Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '12-9."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

9. 3. 2012 - 11:30

Fußball-Journal '12-9.

Wieder ein Totalschaden bei der Export/Import-Bilanz. Österreichs Bundesliga versteht das Prinzip der Ausbildungsliga nicht; und die 1. Liga setzt gar zum Rollback in die 90er an.

So wie in den Vorjahren - das war das Fußball-Journal '11 - gibt es auch heuer wieder ein Fußball-Journal '12, welches die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das Umfeld begleitet.

Extras: nach dem Afrika-Cup-Journal '12 kommt im Juni ein Special zur Euro, im Sommer ein Journal zu den London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches und anlassbezogenes Journal 2012.

Heute mit einem Eintrag, den man neuerdings als "Datenjournalismus" taggen würde, nämlich einer Untersuchung der Export/Import-Quoten der beiden heimischen Profi-Ligen.

Das ist ein Thema, das mich nicht das erste Mal beschäftigt: Hier eine Auflistung aus 2009, da die entsprechenden Einträge aus dem Februar des Vorjahres zu den Kennziffern der 1. Liga so wie der Bundesliga, da ein Journal aus dem Juli, zum Saisonstart und hier noch das aktuelle Journal zum Bundesliga-Auftakt, in dem die Export/Import-Quote auch bereits thematisiert wurde.

Die Branchen-Propaganda kann noch so viel Heile-Welt-Stimmung verströmen - die harten Fakten sprechen eine andere Sprache. Weder die aktuell auch sportlich kriselnde Bundesliga, noch die eben aus dem Winterschlaf erwachte 1. Liga werden ihrer Rolle als Ausbildungs-Ligen gerecht. Österreichs Profi-Fußball-Ligen produzieren am Markt vorbei und wollen sich mit ausländischen Billig-Importen (voll im Trend: der Zweit-Spanier) über die Runden retten.

Die Vereine sind (mit aktuell einer einzigen Ausnahme) nicht imstande, effektiv zu scouten, auszubilden und zeitgerecht weiter zu verkaufen - man hat die (durchaus allgemein gültigen ökonomischen) Prinzipien, nach denen eine Ausbildungs-Liga funktioniert, schlicht nicht kapiert.

Erfolgsbehauptungen - Katastrophen-Zahlen

Die Bundesliga ist ja, seit spätestens 2009 auch ganz offiziell, eine Ausbildungsliga, auch wenn der Begriff einigen schwer über Lippen und Gehirnlappen kommt. Weil es das Eingeständnis in sich trägt, dass man eben nicht mit den Adlern kreisen, sondern mit den Hühnern am Boden pecken muss.
Auch das kann erfüllend sein und zu brauchbaren Resultaten führen - das belegen klassische Ausbildungsligen kleinerer europäischer Nationen, deren Vereine und Nationalmannschaften vom Export seit Jahrzehnten enorm profitieren.

In Österreich führen die Vordenker (Georg Pangl, früher auch ein Ali Hörtnagl) die entsprechende Philosophie und Sprache zwar ständig im Mund, gelebt wird allerdings eine gänzlich andere Praxis. Deshalb tut es Not, eine von diesem PR-Geflirre der Liga/Vereine und unzureichend hinterfragenden/desinteressierten/mit im geschäftlichen Boot sitzenden Medien für blöd verkaufte Öffentlichkeit mit den Fakten zu konfrontieren.

Entgegen der anlässlich der Saisoneröffnung (zuletzt der der zweiten Leistungsstufe) behaupteten Erfolgsmeldungen (vom Stahlbad 1. Liga, das den Weg in die Bundesliga ebne, war da etwas die Rede...) ist die Bilanz nämlich eine reine Katastrophe.

Das Wesen einer Ausbildungs-Liga ist/wäre es nämlich, junge Spieler nach vorne zu bringen und dann auch halbwegs effektiv zu verkaufen - untere Ligen an obere, kleinere Vereine an größere, Ausbildungsligen an große Ligen. Die brasilianischen Ligen etwa exportieren jährlich hunderte Spieler in die ganze Welt und selbst die fußballerische durchaus hinter dem österreichischen Level liegenden Finnen schaffen das in einem gerüttelt' Maß.

Importierte Dutzendware, exportierte Zufallstreffer

Bundesliga und 1. Liga scheitern an dieser Hürde (wie die hinter den rechts oben angeführten Links liegenden Geschichten zeigen) kontinuierlich.
Im winterlichen Transferfenster kaschierten das genau zwei, zudem unterschiedlich erfolgreiche Exporte: Zlatko Junuzovic wurde deutlich unter Wert verscherbelt. Grund: im Sommer wäre er ablösefrei gewesen. Der ideale Zeitpunkt, den besten Akteur zu gutem Geld zu machen, wurde im letzten Sommer trotz bester Angebotslage versäumt. Der einzige echte Erfolg ist also der Transfer des deutlich besten Spielers der gesamten Liga-Hinrunde, Nazer Barazite. Die 4,5 Mille Erlös mussten allerdings mit den Vorbesitzern geteilt werden. Trotzdem: ein Erfolg. Nicht zufällig einer bei der Austria Wien, dem einzigen Verein, der das Prinzip der Nachwuchs/Aufbau-Arbeit verinnerlicht hat.
Leider ist die Austria da ein absoluter Solitaire und erwischt manchmal auch den günstigen Zeitpunkt - bei Aleksander Dragovic etwa. Aber: könnt ihr euch noch an das "Viel zu früh!"-Geheule der Ängstlichen erinnern, als der vorige Winterpause nach Basel wechselte? Jetzt ist er Schweizer Fußballer des Monats.

Ansonsten können weder Bundes- noch 1. Liga auch nur einen einzigen geldbringenden Transfer vermelden. Im Gegenteil: man importierte fast zwei Dutzend Ausländer.

Speziell verelendet: die zweite Leistungsstufe. Die heißt zwar, ganz offiziell "Heute für Morgen 1. Liga", sollte aber aufgrund ihrer Transfer-Praxis eher den Namen "Durchlaufposten nach Unten-Liga" tragen. Im Winter kam genau ein Akteur in die Bundesliga - und auch hier handelt es sich um einen viel zu spät erfolgten Transfer (der bereits seit Jahren als bundesligareif gehandelte Lukas Thürauer).

Die Kennzahlen des Wintertransfer-Fensters im Einzelnen:

Die Bundesliga importierte 11 Ausländer und brachte ihrerseits zehn Spieler ins Ausland. Davon floss allerdings nur in drei Fällen Geld (zu Juno und Barazite kommt da noch Salihi mit kolportierten 0,4 Millionen Euro) - der Rest sind mit Verlust abgeschobene Legionäre, die nicht entsprochen hatten.

Liga-intern wechselten sechs Spieler; drei kamen aus unteren Ligen, sieben wurden dorthin abgegeben.

Die 1. Liga importierte elf Ausländer und schob sieben Legionäre wieder ab. Aus der Bundesliga kamen drei Spieler, den Aufstieg hinauf schaffte einer. Aus unteren Ligen kamen neun Neue, hinunten abgeschoben wurden 18.

Neue österreichische Legionäre neben Junuzovic: Roman Wallner (gratis zum RB-Partner Leipzig) und Sabri Vural (in die dritte Schweizer Liga). Zurück kamen Rubin Okotie, Sanel Kuljic, Florian Sturm und Daniel Dunst.

Das heißt: es gibt in sämtlichen Bereichen ein eklatantes Export/Import-Defizit. Die hohe Zahl der neu importierten Ausländer bedeutet - das zeigen die Erfahrungswerte der letzten Saisonen - dass in der nächsten Transferzeit wieder ein hoher Prozentsatz dieser (allesamt nicht gratis) gekommenen Söldner wieder abgegeben werden; natürlich mit Verlust.

Die klassische Pyramide der Ausbildungs-Ligen (untere Ligen bringen ihre Spiele in höheren unter, große Klubs versorgen sich bei Kleinen, die so gut ausgebildeten Akteure werden ins Ausland verkauft) existiert nicht.
Das Gerede von der Ausbildungs-Liga ist also reine Schimäre; es weist auch nichts auf Besserung hin - die Indizien sprechen eher für einen Rückfall in die finsteren Neunziger.

Der monopolisierte Trend zum Zweit-Spanier

In diesem Zusammenhang lohnt sich ein besonderen Blick auf die überproportional hohe Neo-Import-Quote der 1. Liga, vor allem die Trend-Importe aus Spanien.
Das an einen Österreicher-Topf samt finanziellen Vergütungen gekoppelte Gentlemens-Agreement einer Legionärs-Quote von drei Spielern (in der Bundesliga sind es sieben; dort halten sich bis auf Red Bull, denen alles egal ist, alle dran) hat den Zweck, hysterische Einkäufe aus dubiosen Quellen zu verhindern.

Wenn im Schnitt jedes Team im Winter zumindest einen unbekannten, von irgendwelchen Beratern oder gar Geschäftsfreunden vermittelten Söldner einkauft, dann läuft da etwas falsch. LASK-Coach Walter Schachner hat ja bereits öffentlich und laut darüber nachgedacht, auf die 3er-Regel zu pfeifen, um alle seine Ausländer einsetzen zu können. Sein Präsident Reichel hat ihm nämlich von einer Geschäftsreise zwei neue Brasilianer mitgebracht, die sich im ersten Spiel (Sieg gegen Mitkonkurrent Altach) gleich gut bewährt haben.

Die anderen Vereine setzen auf das Mode-Accessoire Spanier: Wolfsberg und St. Pölten setzen auf den Zweitspanier, die Vienna und BW Linz legten sich je einen unterklassigen Kicker aus dem Lande des Welt- und Europameisters zu. Altach und Grödig hatten schon.

Apropos Regional-Liga: vor allem der Konkurrenz-Kampf in der RL Mitte führt zu einer neuen Legionärs-Flut (Slowenen, Ungarn, Serben, Israelis...).

Groteskerweise stammen die fast allesamt aus derselben Management-Quelle. Mittlerweile sind neun Spanier in der Bundesliga und acht in der 1. Liga tätig - dazu kommt mit Amstetten jetzt auch die Regionalliga auf den Geschmack.

Da hat eine clevere Einzel-Agentur eine lukrative Marktlücke entdeckt: Nur in Englands Premier League, in der griechischen Super League und Zyperns Division A spielen mehr Spanier als im heimischen Profi-Kick.

Die Angst vor einer effektiven Export-Quote

Umgekehrt ist das aber auch ein Zeichen für die hohe Professionalität, mit der in den Top-Nationen (wie eben Spanien oder Brasilien, aber auch Argentinien, Frankreich, Holland, Portugal etc.) das Export-Wesen begriffen und betrieben wird. Die hierzulande gern (vor allem von Ofenbank-Opa Prohaska) geäußerten Vorsicht-Ansagen, die der Stöger-Doktrin folgen und nichts als übergroße Angst vor einem Sprung in andere Fußball-Realitäten verraten, sind ein weiterer großer Verhinderer einer sinnhaften Export-Quote.

Da geht es nämlich nur um Psychologie: wenn sich Spanier aus der 2., 3. oder 4. Spielklasse in Österreich als echte Führungskräfte bewähren, dann steigt die Nachfrage, dann erhöht sich automatisch die Export-Quote.
Wenn österreichische Vereine Kicker wie Leitgeb, Thürauer oder Junuzovic nicht oder viel zu spät für deren Entwicklung in die nächsthöhere Leistungsstufe loslassen können, dann bewirkt das zu wenig.

Österreichs Legionärs-Hausse ist vor allem erratischen Einzelfiguren wie Stranzl, Pogatetz, Scharner, Arnautovic, Harnik oder Alaba geschuldet, die zurecht nicht als Liga-Exporte betrachtet werden.

Um dem ökonomischen Organismus Bundesliga in ein paar Jahren brauchbare wirtschaftliche Kennziffern zu verschaffen, bedarf es also mehr als ständiges Schöngerede und eine ängstliche Grundhaltung. Es braucht eine von den zentralen Playern getragenen Philosophie, eine neuen Grundhaltung zum Thema Export und vor allem auch bessere Scouting-Bedingungen bei den heimischen Spitzenvereinen, die das tatsächlich vorhandene Reservoir in der 1. Liga, den unteren Ligen oder auch im eigenen Nachwuchs übersehen und sie sich gerne schon verfrüht von effektiver arbeitenden internationalen Scouts wegschnappen lassen. Das würde allerdings genau dort die aktuell so ungern akzeptierte "akribische Arbeit" bedeuten, wo seit Jahrzehnten besonders offensiv gar nichts passiert ist.

Sieht also schlecht aus für die weiteren bevorstehenden Bilanzen.