Erstellt am: 3. 3. 2012 - 15:15 Uhr
Haare färben
Heute wollen wir uns einem wichtigen Thema zu wenden: dem Haar, genauer gesagt dem gefärbten Haar und dem gendertypischen Zugang zum „Haare färben“. Vor ein paar Tagen war im englischen Guardian ein Text zu lesen, in dem sich die Autorin beklagte, dass ein allgemeiner Zwang bestehe, beim Auftauchen des ersten grauen Haares sofort zur zum Färbemittel zu greifen, weil es ja schließlich alle Frauen tun würden. Mit der den Lifestyle-Kolumnisten ureigenen Hang zur Übertreibung schrieb sie:
”Hair care requires more strategic planning than the Middle East peace protest.“
Und wenn man einmal mit dem Färben angefangen habe, wäre es wie beim Botox spritzen, man könne nicht mehr damit aufhören und würde, wie ein Heroinsüchtiger beim Dealer, in großer Panik beim Friseur anrufen und um einen Termin betteln, weil man sonst nicht das Haus verlassen könne.
dpa/Peter Steffen
Haare sind wichtig
„Gibt es nicht wichtigere Probleme“, mag nun manch einer murren. Einerseits ja, andererseits: Haare sind wichtig. Sie sind mehr als leblose Horn-Materie. Haare symbolisieren alles Mögliche, langes glänzendes Haar gilt als sichtbares Zeichen für ein gesundes Individuum, langes männliches Haupthaar war einst Ausdruck des Protestes, kurzes Haare bei Frauen sind wiederum Zeichen von Eigenständigkeit und Untussihaftigkeit.
Die Psychoanalyse Freud’scher Prägung sieht langes Haar als Darstellung des Über-Ich, das Haar ist phallisches und sexuelles Symbol. Und gerade für junge Menschen sind Haare ein wichtiges Experimentierfeld auf der Suche nach der eigenen Identität. Haare färben ist für Frauen längst kein Tabu mehr, sonst würden nicht Models und Schauspielerinnen mit dem Sinnspruch „Weil ich es mir wert bin“ für Haarfarbe werben. Und weil ja bei manchen Menschen im zarten Alter von 25 bereits graues Haar sprießt, gelten graue Haare nicht unbedingt als Zeichen von Alter und fortschreitenden Siechtums. Und schließlich soll Kleopatra schon regelmäßig gefärbt haben, Haarfarben wie Henna, Indigo und Rastik sind seit 3-4000 Jahren bekannt.
Und die Männer?
Das männliche Geschlecht hat allerdings heute noch ein Problem mit dem Haarefärben. Beim Gang durch den Drogeriemarkt sind mehrere neue Produkte für Männer zu entdecken, die verklausuliert als „Renaturierungs-Shampoo“ den insgeheim färbewilligen Männern die Schwellenangst nehmen und den Einstieg in die Welt des Haarefärbens erleichtern wollen. Die Haar-Renaturierungsmittel versprechen ganz unauffällig so peu á peu das Grau verschwinden zu lassen und den alten Farbton wieder herzustellen „Männer färben nicht, Männer tunen“ so der markige Werbespruch eines Tuningshampoos.
Männer sind einfach zu sensibel was das graue Haupthaar angeht, wer färbt gilt unter den Geschlechtsgenossen als eitel und unmännlich. Ein richtiger Mann steht selbstbewusst zu seinem grauen Haar, und versucht sich nicht künstlich zu verjüngen. Aber nicht jedem gelingt diese mannhafte Haltung zur Vergänglichkeit. So sang doch der Sänger der verachtenswerten Gruppe Pur ein ganzes Lied über das erste graue Haar: „Ein graues Haar und wieder geht ein Jahr“ und Ex- Bundeskanzler Schröder wurde 2002 wohl auch an einem ganz empfindlichen Punkt getroffen, als eine Journalistin seine gefärbten Haare erwähnte. Bis vors Hamburger Landgericht kam der Fall, Schröder hatte eine Unterlassungsklage angestrengt, weil er beim Vorwurf der gefärbten Haare seine Glaubwürdigkeit in Gefahr sah. Zehn Jahre später scheint es für den metrosexuellen Mann zumindest nicht mehr ehrenrührig zu sein das graue Haar zu renaturieren.