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Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

14. 3. 2012 - 19:02

Saubere Dienste

Die Journalistin Sibylle Hamann war undercover als Putzfrau unterwegs und erzählt von einer Welt voller Lügen und Scham.

Wer eine Putzfrau hat, weiß von der wahrscheinlich gerade mal den Vornamen und wo sie herkommt. Mehr schon nicht. Und das obwohl diese Frau die Unterhosen wegräumt, das Klo putzt und die T-Shirts bügelt - also Einblick ins ganz Private hat. Die meisten Frauen, die bei uns putzen, babysitten oder alte Menschen pflegen, sind unsichtbar. Niemand interessiert sich so recht für sie. Sie zahlen keine Steuern, haben keine Sozialversicherung und so gut wie keine Rechte. Der Staat weiß das und schaut zu.

"Saubere Dienste - Ein Report" von Sibylle Hamann ist im
Residenz Verlag erschienen.

Die "Falter"-Journalistin Sibylle Hamann wollte nicht länger einfach nur zuschauen und gibt den unsichtbaren Frauen im privaten Dienstleistungsbereich jetzt eine Stimme - in ihrem aktuellen Buch "Saubere Dienste - Ein Report". Im FM4 Connected Studio stand sie dazu Rede und Antwort.

Wie es ist, zu putzen, weiß eigentlich jeder von uns. Du wolltest es ganz genau wissen und bist undercover in die Rolle einer Putzfrau geschlüpft. Franziska, 7 Euro. Was hast du dir davon erwartet?

Ich hatte mein Buch schon fast fertig, war in Moldawien und in der ganzen Welt unterwegs und habe versucht mir diese Branche von vielen Seiten anzuschauen. Als ich dann fertig war, habe ich mir gedacht: Irgendein Puzzle in diesem Stück fehlt mir noch. Und das war eben auszuprobieren, wie es sich anfühlt, wenn man nur eine Jogginghose anhat und an einer fremden Tür anläutet, wo man nur die Telefonnummer von dem Menschen weiß, der dahinter wartet. Praktisch in diesen intimen Raum einer anderen Familie einzudringen und dort das Bett zu machen oder das Klo zu putzen.

Buchcover "Saubere Dienste"

Residenz Verlag

Deine persönlichen Erfahrungen sind ja nur das Vorwort in deinem Buch. In den anderen Kapiteln beschreibst du einerseits die Situation von Frauen, die bei uns privat im Dienstleistungsbereich arbeiten - woher sie kommen, wie sie leben. Andererseits beschreibst du, wie es denen geht, die zu Hause geblieben sind. Du hast Moldawien erwähnt, wo du ein Dorf besucht hast, in dem die Kinder quasi elternlos aufwachsen. Was macht das mit einer Gesellschaft?

Moldawien ist ein sehr armes Land, da gibt es kaum Möglichkeiten. D.h., die meisten Leute der mittleren Generation, müssen ins Ausland gehen, um ihre Kinder ernähren zu können. Das Problem ist, dass Moldawien nicht bei der EU ist und dass man eben illegal über eine Grenze gehen muss. Die meisten gehen nach Italien und schicken dann Geld nach Hause und lassen ihre Kinder in der Obhut einer Tante, einer Oma oder einer Nachbarin zurück. Die können dann nicht einfach mal wieder schnell über diese illegale Grenze zurück, um zuhause nach dem Rechten zu sehen, d.h. sie müssen länger wegbleiben, und der Kontakt wird natürlich immer brüchiger. Ich habe Dörfer gesehen, mit ganz vielen Großeltern, die mit inzwischen älter gewordenen Kindern vollkommen überfordert zurückbleiben. Da fehlt eine ganze Generation, und die Kinder fühlen sich sehr allein gelassen.

Du schreibst von privaten Dienstleistungen, die oft in Schwarzarbeit passieren, also Babysitten, Haushaltshilfe sein, Altenbetreuung, und dann kommen auch Au-Pairs vor. Als ich in der Schule war, war das Gang und Gäbe, dass man nach Frankreich oder England fährt, um Au-Pair zu sein. Die Vorstellung war: Da lernt man eine neue Sprache, man lernt einen neue Kultur kennen und macht tolle Erfahrungen. Du schreibst, dass aus Österreich oder Deutschland kaum mehr jemand als Au-Pair weggeht. Warum hat sich das heute so verändert, und gibt es heute noch Au-Pairs?

Das hat mich selbst überrascht, denn früher war das so eine Art Kultur-Austausch. Diese Variante ist überhaupt nicht mehr attraktiv, weil es so viele andere Möglichkeiten gibt, Stipendien, Studentenaustausch, etc. Es ist umgekehrt attraktiv geworden für Menschen von außerhalb der EU, weil es die einzige Möglichkeit ist mit einem Visum legal in die Länder zu kommen. Gleichzeitig ist es auch die einzige Möglichkeit für Familien mit Kindern legal eine Haushaltshilfe zu beschäftigen. Au-Pair ist inzwischen ein Modell, das fast ausschließlich, von Menschen aus Osteuropa oder außerhalb der EU genutzt wird. Mit Kulturaustausch hat das kaum mehr etwas zu tun. Manchmal lernen die vielleicht die Sprache und dürfen in einen Sprachkurs gehen. Au-Pairs sind aber eigentlich Haushaltsangestellte.

Sibylle Hamann

APA/Georg Hochmuth

Sibylle Hamann

Woran liegt es eigentlich, dass all diese privaten Dienstleistungen immer noch hauptsächlich von Frauen gemacht werden? Und es sind ja auch in der öffentlichen Alten- oder Kinderbetreuung hauptsächlich Frauen.

Das steckt ganz tief drin in unseren Köpfen, dass das Arbeiten sind, die wir nicht als Arbeiten wahrnehmen, sondern als Dinge, die traditionell zur Rolle der Frau gehören und für die man Frauen normalerweise auch nicht bezahlt, weil die solche Arbeit ja aus Liebe machen. Da ist es halt wahnsinnig schwer, diese Arbeiten mit Geld in Verbindung zu bringen, da kiefeln wir noch an einem ziemlich starken Tabu in unserer Gesellschaft.

Familienkonstellationen sind ja in stetem Wandel begriffen - es gibt zwar immer weniger Kinder, aber die Menschen werden immer älter, und die meisten Frauen arbeiten heute und haben nicht mehr so viel Zeit sich selbst um alles zu kümmern. Wir wirkt sich das denn auf die privaten Betreuungssituationen aus?

Einen Aspekt hast du vergessen: Die Arbeitswelt verändert sich ja auch! Früher ist man von neun bis vier arbeiten gegangen, da hat auch jeder Kindergarten offen. Das gibt es immer weniger, wir arbeiten ja auch abends, nachts oder am Wochenende. Wer soll denn auf die Kinder schauen und sich um alles kümmern? Die Gesellschaft verändert sich so sehr, dass wir eigentlich immer mehr von diesen informellen Dienstleistungen brauchen, und das ist die riesige Herausforderung: Wenn das so dringend notwendig ist und unsere Gesellschaft nicht funktionieren kann ohne diese Leute, wieso schaffen wir es dann nicht ein System aus einfachen, informellen Regeln zu entwerfen, das diesen Menschen zumindest im Alltag die Angst nimmt, illegal zu sein.

Damit meinst du schwarz zu arbeiten, keine Steuern zu zahlen…?

Beides. Es gibt ja einerseits Menschen, die illegal im Land sind, das sind die, die am meisten Angst haben müssen. Dann gibt's die Menschen, die zwar legal hier sind, aber nicht hier arbeiten dürfen. Die müssen Angst davor haben, bei der Schwarzarbeit erwischt zu werden.

Was hier oft vergessen wird: Die Illegalität findet ja auf beiden Seiten statt. Wenn ich eine Putzfrau beschäftige und die schwarz bezahle, mache ich mich ja auch strafbar. Was hast du denn für Ideen, wie man das ändern könnte?

Da könnte man viel kreativer sein. In Frankreich sind Dienstleistungsschecks Gang und Gäbe und können auch von der Steuer abgesetzt werden. Das System könnte man auch bei uns ausbauen. Man könnte sich auch das Pflegerinnen-Modell zum Vorbild nehmen - die Pflegerinnen sind ja mittlerweile bei uns selbstständig, so etwas kann man selbstverständlich auch für andere Bereiche einrichten. Was wir sicher langfristig brauchen, ist eine Art Versicherungssystem, das Menschen über die Grenzen mitnehmen können. Menschen haben ja mittlerweile Beziehungen, Familien und auch Stücke ihrer Berufsbiografien in verschiedenen Ländern. Da zahlt man irgendwo in verschiedene Kassen ein, das wird nirgendwo zusammengeführt. Für Top-Manager gibt es ein System, aber für diese Menschen gibt's das nicht. Also, da gibt es noch ein großes Feld, wo auch die Gewerkschaften noch Aufgaben hätten, um die sie sich kümmern könnten.

Vielen Dank für das Gespräch!