Erstellt am: 10. 3. 2012 - 12:53 Uhr
"Ende der Krawattenpflicht"
Wieso sind nur fünf Prozent der österreichischen BürgermeisterInnen Frauen? Seit wann zieht man Mädchen rosa und Burschen blau an - war das schon immer so? Und welchen Einfluss hat die Garderobe auf das Image von weiblichen Politikerinnen? All diesen Fragen gehen Sylvia Kuba und Barbara Blaha in "Ende der Krawattenpflicht" nach. Wir haben die beiden Autorinnen zum Interview gebeten.
Was hat’s mit der namensgebenden Krawattenpflicht auf sich?
Sylvia Kuba: Die Krawatte ist ein ganz starkes Symbol und zwar deshalb, weil Krawatte und Anzug für Männer eine Uniform sind, die sie immer zur Verfügung haben: Wer eine Krawatte und einen Anzug trägt, ist in der Politik de facto immer richtig gekleidet. Frauen haben so eine Uniform nicht zur Verfügung, das heißt, die haben’s da schwieriger. Die müssen sich immer genau überlegen, was sie tragen und das ist einer von vielen Nachteilen, den Frauen in der Politik haben.
Die Autorinnen
Sylvia Kuba war während ihres Studiums bei der Österreichischen HochschülerInnenschaft und im Verband Sozialistischer Studierender engagiert. Derzeit ist sie als Pressesprecherin im Staatssekretariat für Finanzen tätig.
Barbara Blaha war 2005-2007 Vorsitzende der Österreichischen HochschülerInnenschaft und ist heute Kaufmännische Leiterin des Czernin Verlags. Außerdem hat sie den Kongress Momentum ins Leben gerufen.
Etwas, das immer wieder zur Sprache kommt in eurem Buch ist diese Zwickmühle, in der sich Frauen befinden, die sich auf dem politischen Terrain bewegen: Wenn sie mit Eigenschaften auftreten, die als "männlich" gelten, dann werden sie sehr oft als "unweiblich" abgestempelt, wenn sie aber umgekehrt auf ihre "weiblichen" Fähigkeiten abstellen, dann werden sie als irrelevant gebrandmarkt. Was wären Beispiele dafür, wie man es (anders) machen kann?
Barbara Blaha: Ein gutes Beispiel, das klar zeigt, warum sich Frauen mit der Emotionalität, die ganz klassisch als eher "weibliche" Eigenschaft zugeschrieben wird, sehr zurückhalten sollten, ist Hillary Clinton. Sie hat sich immer stark an Sachpolitik orientiert, hat auch im Wahlkampf immer wieder umgehängt bekommen, sie wäre eine "Auster", eine "Eislady" und man merke nicht, wo sie steht, man wüsste nicht, wie sie fühlt… Bei einer Wahlkampfveranstaltung hatte sie dann Tränen in den Augen und dann wurde wochenlang in den Medien verhandelt, ob man so einer Frau überhaupt die militärische Führung des Landes übertragen könne, ob sie nicht zu emotional für den Job sei. Also eine Winzigkeit an Gefühle zeigen erzeugt schon den Eindruck, diese Frau sei völlig irrational und nicht zurechnungsfähig, um dieses Amt übernehmen zu können. Das ist ein schönes Beispiel dafür, wie Emotionalität Frauen im politischen Prozess auch schaden kann und gegen sie verwendet wird. Und ein Positivbeispiel…
Czernin verlag
Sylvia Kuba: Ich glaube, richtig machen’s alle Frauen, wo das kein Thema wird. Wenn man’s schon so weit bringt, dass die eigene Weiblichkeit einem nicht zum Nachteil gerät, dann macht man eh schon ganz schön viel richtig.
Ihr schreibt davon, dass es eine mögliche Strategie für weibliche Politikerinnen sein kann, sich verstärkt auf Sachthemen zu stützen…
Sylvia Kuba: Mhm, das ist eine Strategie für Frauen, sachlich zu bleiben, ihre Kompetenz in den Vordergrund zu rücken, gerade, weil man ihnen eher Kompetenz abspricht und weil eine zu hohe Personalisierung und Emotionalisierung Frauen immer schadet. Ein anderer Vorteil, den Frauen eigentlich gut nutzen können, ist, sich auf die Zielgruppe der jungen Frauen zu konzentrieren. Weil gerade junge, urbane Frauen es oft erstrebenswert finden, dass Frauen auch gewählt werden. Die wollen auch, dass es auch Frauen in mächtigen Positionen gibt.
Es geht in "Ende der Krawattenpflicht" auch um kulturelle und soziale Prägungen. Also das, was uns schon von Haus aus prägt, bevor wir überhaupt in einen politischen oder Entscheidungsprozess einsteigen. Gemeinhin nimmt man ja an, dass kleine Buben immer schon eher blau und kleine Mädchen immer schon eher rosa angezogen worden sind…
Barbara Blaha: Genau das ist eben nicht der Fall. Die Farbzuschreibung in dieser Form ist eigentlich erst seit knapp hundert Jahren gültig. Davor galt Rosa als Jungenfarbe. Rosa wurde als stärker und aggressiver bewertet, ist wahrscheinlich auch davon hergeleitet, dass früher Adelige, Könige etc. in Purpur und Rot gehüllt waren – also war klar, dass das eher männlich konnotiert ist, während Blau sehr stark mit Frauen konnotiert war – wir denken da an Blau als die Farbe der Madonna. Blau galt als sanfter und weicher, weiblicher und daher wurden die Mädchen darin gekleidet. Erst mit dem ersten Weltkrieg hat sich dieser Farbcode langsam umgedreht. In den Dreißiger Jahren war dann endgültig gesettelt: Rosa ist für Mädchen, Blau ist für Burschen.
Mit dem ersten Weltkrieg hat sich ja überhaupt einiges verändert: das Frauenwahlrecht, das in Österreich 1918 gekommen ist, hat ja auch sehr viel mit den Jahren zuvor zu tun gehabt…
Sylvia Kuba: Naja, nachdem Frauen während des Krieges immer mehr auf den Arbeitsmarkt gedrängt sind, weil sie ja ihre Familien ernähren mussten, war klar, dass es nicht so einfach war, sie wieder von den Arbeitsplätzen zurück zu Heim und Herd zu bringen und es war auch klar, dass man ihnen dafür politische Rechte zugestehen musste. Das heißt, da ist viel in Bewegung gekommen.
Gab es im Zuge von Recherche und Schreiben Dinge, die euch selbst überrascht haben?
Sylvia Kuba: Was einen immer wieder verblüfft ist, wenn man sich die Zahlen genau anschaut. Man hat ja immer das Gefühl, es gibt mehr Männer in der Politik als Frauen und Frauen haben es schwieriger, sich da zu behaupten. Aber wenn man sich wirklich die Daten anschaut und bestätigt bekommt, dass es in Österreich nur fünf Prozent Frauen im Bürgermeisteramt gibt, dann verblüfft einen das. Und dann sucht man nach Gründen und das war der Ausgangspunkt für unser Buch.
Daniel Novotny
Barbara Blaha: Ich habe erkannt, dass auch die Summe der Teile die Benachteiligung von Frauen in der Politik so spürbar macht. Und dann gibt´s natürlich zahlreiche Studien und Untersuchungsergebnisse, bei denen man denkt, "das gibt’s ja nicht", obwohl man’s eh immer vermutet oder gespürt hat. Eine Sache, die mich auch noch verblüfft hat, war, als wir uns die Wahlplakate und Wahlinszenierungen von Frauen angesehen haben, insbesondere in Österreich: Wie sehr Frauen zum Beispiel auf das Symbol des Herzens zurückgreifen. Also, dass es für sie scheinbar ganz wichtig ist, dass sie ihre Emotionalität in dieser Frage betonen müssen. Benita Ferrero-Waldner war "mit Herz und Verstand", Waltraud Klasnic "mit ganzem Herzen für die Steiermark" und Heide Schmidt "mit ganzem Herzen für Österreich" - das Symbol Herz ist für Politikerinnen offensichtlich ein sehr naheliegendes.
Sylvia Kuba: Eine Sache, die ich ganz lustig fand, das hat jetzt nicht unbedingt mit Politik zu tun, sondern eigentlich mehr mit Hollywood und der Filmindustrie, ist, dass man diese Benachteiligung von Frauen ja auch dort wiederfindet… wenn man sich anschaut, welche Filme Oscars bekommen, dann bekommen die immer Filme, die von Männern gemacht wurden, oder in denen viel mehr männliche Schauspieler vorkommen…
… oder die Geschichten über Männer erzählen…
Sylvia Kuba: Genau. Die Geschichten von Frauen werden auch im Film selten erzählt. Da gibt es einen spannenden Test, den Bechdel-Test: wenn man sich einen Film anschaut, sollte man sich diese Fragen stellen: "Kommt mehr als eine Frau vor? Reden sie miteinander? Reden sie über etwas anderes als über Männer?" In 90 Prozent der Fälle gilt das für den Film nicht.
Gibt es etwas, da spreche ich euch beide als Personen an, die schon sehr viel politische Erfahrungen sammeln konnten, das Ihr jungen Frauen nahe legt, die sich politisch engagieren wollen?
Sylvia Kuba: Sich nicht einschüchtern lassen und sich alles zutrauen. Wir wünschen allen Frauen, sie sich politisch engagieren wollen, viel Kraft und viel Durchhaltevermögen, das man auf jeden Fall braucht.
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Barbara Blaha: Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt: die Frage von "wie fremd fühle ich mich in dem politischen Prozess", sich davon nicht einschüchtern zu lassen und für sich selbst immer klar zu machen, das ist nicht mein individuelles Defizit, ich bin da jetzt nicht schlechter als meine männlichen Kollegen, sondern ich habe mit den strukturellen Nachteilen zu kämpfen, die es in dem Feld gibt und die begegnen einem oft auch auf sehr leisen Sohlen.