Erstellt am: 7. 3. 2012 - 15:30 Uhr
Chucks
hermann rauschmayr
Im Wortlaut-Universum hat Cornelia Travnicek einen fixen Stern. Mit "Wie ein Mixtape von Thomas Kunst" belegte die damals 19jährige 2006 den zweiten Platz beim FM4 Literaturwettbewerb. 2009 wurde sie Dritte. Damals begeisterte sie die Jury mit ihrer Kurzgeschichte "Aurum metallicum Oder Was für ein Kind ich bin".
Seit wenigen Tagen liegt der erweiterte Text als bemerkenswertes Romandebüt vor: "Chucks".
Am Anfang war das Ende - das erste kurze Kapitel hat den Titel "Vom Ende": "Warum sich im Leben immer genau die Situationen wiederholen, die man doch auf keinen Fall noch einmal erleben will. Ich streichle seine Hand, wie es sich gehört, so als würde jemand zusehen und Haltungsnoten vergeben. Das gleichmäßige Piepen der Geräte ermüdet mich, mein Lidschlag und sein Herzschlag werden gemeinsam fast unmerklich langsamer. Ich unterdrücke ein Gähnen, weil sich das nicht gehört: das man gähnt, wenn jemand stirbt."
Man weiß also, jemand muss sterben. Und wenige Seiten später weiß man, dass schon wer gestorben ist – der Bruder der Erzählerin Mae. Nach seinem Krebstod ist die Familie zerbrochen. Mae hat sich die roten Chucks ihres Bruders angezogen und eine Ersatzfamilie bei Punks gefunden. Mit denen lebt sie in Wien auf der Straße, schnorrt Tschicks und Bier, obwohl sie eh lieber Obst und Gemüse hätte und philosophiert über Gott und die Welt. Sie lernt zwei Männer kennen: Jakob und Paul.
Das alles wird nicht chronologisch erzählt – vielmehr sind es kleine Steine, die sich ergänzen und ein großes Ganzes ergeben. Immer wieder schön, wenn man in diesem Mosaik die "Wortlaut-teile" findet.
Am Roman habe sie 2009 schon geschrieben, erklärt Cornelia Travnicek. Aus den Figuren habe sie dann eine eigene Geschichte für Wortlaut geschrieben. Die Geschichte wiederum habe dann die Handlung des Romans stark geändert - eine gegenseitige Befruchtung.
DVA Verlag
Cornelia Travnicek spielt mit der Sprache, erzeugt großartige Bilder und treibt den Erzählfluss stetig voran. Auch wenn sie sich manchmal an Klischees vergreift - sie erzählt schnell und dicht - es gibt keine Pausen, keine langatmigen Schilderungen. An ein gelangweiltes Vorblättern ist nicht zu denken.
Die Dynamik von "Chucks" wird durch den Charakter der Hauptperson und Erzählerin Mae vorangetrieben: Sie ist impulsiv, unstet, kann ihre Gefühlslage augenblicklich ändern und trägt ihre Sturheit mit Stolz. "Ich wollte ein anderes Bild von einem wütenden Mädchen zeichnen", meint Cornelia. "dass jemand nicht nur wütend sein kann oder nur ein Pflänzchen, sondern verschiedene Seiten einer jungen Frau zeigen. Seiten, über die andere sagen, das passt gar nicht zusammen."
Man muss dies Mae nicht unbedingt mögen. Berührend ist aber allemal, wie Mae Erinnerungen konserviert. Berührend und todtraurig - denn traurig muss es sein, findet Cornelia Travnicek. "Nur wenn jemand hinfällt, hat man auch die Chance ihm zuzusehen, wie er wieder aufsteht."
Heißt das, ein Happy End muss doch sein? "Ja, aber wie happy ist die Frage. Man muss ja nicht übertreiben."
Termine:
Die Buchpräsentation von "Chucks" findet am Donnerstag, 8. März in der Hauptbücherei in Wien statt. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.
Außerdem liest sie am Donnerstag, 29. März im Rahmen der Wortspiele im Progy & Bess.