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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

8. 3. 2012 - 19:52

This ain't Britpop: Dry The River und ihr Debütalbum

Schon eine ganze Weile lang angekündigt, ist "Shallow Bed" von Dry The River nun da.

Dry The River sind Peter Liddle, Matt Taylor, Scott Miller, Will Harvey und Jon Warren.

Dry The River, jenes Quintett aus London, das schon seit fast einem Jahr immer wieder in den Musikmedien auftaucht, hat ihr Debütalbum jetzt endlich fertig. Letzten Herbst spielten Pete Liddle und Co auch in Wien, gar zwei Mal, einmal beim Waves Festival und dann etwas später noch einmal, zusammen mit den Antlers aus Brooklyn. Dass ich es keines der beiden Male zum Konzert schaffte, ist wieder eine eigene Sache, aber ich hör ja ohnehin lieber vorher ein komplettes Album einer Band und dann erst begebe ich mich zu ihrem Konzert. Jetzt ist es also da und trägt den Titel "Shallow Bed".

UK band Dry The River

Dry THe River

Albumcover Dry The River

Sony

"Shallow Bed" von Dry The River ist bei RCA erschienen.

"Shallow Bed" heißt soviel wie flaches Bett, oder seichtes Bett, ein Titel, der in vielerlei Richtungen interpretiert werden darf. Und das Cover dazu. Haben wir es hier mit einem Britrockabum zu tun? Ich hab immer eine heimliche Liebe zu Britrock gehegt, dann wenn das Licht des Britrock gelegentlich hell geleuchtet hat. Ich meine nicht Muse, und auch nicht Queen, oder gar - God forbid - die Dire Straits, ich meine Bands wie etwa Feeder. Bands, die im Herzen Nordamerika näher sind, aber im britischen Haus aufgewachsen sind, in einem Semi-Detached, oder auch im Council Flat. Dry The River sind so eine Band. Radiohead mögen sie natürlich, aber mögen wir nicht alle Radiohead? Die Zeit rund um "Bends" darf dabei auch wieder erwähnt werden als wichtige Zeit, die Zeit vor "OK Computer", die Zeit nach dem Debüt "Pablo Honey". Dry The River sind also auch von Radiohead beeinflusst, auf "New Ceremony" zumindest, einem der ersten Songs der Band, der dem Quintett sogleich den Ruf voraus eilen ließ, dass es sich hier womöglich um ein next big thing handeln könnte, auch wenn diese junge Männer - laut der britischen Zeitung The Guardian ein wenig wirken wie "buskers who' ve just been given an amp for Christmas."

Vergangenen Herbst stand dieses sympathische mögliche next big thing dann tatsächlich im FM4 Studio und plauderte höflich über Vergangenheit und Zukunft. Dass man in Hardcore Bands spielte - ja, die gibt es auch in London - und dass gerade aus dem Britpop-Hotspot von einst, Camden, of all places, nun ein Grunge Revival kommen würde, mit Bands wie Tribes, aber dass Dry The River sich da nicht dazu zählen. Es war ein freundliches Gespräch mit jungen Briten, die eigentlich klassisch ausgebildete Musiker sind - einer jedenfalls - oder eigentlich Arzt werden wollten - einer zumindest, Sänger Peter Liddle. Die medical school ruht also, der Rock´n´ Roll muss gespielt werden, und Arzt kann man etwas später ja noch immer werden. Gewissermaßen ist Peter Liddle sowieso einer, hat die Musik von Dry The River doch fast so etwas wie heilende Wirkung - healing powers. Wenn er singt - mit vibrierender Kopfstimme - von schwierigen Zeiten, von einer Kindheit voller Vernachlässigung und dass die Kids nur sich selbst hatten, in "Bible Belt", aber trotzdem alles ein gutes Ende hat, irgendwie: "You mother is drinking again, leaving the children softly across the fold, in the morning you march your sisters like soldiers to school, cos lo and behold your faher has drunk quite a few....don´t be afraid anymore."

Nein, nein, ihm ist das nicht passiert, sagt Pete Liddle. Er wurde in Norwegen geboren, weil sein Vater in der Ölindustrie gearbeitet hat. Die Familie zog zwar viel durch die Welt und war nie wirklich sesshaft, aber schlimme Dinge, wie im Song "Bible Belt", sind nicht vorgefallen. Wie kommt also die Bibel in diese Ostlondoner Wohngemeinschaft von fünf britischen Mittelklassetypen? Religiös war seine Familie durchaus, eine katholische Familie, sagt Peter Liddle. Da kommen also vielleicht die Bibel-Bezüge in den Songs von Dry The River her: "I used to be a king alone, like Solomon", singt Peter Liddle etwa im superben "No Rest". Von wood cutters, forests und men on horses ist außerdem die Rede. Durch die Prärie reiten, in einer Holzhütte in den Appalachian Mountains leben, oder zumindest irgendwo in den Bergen außerhalb von Seattle. Dieser Vibe ist natürlich da bei dieser Londoner Wohngemeinschaft namens Dry The River, aber letztlich haben einige der Songs diese gewisse Erhabenheit, die wohl mit Leichtigkeit drüber steht über dem was man als fake-Americana kleinreden könnte. "Weights And Measures" etwa ist so ein großer Song, das doch leicht messianische Auftreten von Pete Liddle hin oder her. "I loved you in the best way possible", singt Peter Liddle noch in "No Rest". Ja, das hat er getan.

"No Rest" war übrigens der erste Song, den Dry The River zusammen mit dem US-Producer Peter Katis einspielten. Das Stück funktionierte so gut, dass sich die Band entschloss, den kompletten Longplayer mit Katis in dessen Studio in Connecticut an der US-Ostküste aufzunehmen, und der CV des Amerikaners ist ja schließlich insgesamt nicht unbeeindruckend: The National, Jonsi von Sigur Ros, Fanfarlo, Interpol und Paul Banks solo waren unter anderen schon seine Klienten.