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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

10. 3. 2012 - 19:00

"Danke, Boss"

Die FM4 Charts vom 10. März

Eines vorweg: Beim Thema Bruce Springsteen, das ich anlässlich seiner hier auf FM4 aus naheliegenden Gründen wenig prominenten neuen Platte anreißen möchte, kann und will ich nicht neutral sein.
Ich liebe den Boss. Neben Diners mit 50er Ästhetik, Baseball, den Städten und Dialekten, den NBA/MLB Dressen und meiner Vorstellung vom New Jersey der 70er Jahre (auch wenn es in Realität vermutlich eher trostlos war) verkörpert Springsteen für mich alles, was die USA liebenswert macht - und hey, nach wie vor ist man kaum einem Land kulturell und auch sonst dermaßen exponiert ausgeliefert wie den Vereinigten Staaten.

Bruce Springsteen

Bruce Springsteen

Sorgt irgendeine außer-österreichische Wahl hier für mehr Interesse als die US-Elections? Bei aller Liebe zu Stromberg - aber kann irgendein Land mit der amerikanischen TV-Kultur von den Sopranos bis The Wire mithalten?
Eben, man kommt an diesem Land nicht vorbei, am wenigsten jene anti-amerikanischen Spezialisten die aus "Yankees raus" ein politisches Programm machen und von Facebook bis Hollywood aus Prinzip alles ablehnen, das irgendwie nach USA riecht, ihr Biofutter dann aber ebenfalls verstohlen mit Heinz Ketchup aufpimpen.

Dabei mag ich "Antiamerikaner", aber eben nur so lange sie selbst US-Bürger sind. Und dafür gibt’s aktuell, in einem Land das sozial und intellektuell auseinanderdriftet, natürlich massenhaft Beispiel, von Chomsky bis Clooney.
Und einer davon ist eben auf jeden Fall der Boss - jemand der sein Land liebt und es genau deswegen so scharf kritisiert.
Noch nie sei die Zeit so reif für ein massives Springsteen Comeback gewesen, meinte einer der unzähligen Beiträge zu "Wrecking Ball", seinem neuen Album. Und tatsächlich, Springsteen war der erste Popstar der halbwegs passende Worte zu 9/11 fand - und er ist auch der erste, der den Downswing einer "world gone mad" substantiell zu besingen vermag und zwar im Maistream, dort wo auch die echten Stahlarbeiter zuhören.

"The banker grows fat, working man grows thin" - Zeilen wie diese zeigen schon, wohin Bruce seinen Chevy lenkt: In den geradlinigen Protest, ein Protest, der Springsteens Hintergründe spiegelt - also die Geradlinigkeit, ein Aufschrei abseits von abgeklärtem Zynismus und verkopftem Aktionismus. Auch wenn in den USA eher die Sozialverlierer adipös sind, wie Thomas Kramar in der Presse richtig anmerkt.

"Verkopft" ist Springsteen also garantiert nicht - dumpf aber auch nicht, im Gegenteil, es ist fast schon eher als Absurdität zu sehen, dass es so lange dauerte, bis endlich einer all das heraus schreit. Heraus schreit, dass da einer Präsident werden will, der selbst mit seinen vielen Millionen weit unter 20 Prozent Steuern bezahlt und von Fleiß redet, obwohl er manikürte Finger hat, heraus schreit, dass sein Kontrahent und am Ende vermutlich sein Besieger ebenso den Eindruck macht, entweder nichts von alledem verändern zu können oder (eher realistisch) zu wollen.

Denn trotz vermeintlichem Aufschwung feiert die Armut in den USA ein richtiges Comeback, wird ein kleiner Personenkreis immer unverschämt reicher, während der sogenannte Mittelstand erodiert, hunderttausende Häuser vor sich hingammeln und Irakveteranen vergessen und verlassen werden. Dow Jones und BIP hin und her, diese Zahlen haben noch nie die tatsächlichen Verhältnisse einer Gesellschaft gemessen, ein Aktien Index schon gar nicht. Nach wie vor zählt etwa Detroit, Michigan, alljährlich zur Top 10 Liste der gefährlichsten Städte der Welt und da spielen immerhin auch Kabul, Bagdad und Mexico City mit.

All das sind Dinge, die Springsteen an seinem Land nicht mag und deswegen Geschichten der Verlierer erzählt, Paris Hilton und Jay Z sind ohnehin oft genug in aller Munde. Er macht im Prinzip also nur, was er immer schon gemacht hat, in gewohnter Qualität und Dringlichkeit Geschichten erzählen.
Allerdings war die Welt und allen voran sein Heimatland schon lange nicht mehr so bereit dafür.
In einer Welt wo unter einer Decke aus Zynismus, Korruption, Egoismus und Angst alles aus den gewohnten sozialen Bahnen läuft, tut Springsteen´s teils wohltuend-hölzerne Ehrlichkeit so gut wie schon lange nicht mehr.
Danke, Boss.

"Now when all this steel and these stories, they drift away to rust
And all our youth and beauty, it's been given to the dust
When the game has been decided and we're burning down the clock
And all our little victories and glories have turned into parking lots"
(Wrecking Ball)

Die FM4 Charts vom 10. März

Leider ohne Bruce Springsteen:
Hooray For Earth schaffen es mit "True Loves" (was für ein Titel!) mal fürs erste auf Platz 3 der Charts. Die neue Nummer 2 heißt "It´s My Part" (schon besser) und kommt von Jonquil. Und die neue, alte und ganz alte Nummer 1 ist - Leider geil. Und außerdem von Deichkind.

Geiles Wochenende und viel Spaß beim Auto-Tunen!