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Heinz Reich

Pfeffer im Arsch und wohin einen das bringt: Offroad, leftfield, backcountry - just trippin' out...

27. 3. 2012 - 11:28

Todesbewältigungsrituale

Dem Berg auf der Nase rumtanzen beim Verbier Xtreme

Auf 3.222 Meter Höhe liegt der Start zum Finale der Freeride World Tour: Der berüchtigte Bec des Rosses - ein furchterregender Berg in Verbier in der französischen Schweiz - ist jetzt zum 17. Mal Austragungsort für den größten, extremsten und spektakulärsten Freeride Contest der Welt, den „Xtreme Verbier“.

Bec

tero repo

Face Inspection, Bec des Rosses
maria kuzma

fwt/tero repo

Maria Kuzma on top, Hintergrund Grand Combin Massiv, 4.314m!

Hier dürfen nur die besten der Besten starten: 26 Athleten – Damen und Herren - in den Kategorien Snowboard und Ski haben sich über die Freeride Worldtour fürs Finale qualifiziert. Hinzu kommen extra Startplätze ("wildcards") für amtierende und vergangene Weltmeister wie Mitch Tölderer (AUT) und Xavier de le Rue (FRA). Gleich vier neue „Freeride World Champions“ werden hier gekrönt.

Die publikumswirksamsten, attraktivsten Sportarten können ganz selten ohne Risiko ablaufen. Die Koketterie mit der Angst ist beim Format "Freeride Contest" nicht zu leugnen, auch wenn die Bewertungskriterien der Jury übertriebenes Risiko nicht belohnen, sondern sogar streng bestrafen. Und auch wenn die Rider selbst immer betonen, wieviel Wert sie auf ihre eigene Sicherheit legen. Für die Sponsoren ist "je riskanter, desto attraktiver" kein Kriterium, für die Zuseher schon. Sporthistoriker Rudolf Müllner: "Kulturtheoretisch faszinieren Sportarten, in denen es um Todesbewältigungsrituale geht. Es ist nett zu sehen, dass das bewältigbar ist."

Wie knapp es werden kann, wenn man dem Berg auf der Nase rumtanzt, hat letztes Jahr hier Henrik Windstedt demonstriert, der heuer verletzungsbedingt ausgefallen ist, aber immerhin wohlauf ist, was nach diesen Crashes hier wie ein Wunder wirkt. Das meint Rudolf Müllner wohl, wenn er sagt...

Aurelien

fwt/jeremy bernard

"... nett zu sehen, dass das bewältigbar ist." (Aurelien Ducroz - Weltmeister 2011 - wird heuer Dritter.)
Publikum

fwt/christoffer sjostrom

Zuseher am Col des Gentianes
ein skiberg?

reich

Ein Berg zum Skifahren???

Das Publikum beim "Verbier Xtreme" schaut vom 2950m hohen Col de Gentianes mit Feldstechern auf den Gegenhang des Bec des Rosses. Neben mir einer der Veranstalter des Freeride World Tour Stops in Fieberbrunn, Sebastian Schwaiger, selbst erfahrener Freeride-Guide. Sogar er ist ratlos, wenn er versucht vom Startpunkt am Gipfel zwischen all den schroffen Felsen, senkrechten Wänden und Cliffs eine mit Ski oder Snowboard zu fahrende Line zum Ziel zu finden: "So richtig Lust auf Skifahren macht der Berg nicht." Aber dann zeigen dem raunenden Publikum nicht nur "die Mander", sondern auch die besten Damen der Welt, dass es sehr wohl eine Line gibt, wenn frau bereit ist, ein paar Felswände im Flug zu nehmen: Freeride World Champion 2012 in der Kategorie Snowboard Damen wird Maria Debari vom Mount Baker/USA. Nachzuhören hier:

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Wie sehr einem solche Bilder unter die Haut gehen, hängt sehr von der eigenen Erfahrung ab: Der Freerider Phil Meier hat einen Schweizer Vater und eine jamaikanische Mutter: „Meine Mutter ist genial. Ich zeige ihr ein Powder Foto mit einer im Hintergrund gezeichneten Spur, die durch einen großen Felsen durchbrochen wird und am unteren Ende des Felsens weiterläuft bis zu einem Skifahrer. Das ist für sie ein schönes Ski Foto. Sie kennt die Gefahren nicht.”

Christine

fwt/dom daher

"Schönes Foto" von Christine Hargin kurz vorm Abgrund
Eva

tero repo/fwt

Auch ein "schönes Foto" von Eva Walkner im freien Fall. Die Landung auf Platz 1 verfehlt sie um mickrige 40 Punkte!!

In Österreich können die meisten das Erlebnis Skifahren nachvollziehen, weil sie vorgebildet sind. Jeder weiß, wie sich das anfühlt, wenn man auf Ski steht, wenn man stürzt. Das ist nahe am Leben, ist berührend. Unter dem Slogan "The best riders on the best mountains" bespielt die Freeride World Tour die Landschafts- und Naturmetapher "Berg" und der dramaturgische Höhepunkt ist jedes Jahr der Verbier Xtreme. Hier wurde diese Form des Contests auch "erfunden", ursprünglich als Einzelevent, als inoffizielle Weltmeisterschaft der besten Snowboarder der Welt.

vorm start

tero repo/fwt

Maria Debari in deep contemplation - where do we go from here?
Smoothy

fwt/jeremy bernard

Da hat sich Sam Smoothy zu viel vorgenommen und seinen Freeride World Tour Titel versemmelt. Das danach war dann kein schönes Bild.

Noch ein ganz zentraler Punkt für die Strahlkraft dieses Sports ist die Authentizität: Jeder Medienkonsument hat die Nase voll von gemainstreamten, bis zum Gehtnichtmehr gecoachten Personen. Freerider sind in ihren Aussagen natürlich, spontan und originell. Sie managen ihre gesamte Karriere selbst, organisieren ihr Training, ihre Sponsoren, ihre Anreise. Sie schreiben Blogs und geben Interviews, wie es ihnen paßt. Sie lassen uns an ihren größten Triumphen und auch Niederlagen teilnehmen. So können wir nachvollziehen, welche enorme mentale Belastung es ist, dass man sich über Tage herantasten muss an den Kampf mit dem Berg. Und welche Freude und Erleichterung, wenn man es geschafft hat. Nachzuhören hier:

Verbier Xtreme Freeride World Tour Finale in FM4 Connected

Und das ist das Endergebnis der Freeride World Tour 2012:
Schwedischer Doppelsieg bei den Skifahrern – bei den Snowboardern gewinnen eine Amerikanerin und ein Franzose:

Freeride-Weltmeister 2012:
Ski Herren: Reine Barkered (SWE)
Snowboard Herren: Jonathan Charlet (FRA)
Ski Damen: Christine Hargin (SWE)
Snowboard Damen: Maria Debari (USA)

Schaut euch die unfassbaren Videos der Siegesläufe hier an!

Hiking

fwt/bernard jeremy

Maria Debari auch beim Raufhiken die Numero uno!
Christine Hargin

fwt/tero repo

Christine Hargin on top
Douds

tim lloyd/fwt

Jonathan "Douds" Charlet
Reine

tim lloyd/fwt

Reine Barkered

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