Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""In Zeiten wie diesen""

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

7. 3. 2012 - 19:09

"In Zeiten wie diesen"

Mit kostenpflichtigen Lehrgängen partizipieren auch die Unis am kommerziellen Bildungsmarkt. Doch was offiziell unter "Weiterbildung" läuft, ist oft Voraussetzung für den Einstieg in den Beruf.

Julia wollte Bibliothekarin werden. Sie hat vergleichende Literaturwissenschaften studiert und sich dann bei mehreren Bibliotheken beworben. Doch schnell hat sie festgestellt, dass ein fertiges Unistudium allein nicht reicht, um in ihrem Traumjob zu arbeiten: Fast überall wurde der abgeschlossene Universitätslehrgang Library and Information Studies vorausgesetzt. Julia hat sich beworben und wurde abgelehnt - auf 42 Plätze in Wien kommen leicht doppelt so viele BewerberInnen.

Bayerische Staatsbibliothek

dpa/A2585 Frank Leonhardt

Julia ist wütend und frustriert: "Eigentlich könnte man ja meinen, dass ein Studium genug an Ausbildung ist, und dass man das, was man in einer Bibliothek sonst noch braucht, dort eben beigebracht bekommt." So, wie es bei städtischen Büchereien heute noch der Fall ist - zum Großteil zumindest, denn auch hier finden vermehrt AbsolventInnen des Unilehrgangs ihre Jobs.

"Die Situation hat sich eben geändert", meint Maria Seissl, Hofrätin und Leiterin des Studienganges Library and Information Studies an der Uni Wien: "Man hat jetzt ausgebildete Bibliothekare und Bibliothekarinnen auf dem Markt, und man kann aus diesem Pool rekrutieren. Das ist natürlich interessant von der Arbeitgeberseite. Ich habe jemanden, den ich vom Tag eins an voll einsetzen kann. Das war früher nicht der Fall, da wurde zuerst angelernt und dann erst langsam ausgebildet - und in der Zeit, in der die Ausbildung stattfand musste man sich überlegen, wie man über die Runden kommt. Das ist in Zeiten wie diesen einfach nicht mehr möglich."

Fast 10.000 € Vorschuss - für den Arbeitgeber

"In Zeiten wie diesen" heißt, dass auch die Bibliotheken angesichts knapper öffentlicher Kassen beim Personal sparen - und darum müssen jetzt eben die Bewerber schauen, wie sie über die Runden kommen und sich ihre Ausbildung selbst finanzieren: 5.050,- € kostet der einjährige Grundlehrgang, danach hat man auf dem Arbeitsmarkt eine gute Chance und kann, vorausgesetzt man hat außerdem ein abgeschlossenes Hochschulstudium, den berufsbegleitenden Aufbaulehrgang machen. Der kostet nochmal gut 4.150,- € und macht aus einem Studenten einen Master of Science (M.Sc.).

Das Geld hätte sie sogar gehabt, erzählt Julia, weil sie kurz zuvor bei der Millionenshow einen fünfstelligen Betrag gewonnen hat. Wäre sie bei der 500-Euro-Frage rausgeflogen, hätte sie sich ihren Berufswunsch schon vor der Bewerbung in die Haare schmieren können. Denn der Lehrgang ist ein Full Time Job, und so muss man neben den Ausbildungskosten auch noch den Lebensunterhalt für ein Jahr angespart, gewonnen oder geerbt haben.

Julia

ORF

Julia verdient sich gerade das Geld für ihre Ausbildung.

Zwar gibt es auch andere Wege, die geforderte Ausbildung zu erreichen: die Fachhochschule Eisenstadt hat bis vor ein paar Jahren einen - kostenlosen - Studiengang angeboten und auch in Deutschland gibt es an mehreren Fachhochschulen und Universitäten entsprechende Studienangebote. Aber der bis vor ein paar Jahren noch normale Weg, mit einem abgeschlossenen Studium direkt in einen Job zu wechseln und die Spezialausbildung dafür direkt vom Arbeitgeber zu bekommen, ist heute nicht mehr selbstverständlich.

Ein unübersichtlicher Markt

Die Finanzierung ist ein Problem, mit dem die Leute immer wieder zu uns kommen, bestätigt auch Martha Eckl von der Wiener Arbeiterkammer. Das andere Problem ist, dass der kommerzielle Markt für Bildung und Weiterbildung inzwischen extrem unübersichtlich geworden ist. Bei Universitätslehrgängen sei wenigstens die Qualität gesichert, anders als bei manchen freien Angeboten. "Wir raten den Leuten immer, sich genau nach den Inhalten und den Lehrenden zu erkundigen", sagt Martha Eckl, um bösen Überraschungen vorzubeugen. Außerdem solle man sich auch ganz genau nach der Vertragsgestaltung erkundigen, also ob man den Lehrgang auch unterbrechen könne, oder was passiert wenn man ihn ganz abbricht. Oft ist man auch nach einem nur halb absolvierten Lehrgang bereits sein ganzes Geld los.

Es gebe, meint Martha Eckl, zwar vom Ministerium erhobene Daten über die Zahl der Studiengänge und AbsolventInnen, aber darüber hinaus nichts genaueres. "Man weiß weder, wie es den Leuten danach in den Jobs geht, noch ob der Arbeitgeber oder die Leute selbst die Kursgebühren bezahlen, oder ob sie den Kurs in ihrer Freizeit machen oder in der Arbeitszeit."

Für die Universitäten sind solche Lehrgänge oft einfach ein gutes Geschäft, zu dem sie in Zeiten der Unterfinanzierung fast gezwungen sind. In den letzten Jahren ist die Zahl der Lehrgänge jedenfalls deutlich gestiegen, bei besonders erfolgreichen erhöhen sich die Kursbeiträge auch mal deutlich über dem Inflationsniveau. Und obwohl die Universitätslehrgänge offiziell unter dem Stichwort "Weiterbildung" laufen, sind sie oft so nahe an die Anforderungen der Wirtschaft angebunden, dass sie de facto die betriebliche Ausbildung auslagern - auf Kosten der Auszubildenden.