Erstellt am: 14. 3. 2012 - 20:36 Uhr

Soundplastilin und oktopusartige Drumkonstrukte

"Milk Famous" der 5-er-WG White Rabbits ist das FM4 Album der Woche.

Mute

"Milk Famous" ist ab 30. März im Handel erhältlich und erscheint auf Mute.

Beim ersten Durchskippen des dritten Studioalbums der in New York lebenden White Rabbits klingeln bei mir sofort die Klischee-Alarmglocken. Indierock aus dem Epizentrum der amerikanischen Musik-Coolness: Brooklyn. Ich sehe die Jungs vor meinem geistigen Auge an einem sonnigen Nachmittag vor ihrem Proberaum irgendwo in Williamsburg sitzen, wie sie mit einem Jausensackerl von Whole Foods auf dem Schoß mit Kapazundern wie Tunde Adebimpe von TV On The Radio plaudern. Guter Sound, klar - immerhin auf Mute - aber tausendmal gehört, tausendmal ist nichts passiert.

Und dann passiert es doch. Da ist etwas, das so gar nicht im indierockigen Klischee-Einheitsbrei dahindümpelt... Ein rückwärtslaufendes Pianoloop, humpelnde Drum-Beats, zerfetzte Hammerschläge, ein Falsettgesang der sich durch die Instrumentals schlängelt und nicht wie drübergepappt wirkt. Catch me, yes you can.

White Rabbits

White Rabbits als Teppich!

Alle Alben der Woche

Honkey Tonk Calypso

"Milk Famous" ist der Nachfolger zu White Rabbits Mute-Debüt "It’s Frightening" von 2009. Die Band nennt ihren Sound in einem Interview zu ihrem zweiten Album „Honkey Tonk Calypso“. Die afro-karibische Gute-Laune-Stimmung hat sich - sofern es sie jemals gegeben hat - auf "Milk Famous" verabschiedet. Das Album ist gespickt mit Ambient-Intros, psychedelischen Flächen und düster verspulten Elektrosynths. Ein gewisser "Mr. Spoon" dürfte daran nicht unschuldig sein.

White Rabbits

Schicker Retrorahmen dank Foto-App.

Drei Monate waren White Rabbits in Austin/Texas im Studio. Inklusive Bandhaus, großem Garten, Terassenmöbeln und einer Garage. Soviel Platz hatten die fünf bisher nur in ihren Heimatstädten in Missouri. In New York haben White Rabbits lange gemeinsam in einem Loft gelebt. Space=Money.

Geld fließt mittlerweile, denn für "Milk Famous" wurde wieder Produzent Mike McCarthy ins Studio geholt. Mike McCarthy ist ein alter Fuchs im Produzentengewerbe. Er hat fünf Alben der Band Spoon produziert und das großartige Trail Of Dead-Album "So Divided". Bei ein paar Tracks habe es ewig gedauert bis die einzelnen Takes hundertprozentig gepasst haben, meint Bandmitglied Stephen Patterson im Interview mit mir. Streckenweise war er sogar ziemlich angepisst, denn Mike McCarthy hat gerne öfter rumgemäkelt und von den White Rabbits absolute Präzision verlangt. Das hat sich bezahlt gemacht.

Soundstreber

White Rabbits

White Rabbits - Men in black

Das gewisse Etwas auf "Milk Famous" kommt auf jeden Fall auch von der ungewöhnlichen Zusammenstellung der Instrumentalisten. Es gibt nämlich gleich drei Schlagzeuger. Zwei sind fix dabei und auf „Milk Famous“ hat sich auch noch Stephen Patterson (Gesang/ Piano/ Gitarre) hinter die Drums gesetzt. Für den Albumtrack “Everyone Can't Be Confused” etwa haben White Rabbits drei separate Drum-Takes aufgenommen. Die wurden geloopt und teilweise mittels Temporeduktion verfremdet. White Rabbits wollten auf ihrem neuen Album ein oktopusartiges Drumkonstrukt erschaffen. Voilà!

Das Video zur Single “Heavy Metal” wurde von White Rabbits-Mitstreiter Andrew Droz Palermo gedreht. Auch hier versucht die Band mit drei anonymen Charakteren ein surreales Abbild ihres Sounds zu schaffen. "I wanted to highlight the reverse and looping piano work in the track," erklärt Palermo.

White Rabbits - Heavy Metal from White Rabbits on Vimeo.

Plastilin ist eine Droge

Man erkennt auf „Milk Famous“ den Fokus der White Rabbits: Sie wollen ihre Songs nicht einfach nur möglichst professionell arrangieren. Sie wollen ihren Sound intelligent modellieren und immer wieder neue Ansätze finden. Für den Albumtrack "Are You Free" haben die White Rabbits laut Patterson eine Art "modern way of field recording" verwendet. Auf youTube fand Patterson einen Konzertmitschnitt der White Rabbits, gefilmt mit irgendeiner Handykamera. Bei einer Stelle waren die Drums so speziell verzerrt und übersteuert, dass er das Audiofile einfach recycled hat. Trotzdem lassen White Rabbits auch mal los. Tracks wie "The Day You Won The War" und "Hold It To The Fire" haben sie in einem Take live aufgenommen. Richtig rotzig!