Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Still Driftin´?"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

3. 3. 2012 - 16:30

Still Driftin´?

„Poles“: Das neue Album von Lonely Drifter Karen ist auf Heavy Rotation in meinem Kopfhörer.

Als "strange and elusive" würde der englischsprechende Mensch Tanja Frinta möglicherweise bezeichnen. Vielleicht hat ein englischsprechender Mensch das auch tatsächlich getan - in einer Albumbesprechung, einer Konzertkritik oder einfach zwischendurch einmal, als er/sie mit jemandem über Musik sprach, und die Rede auf Tanja Frinta kam. Im Englischen haben diese Worte etwas Geheimnisvolles an sich. Sie drücken beeindruckende Außergewöhnlichkeit aus, und dass jemand schwer zu fassen ist. Auf Deutsch hat es einen eher negativen Beigeschmack: komisch und unerfassbar, also eigenartig, seltsam halt. Tanja Frinta ist in der Tat strange and elusive, aber wohlgemerkt in der englischen Bedeutung. Da steht sie etwa leicht verloren wirkend am Gang hinter der Bühne in der Arena in Wien, vor dem Auftritt ihrer Band Lonely Drifter Karen beim FM4-Geburtstagsfest, die langen blonden Haare sorgfältig gekämmt, auch nach einer schier endlosen Autofahrt samt Schneesturm von Brüssel nach Wien. Fast wie eine märchenhafte Figur wirkt die ausgewanderte Wienerin, ein blondes Schneewittchen oder ein Rotkäppchen ohne Kappe aber dafür mit rotem Mantel. Es ist schwierig von der Aura der Tanja Frinta zu erzählen, ohne dabei in klischeehaften (Frauen-)Beschreibungen zu (ent-)gleiten.

Tanja Frinta Wiener Musikerin

Frinta

Lonely Drifter Karen auf Österreich-Tour:
23.3.: Graz
27.3.: Wien
28.3.: Linz
29.3.: Salzburg
30.3.: Münzkirchen
31.3.: Dornbirn

Genauso wenig ist es einfach, die Musik von Tanja Frinta und Lonely Drifter Karen zu beschreiben, zumindest nicht in wenigen Worten. Ich versuch es erst gar nicht, außer dass die China-Reise von Lonely Drifter Karen wohl einen Einfluss auf ihre Musik gehabt haben muss. Da ist etwas zart ostasienartiges in den neuen Songs - in "Brand New World" etwa, und da heißt ein Instrumental dann auch "Rain In Beijing". Ein andermal wiederum - auf "Dizzy Days" - erinnert Tanja Frinta an die große, tragische 70er-Jahre-Sängerin Keren Carpenter, die bei der Band The Carpenters Schlagzeug spielte und sang: "We´ve Only Just Begun", "Superstar" oder "Solitaire", und die schließlich mit 33 Jahren an den Folgen von Magersucht starb. Tanja Frinta singt wie Keren Carpenter, auf diesem einen Song jedenfalls, und das mein ich mit größtem Respekt. Air schauen auch vorbei, nicht leibhaftig, aber im Geiste jedenfalls - auf "Comet", und bei "Soul Traveler" haben sie indirekt auch die Finger im Spiel: Tanja Frinta hörte das Air-Stück "Universal Traveler", sie verstand im Song aber die Zeilen "you need a soul traveler".

Space Odyssey

Im Song "Brand New World" heißt es "passport is expired". Hat die Weltenbummlerin Tanja Frinta etwa tatsächlich einen abgelaufenen Pass? Nein, das wäre auch gar nicht möglich. Es geht vielmehr um einen US-amerikanischen Musikerfreund von ihr, der wegen seines angelaufenen Passes nicht nach Großbritannien einreisen konnte. Ist Tanja Frinta weiterhin - abseits von Konzertreisen - jemand, der ein drifter ist? Jemand, der keinen fixen Lebensmittelpunkt hat? Nein, seit zwei Jahren lebt sie nun schon in Brüssel. Davor war sie drei Jahre lang in Barcelona und noch davor drei Jahre in Schweden. Das Studium trieb die Wienerin erst nach Göteborg. Das Musikmachen war ihr aber nie aus dem Kopf gegangen. In Wien war Tanja Frinta erst Sängerin der von der charismatischen Schlagzeugerin Sushila Mesquita dominierten (Frauen-)Band Holly May gewesen. Punkrock meets Indie-Folk. Heute, mit dem dritten Album von Lonely Drifter Karen, ist Tanja Frinta wieder wo anders.

Gleich der erste Song am Album, "Three Colors Red" zeigt eine Tanja Frinta wie wir sie so noch nicht wirklich kannten: dynamisch und voller Energie, gleichzeitig in sich ruhend, schlichtweg souverän. Inspiriert ist das Stück vom Film "Drei Farben: Rot" vom polnischen Meisterregisseur Krzysztof Kieslowski. Tanja Frinta liebt gute Filme. Ihren Künstlernamen Lonely Drifter Karen hat sie in Anlehnung an eine Figur aus Lars von Triers "Die Idioten" gewählt. Aber auch alte Science-Fiction-Movies mag sie, wie etwa auf "Exactly Light", dem Schlusssong von "Poles" zu hören ist. Ground Control to Major Tom, pardon Tanja, die da von einem "dancer in space" singt.

Albumcover Poles Lonely Drifter Karen

Crammed

"Poles" ist bei Crammed Discs in Brüssel erschienen. Weitere Alben von Lonely Drifter Karen: "Grass Is Singing", "Fall Of Spring"

Lonely Drifter Karen begann als Solo-Projekt, wurde aber rasch zu einer Band, nachdem Tanja den Spanier Marc Melia Sobrevias getroffen hatte. Der Keyboarder ist ein meisterhafter Co-Songwriter und Arrangeur, und er trug neben Tanja selbst doch maßgeblich zur Entwicklung der Künstlerin bei. Das zwischendurch schon fast weltmusikhafte - nicht nur das diesmal leicht Fernöstliche in den Songs von Lonely Drifter Karen - kommt, zum Teil jedenfalls, von ihm und ist auch ein guter Gegensatz zur kooky Musical-Popprinzessin, die immer wieder kurz mal mit Tanja Frinta durchgeht. Es ist gewissermaßen immer eine Gratwanderung bei Lonely Drifter Karen, vielleicht mehr denn je, aber Gratwandern ist ja auch nicht unspannend. Der italienische Schlagzeuger ist am neuen Album nicht mehr dabei, man trennte sich in aller Freundschaft. Der neue Drummer und der neue Bassist von Lonely Drifter Karen kommen aus Frankreich und leben ebenfalls wie Tanja Frinta und Marc Melia Sobrevias in Brüssel.

Lonely Drifter Karen arbeiteten fast ein Jahr lang an "Poles". Letzten Sommer kamen sie im Rahmen der Aufnahmearbeiten auch drei Tage nach Wien, um im Radiokulturhaus Schlagzeug und etwas Gesang einzuspielen. Der Klang des Raumes, die Akustik, hatten es Tanja Frinta angetan, nachdem sie davor einmal im Radiokulturhaus ein Konzert mit Lonely Drifter Karen gespielt hatte.