte "Daft Punk" erwähnen. Wenn man vor Besuch der Veranstaltung ins Dirndl und/oder in die Stutzen und die Lederhose schlüpft, haben übrigens auch alle Anwesenden mehr von der ganzen Anglegenheit. Wieviel Pfand an der Bar für die Plastik-Maß-Krüge zu bezahlen ist, war bis Redaktionsschluss leider nicht bekannt.

Boy 8-Bit
Die Veranstaltungsreihe Strom.Club wird 4 und bekommt deshalb für ihre Party in der Partysauna - neben vielen anderen - Besuch von Boy 8-Bit, der schon Produktionen für Labels wie Diplos Mad Decent oder Tigas Turbo unter seinem Gürtel führt. Wie man eventuell schon am Künstlernamen ablesen kann, geht es hier um verspielt-vetrackt scheppernde Quietsch- und Bratzmusik, die sich aber nie gar zu stumpf oder billig geriert.
Die Red Bull Music Academy lädt am Samstag in die ARGEkultur Salzburg: Am Nachmittag zum Talk, am Abend zum Tanz. Aus dem Effekt-Kästchen plaudert dieses Mal die österreichische Techno-Mensch-Maschine Elektro Guzzi (man kann sie nicht genug loben). Später, DJ-Unterstützung kommt u.a. von Kristian Davidek, wird dann live aufgespielt, im Falle von Elektro Guzzi handelt es sich hierbei selten um weniger als ein das Leben aufs Schönste und auf alle Ewigkeiten hin zerrüttendes Ereignis - fast möchte man sagen: ein "Event".