Erstellt am: 14. 3. 2012 - 12:45 Uhr
Bad Lieutenant & Dirty Harry
Unsere kleine Wohngemeinschaft hatte wieder einmal chronische Geldnot. Das passiert uns regelmäßig – irgendwie ist das Geld ständig „weg“. Wenn wir völlig pleite sind, dann zapfen wir das „harte Kapital“ an. Das „harte Kapital“ bedeutet in Form von Bierflaschen, die sich in Tagen des Wohlstands in einem Kücheneck vermehrt hatten. Zwanzig Stück reichen meistens für ein Spaghetti-Ketchup-Festmahl. Wenn das „harte Kapital“ aufgebraucht ist, dann muss man sich einen Job suchen. „Die Mühlen in Österreich mahlen sehr langsam, Herr Ovtcharov“, bekam ich als Antwort in einem Hotel, wo ich mich wieder in einer solchen Notsituation als Nachtportier beworben habe. Es ist sauschwer ohne Arbeitserlaubnis einen Job zu finden. Bis 2014, falls die EU bis dahin nicht zerfällt, ist der Arbeitsmarkt für Bulgarien und Rumänien gesperrt.
Weil wir uns auf die Europäische Union nicht verlassen können, hat mein werter Mitbewohner G. dieses Mal die Rettung für uns beide gefunden. „Das ist eine Security-Firma, die nehmen dort wirklich jeden!“, meinte er. Ich kann den Enthusiasmus von G. nicht teilen. Ich und G. als Security-Leute? G. ist 1 Meter 70, rothaarig, sommersprossig, 70 Kilo mit nassen Klamotten außerdem schreibt er Gedichte und hört gerne Bach. Mich würde ich auch nicht unbedingt als eine Kampfmaschine bezeichnen. Ich glaube in jedem Kampf, in dem ich je in meinem Leben verwickelt war, war ich immer der Geschlagene. „Wir sind harte Balkanesen, Alter!“, sagt G. und versucht mich böse anzuschauen, „Außerdem kriegen wir eine gründliche Schulung. Wir zeigen’s denen!“
UIP
Was soll’s, wir haben nichts zu verlieren. Ich glaube, ich habe schon jeden Job gemacht. Security fehlt noch in meiner Liste. Vor der Schulung, die uns zu angsteinflößenden Securitys erziehen sollte, schauten G. und ich Filme wie „Bad Lieutenant“ mit Harvey Keitel und alle Teile der „Dirty Harry“-Reihe mit Clint Eastwood. Die ganze Nacht träume ich, wie ich als „Bad Security“ für Gerechtigkeit in Wien sorge. Gekommen vom „wilden Osten“, wie Clint Eastwood vom „wilden Westen“, werde ich es allen Bösen zeigen.
Am nächsten Tag betraten G. und ich das Gebäude, wo unsere Schulung zum Security stattfinden sollte. Anstatt der Kampfarena, die wir erwartet hatten, nahmen wir in einem gewöhnlichen Klassenzimmer Platz. „Melden, melden, melden!“, das ist das Motto von jedem Angestellten unserer Firma, sagte der freundliche und lächelnde Ausbilder. Wir werden also doch nicht zu Kampfmaschinen ausgebildet. Kein „Bad Lieutenant“, kein „Dirty Harry“. Ich und G. schauen uns enttäuscht vier Stunden lang Powerpoint-Präsentationen über Securitys an, die endlos Verbrecher bei den wirklichen „Dirty Harrys“ melden. Wir wurden keine Security-Menschen. Am Ende des Vortrags haben wir erfahren, dass man auch für diesen Job eine Arbeitserlaubnis braucht. Die Schulung war umsonst. G. fing in einer Bar zu Kellnern an. Schwarz. Ich fand einen anderen Job und unser Ketchup-Spaghetti-Festmahl mit Bier war gesichert.
G. hat mir neulich erzählt, dass in naher Zukunft Raumschiffflüge für die Bevölkerung besser zugänglich sein werden. „Wir werden uns zu Kosmonauten ausbilden lassen, Alter!“ Ob wir dafür eine Arbeiterlaubnis brauchen?