Erstellt am: 5. 3. 2012 - 16:40 Uhr
Schöner rumpeln
Fenster kultivieren auf ihrem ersten Longplayer eine außerordentliche Klangpflege: Mit großer Sorgfalt entsteht so auf "Bones" ein Sound des Baufälligen, des Spröden und Porösen. Der Sound, zuvorderst nicht im Sinne von "wie die Musik klingt", sondern im Sinne von: der Klang des Studios, die Beschaffenheit der Aufnahme, ist dann auch eine der herausragenden Qualitäten des Debütalbums der Berliner Band Fenster. Das Duo - mittlerweile, immerhin für die Live-Performance zum Trio angewachsen - Fenster ist acht Tage lang mit dem Produzenten Tadklimp in einem Berliner Keller gesessen und hat dort eine fast schon mit den Händen fassbare, vor analogem Leben vibrierende Atmosphäre eingefangen, durchzogen von Rauschen und kleinen Störgeräuschen.

Maxime Ballersteros
Die aus New York stammende JJ Weihl und der Berliner Jonathan Jarzyna wechseln sich am Gesang und an den Instrumenten ab, das Fundament ihres minimalistischen Pops ist das übliche einer herkömmlichen Rockband: Bass, Gitarre, ein wenig Orgelei, Drums und Percussions, allesamt spartanisch eingesetzt. Mal schiebt sich ein munteres Banjo in den Raum, da und dort singt eine Zither oder ein Glockenspiel. Entscheidend jedoch ist, dass Fenster auf "Bones" die Komponente "Musik" mit Field Recordings, manipulierten Radiointerferenzen oder dem Tosen der gerade am Studio vorbeipolternden S-Bahn anreichern. Anstatt die Platte wie in einer klinisch staubfreien Kapsel aufzunehmen, lassen Fenster Fehler und Unreinheiten zu - oder konstruieren sie nachträglich erst in den Sound hinein. Das Zwitschern der Vögel, das Rumpeln des in den Keller sausenden Lifts, schlagende Türen.

Maxime Ballesteros
Dennoch handelt es sich bei allem, was hier an Wunderbarem auf "Bones" quietscht und eiert, um Popmusik. Zwar legt die Vorabsingle "Oh Canyon", die das Album eröffnet und, wenn denn alles gut und richtig läuft, sich dieses Jahr noch zu einem schönen Konsenshit entwickeln sollte, in ihrer ansteckenden Süßlichkeit, dem Gepfeife und dem einzig wie zum Mitklatschen designten Rythmus im Refrain eine leicht falsche Fährte aus - so catchy und kompakt wird es später dann doch nicht mehr werden auf "Bones". Trotzdem werden hier noch echte - und zwar durchwegs richtig gute - Songs geschrieben - auch wenn die Strukturen immer wieder aufgebrochen werden, die Stücke auseinanderfallen und überraschende Drehungen aufweisen können. "Verschrobene Popmusik" nennt das die Band selbst; das außermusikalische Klangmaterial ist nicht als ostentativer Ausdruck des Experiment-Sein-Wollens als großer Zerstörer in die Songs gezwängt, sondern als ergänzende, stimmige Stimmung eingepasst.

Fenster
Nun fahren Fenster zwar über die ganze Albumlänge also ein beachtliches Arsenal an Geräuschquellen und Instrumenten auf, die einzelnen Stücke selbst jedoch sind im Kontrast dazu betont karg arrangiert: Für einen Song scheinen 3, 4, 5 Elemente auszureichen: Ein monoton laufender Beat, ein federnder Basslauf, geflüsteter Singsang. Eine Art windschief aus den Saiten geleiertes Anti-Solo, das Zischen eines Beckenschlags, im Hintergrund dringt eine Sirene durch die Studiowand. Entkernte Songs, geschält bis aufs Skelett, da darf man den Albumtitel durchaus auch mal wörtlich lesen. "Bones" ist die höchst seltsame Verquickung von düster eingestelltem Reduktions-Pop, der bisweilen an Bands wie The xx oder die Young Marble Giants erinnert, einer einsamen Folk-Gitarre, sonnengeküssten Harmoniegesängen und von höflich summendem Industrie-Lärm. Sounds aus der Rumpelkammer - aber aus einer extrem spannenden, eine, die mit dicken Teppichen ausgekleidet ist. Und draußen kann man das Meer rauschen hören und wie die Möwen kreischen und gut gelaunt Kreise ziehen.