Erstellt am: 4. 3. 2012 - 16:21 Uhr
Spaß haben und Abwarten
Laax in der Schweiz. Schmetterlinge im Schnee und kilometerweite Sicht auf massive Bergformationen. Fluffiges Weiß auf den Pisten und Würstel am Holzkohlengrill. Zwitschernde Vögel, strahlender Sonnenschein und Winterwonderland-Romantik. Dazu tricksende Snowboarder und klare Sicht auf eine gut geshapte Halfpipe. Wummernde Technobeats und Latte Macchiato Schaum in den Mundwinkeln. Quietschbunte Sonnenbrillen, Mädels in Glitzeranzügen, die Kondome verteilen und schweißtreibende Snowboard-Action. So präsentiert sich das Halfpipe Finale bei den European Open 2012.
Marcel Laemmerhirt
Sechzehn der weltbesten Snowboarder stehen im Startgate. Sie kommen aus Finnland, Japan, den USA, Australien und der Schweiz. Drei Durchgänge, der Beste wird gewertet. Es geht um Höhe und Präzision der Tricks. „Ein double cork 1080 muss mindestens dabei sein, um hier aufs Podest zu kommen“, sagt eine der Judges. Schrauben und drehen gleichzeitig also, und das mit genügend Style, denn auch der Flow wird in die Wertung mit hineingenommen. „Es muss easy aussehen, so als könnte das jeder. Und die Fahrer sollten auch nicht ihre Linien wechseln.“ Einem, dem das dieses Mal besonders gut gelingt, ist der Schweizer Iouri Podladtchikov, der Lokalheld. „Seit ich angefangen habe zu snowboarden, bin ich immer in dieser Pipe gewesen.“
Klaus Thyri
2005 hat der Züricher den Juniors Contest bei den European Open gewonnen. Doch seither wollte es mit dem ersten Platz nicht mehr so recht klappen. „Ich habe mir dieses Mal weniger Druck gemacht und versucht das Ganze lockerer zu nehmen und Spaß zu haben“, sagt der 23-jährige, der vor kurzem in Oslo zum Weltmeister gekürt wurde. Mit diesem Titel in der Tasche, lässt es sich auch leichter entspannt sein.
Nachdem Iouri bei seinem ersten Run im Halfpipe Finale stürzt, legt er einen fulminanten zweiten Lauf hin und zeigt unter anderem einen frontside double cork 1080 frontside grab und einen cab double cork 1080 mute grab. Auch beim dritten Durchgang kann das keiner der anderen Boarder mehr toppen – weder sein Landsmann Christian Haller, noch der Vorjahressieger, der Finne Peetu Piiroinen. Trotzdem sind während und nach dem Finale alle gut drauf. Die Sonne haut die Glückshormonmaschine im Körper an, das Gehüpfe in der Pipe tut sein Übriges. „Ich hab heute echt niemanden gesehen, der nicht am Smilen war“, sagt Gewinner Iouri Podladtchikov und fällt seiner Mutter, die im Zieleinlauf der Halfpipe steht, um den Hals. Vom Mann zum Kind. Hier am Berg geht das fließend.
Marcel Laemmerhirt
Und jährlich grüßt das Kellytier
Ganz wie im Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ geht es beim Halfpipe Finale der Damen zu. Wenn die Amerikanerin Kelly Clarke mit dabei ist, ist das Siegespodest für sie vorreserviert. Eine der Judges kann ihre Performance nur mehr mit dem Geschlechtervergleich beschreiben: „Das Niveau bei den Mädels war sehr hoch, aber die Kelly Clarke, die fährt eh schon wie ein Mann.“ Tatsächlich springt kaum eine der anderen Teilnehmerinnen im Finale so hoch aus der Pipe raus und steht ihre Tricks so sicher wie die Olympiasiegerin und Weltmeisterin. Seit gestern ist sie auch noch 5-fache European Open Halfpipe Gewinnerin. Keine andere Snowboarderin und kein anderer Snowboarder in der Geschichte der Open kann so viele Titel vorweisen.
Marcel Laemmerhirt
Auf die Frage, was denn bloß ihr Rezept sei, zuckt Kelly nur mit den Schultern und sagt: „I try and have fun and progress my riding. That’s it.“ Einfach Spaß haben also. Und wie schaut es mit Partys und Nichtstun aus? „No break, no party. I’m going straight to the US Open tomorrow”, sagt Kelly Clark und gibt somit ihr Rezept preis: hartes, unermüdliches Training und Contestfahren.
Marcel Laemmerhirt
Die Snowboard-Saison ist, auch wenn der Frühling schon heftig an die Tür geklopft hat, noch lange nicht zu Ende. Viele der rund 400 Snowboarderinnen und Snowboarder, die dieses Wochenende in Laax mitgefahren sind, stehen demnächst wieder bei Bewerben am Brett. Nach den US Open sind auch noch die europäischen Winter X Games in Frankreich dran. Und dort wird European Open Gewinner Iouri Podladtchikov die spannende Gelegenheit bekommen gegen den unschlagbar scheinenden Shaun White anzutreten.
Marcel Laemmerhirt