Erstellt am: 5. 3. 2012 - 19:03 Uhr
Ökonomisierung der Unis
Der Begriff "Bologna-System" wird oft in einem Atemzug mit den Missständen im österreichischen Hochschulwesen genannt: hoher Workload, Knockout-Prüfungen, starke Selektion in Studieneingangsphasen, vor allem aber mit einer Verschulung der Studien. Doch nicht der Bolonga-Prozess an sich ist dafür verantwortlich, sondern seine spezifische Implementierung auf nationaler und universitärer Ebene.
In Österreich musste die Umstellung auf die dreigliedrige Studienarchitektur komplett kostenneutral erfolgen, wie Peter Grabuschnig, Generalsekretär der Österreichischen HochschülerInnenschaft, betont. Die Folgen daraus waren unstudierbare Studiengänge, weil alle Inhalte der früheren Diplomstudien in die neuen Bachelorstudiengänge gestopft wurden. Freie Wahlfächer wurden gestrichen und vermehrt Voraussetzungsketten eingeführt.
Mehr Output für das gleiche Geld
Alle diese Maßnahmen haben einen ökonomischen Hintergrund, die eingesetzten Mittel sollten effektiver verwendet werden. Gleicher Input sollte ein mehr an Output erzeugen. Im österreichischen Bildungswesen hätten vor allem straffere Strukturen zu diesem Ziel geführt, meint der Bildungswissenschaftler Erich Ribolits, konkret zu einer Verschulung.
Vorlesungen sind billiger als Seminare für Kleingruppen, Multiple-Choice-Prüfungen sind billiger als Korrekturen von Hausarbeiten und auch Knockout-Prüfungen sparen dem Staat und den Unis Geld, denn ein früher Studienabbruch kostet weniger als ein späteres Ausscheiden.
Eine Verschulung der Studien wäre - da sind sich die Experten einig - wahrscheinlich auch ohne Implementierung des Bologna-Systems gekommen, aus Sparzwängen.
"Zurichtung auf höchstem Niveau"
Doch das günstigere System mit einem genau vorgegebenen Studienweg hat andere Kosten, wie Ribolits ausführt. "Studieren wird quasi zur Zurichtung auf höchstem Niveau." Studierende würden zwar mit den neuesten Inhalten konfrontiert und könnten viel Wissen ansammeln, aber nicht in einer Form, die man autonom nennen könnte. Sie könnten ihr Wissen nicht mehr außerhalb einer instrumentellen Form anwenden und würden zu "braven Systemträgern". Bildung bedeutet für Ribolits aber daraus auszubrechen. "Bildung bedeutet, mit Wissen selbständig umzugehen."
Vor allem StudienanfängerInnen könnte das neue System trotzdem sympathisch erscheinen, eben weil es den Bedingungen in der Schule gleicht und sie nichts anderes kennen würden, meint Ribolits. Zumindest wenn das Uni-System halbwegs funktioniere und es genügend Plätze in den Lehrveranstaltungen gibt.
Menschen verlangen nicht automatisch nach Bildung, sondern sie müssten erst "dazu verführt" werden. Bleibe das aus, würden sie es vielleicht gar nicht bemerken.
Bildung statt Ausbildung?
In Erich Ribolits Ausführungen klingt ein wenig die Nostalgie durch. Die Erinnerung an ein Studium, das mehr Wert auf Bildung gelegt hat als auf Ausbildung.
Doch auch Peter Grabuschnig kritisiert die Verschulung der Studien, die auf Kosten von Wissenschaftlichkeit und kritischer Auseinandersetzung mit Inhalten einhergehe. Vor allem ziele die Bildungsökonomisierung aber auf eine "Employability" ab, das Fit-Werden für den Arbeitsmarkt. Alles richte sich auf die Verwertung des Studiums für die Wirtschaft aus und immer öfter stellt sich für Studierende die Frage, was sie mit ihrem Studium schlussendlich anfangen könnten.
Auch die #unibrennt-Bewegung hat den Bildungsbegriff über die Ausbildung gestellt, vertritt damit aber nicht die Interessen aller Studierender, wie der Soziologe Martin Unger weiß. Ausbildung wird immer zentraler und aktiv nachgefragt: "Das meiste was Studierende an ihren Studien bemängeln ist Praxisferne."