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Robert Zikmund

Wirtschaft und Politik

1. 3. 2012 - 17:45

"Retten wir den Euro"

Christian Felber hat ein neues Buch geschrieben.

Retten wir den Euro

Deuticke

"Retten wir den Euro" von Christian Felber ist im Februar 2012 im Deuticke-Verlag erschienen.

Spätestens wenn in den Nachrichten Merkel, Faymann oder sonst jemand den Satz "Retten wir den Euro" auspackt, macht sich im Publikum bleierne Mattigkeit breit.

Seit einigen Jahren retten die Staaten (und damit natürlich die SteuerzahlerInnen) wahlweise Banken, Versicherungen, Autokonzerne oder eben jetzt ganze Währungsräume. Und auch die Kritik daran lässt nie lange auf sich warten. In einem Punkt sind sich marktliberale Kritiker (denen der Einfluss der Staaten auf die Wirtschaft zu weit geht) mit tendenziell linken Kritikern, wie weben Christian Felber, aber einig: Rettet die Wirtschaft vor den Rettern.

So ist es auch kein Zufall, dass ausgerechnet Felber – Mitbegründer von ATTAC Österreich und "Erfinder" der Gemeinwohlökonomie – einen Begriff wählt, der originär von einem Verfechter des "Ordoliberalismus" kommt: Vom deutschen Ökonomen Hans Werner Sinn, der gerne mal vom „Bankenrettungs-Sozialismus“ spricht.

Insofern darf es auch verwundern, dass ausgerechnet in der ebenfalls liberalen Presse ein dem Ordoliberalismus nicht abgeneigter Autor Christian Felbers aktuelles Buch als "Traum vom globalen Ressourcen-Sowjet" vernichtet. Denn tatsächlich schlägt Felber zumindest kurz bis mittelfristig vor, der Krise mit einem "Mehr" an Markt zu begegnen - jedenfalls was das Problem der systemrelevanten Banken betrifft.

So schreibt er: "Nie wieder darf Steuergeld zur Rettung oder Garantie einer privaten gewinnorientierten Bank eingesetzt werden. Das ist, wie wir gesehen haben, das Ende von Marktwirtschaft und Demokratie."

Ein Satz, den Hans Werner Sinn wohl unterschreiben könnte und der angesichts der neuerlichen Milliarden Hilfe für die Volksbank AG (in etwa im Volumen des aktuellen Sparpakets) auch nichts an Aktualität verloren hat.

Glaubt man den Bankern und Finanzmarkt-Aufsehern, etwa ex-Lehman VP Lawrence McDonald, lachen sich die Chefetagen der großen Bankhäuser schon längst den Buckel krumm ob der Tatsache, mit der Vollkaskoversicherung des Steuerzahlers jedes Risiko eingehen zu können.

Während die eigene Firma noch fleißig Wertpapiere im großen Stil verkaufte, wetteten die Mitarbeiter mit Insider-Wissen bereits gegen genau diese Investments. Und entgegen der oft gehörten Geschichte von den "bösen US-Banken und den brav-soliden heimischen Kleinbanken" sei festzuhalten, dass auch die eine oder andere österreichische Bank recht großzügig bei der Kreditvergabe, vor allem in Osteuropa war.

Es gibt allerdings auch Punkte in seinem neuen Buch, die wohl weniger im Sinne der neoklassischen Theorie sind – etwa wenn Felber versucht Lösungen aus dem Euro-Desaster zu finden.

Für Felber ist der aktuelle Versuch, mittels Vergemeinschaftung von neuen Schulden alte Schulden kriselnder Eurostaaten zu bezahlen, ein Himmelfahrtskommando: Der Sparkurs würgt das Wachstum ab und irgendwann reißt die Schuldenlast dann die rettenden Staaten mit in den Abgrund – statt Rettungsschirm würde sich wohl eher das Bild eines Rettungsseils anbieten, meint Felber sinngemäß.

Ebenfalls skeptisch zeigt sich Felber, was Eurobonds oder gar Insolvenzen und Schuldenschnitte ganzer Euroländer betrifft: Gerade die Finanzarchitektur eines größtenteils systemrelevanten Bankensektors birgt die Gefahr einer Ansteckung und damit einer Kettenreaktion, wie man ja aktuell bereits im Anfangsstudium beobachten kann.

So hat etwa der US-Nobelpreisträger Krugman schon 2009 gewarnt, Österreich könnte sein massiv exponiertes Banken-Engagement in Osteuropa noch ordentlich auf den Kopf fallen.

Die Lösung sieht Felber schließlich darin, mittels einer Lawine an neu zu schaffenden und EU-weiten Vermögens-, Unternehmens und Spekulationssteuern die Schuldenlast einfach zu tilgen, sprich abzutragen.

Ein Baustein wäre dafür etwa die Einführung einer Finanztransaktionssteuer – wer allerdings beobachtet wie mühsam deren Etablierung trotz ausdrücklicher Willenserklärung von Merkel bis Barroso ist, darf auch hier skeptisch bleiben, ob der von der Presse gefürchtete "globale Ressourcen Sowjet" tatsächlich in absehbarer Zeit ausbricht.

Christan Felber wird sein Buch übrigens am 8. März ab 18:30 im Oberen Belvedere in Wien präsentieren. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion steht auch Tschechiens Karl von Schwarzenberg auf der Rednerliste.

An dieser Stelle nun noch ein Interview, das ich mit Christian Felber vor ein paar Tagen zu seinem neuen Buch führte:

Christian Felber

attac

Christian Felber

Robert Zikmund: Wenn man dein Buch liest, hat man nachher nicht unbedingt das Gefühl, dass jene, die entscheiden, auch wirklich wissen was sie tun. Wie viel Bauchweh hast du vor diesem Jahr 2012, muss man sich wirklich fürchten, wenn das alles so weitergeht?

Christian Felber: Also ganz ehrlich, ich habe Bauchweh – und es wird auch immer mehr. Ich befürchte einen größeren Finanzcrash noch dieses Jahr oder spätestens am Anfang des nächsten, da die Rettungsmaßnahmen der Regierungen alle nicht greifen werden. Die eingeschlagenen Rettungsstrategien werden scheitern, das versuche ich ganz klar im Buch aufzuzeigen. Hinzu kommt, dass in mehreren Ländern bereits Blut zu fließen beginnt, nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien und ich befürchte, auch in Portugal wird es bald soweit sein. Wenn man diesen Trend also ein bisschen fortschreibt, sind leider auch bürgerkriegsähnliche Szenarien zu befürchten, bis hin, dass wir unserer Regierungen verlustig gehen. Wir kommen dann vielleicht in Zustände, von denen wir uns im leisesten nie gedacht haben, dass so was in der EU möglich sein würde.

Du hältst es also für möglich, dass auch das Österreich, das unsere Generationen so aus den 70er bis 00er Jahren kennen verschwindet?

Ich glaube nicht, dass es in Österreich beginnen wird, sondern in den Ländern, von denen wir gerade gesprochen haben. Aber die Reaktionsmuster der europäischen Eliten sind überall ein radikaler Abbau von Demokratie, und dieser Trend kann selbstverständlich auch Österreich erfassen, wenn vielleicht auch noch nicht heuer. Außer natürlich, es kommt ein so schwerer Krach, dass auch hier eine Art Ausnahmezustand in sehr kurzer Zeit stattfindet, weil etwa alle Banken schließen, jedenfalls sehe ich das Feld sehr gut vorbereitet, dass wir auch hier in absehbarer Zeit einen radikalen Demokratie-Abfall erleben werden. Deshalb ist das Wichtigste, dass sich die Bevölkerung ihrer eigenen demokratischen Essenz besinnt und auf diese Weise die Demokratie immunisiert.

Kommen wir vielleicht kurz zu den systemrelevanten Banken, die dich ja sehr beschäftigen. Eigentlich ist das ja gegen jede Marktwirtschaft, dennoch schreiben wir Jahr 4 nach der Krise und es hat sich kaum was verändert – wo siehst du denn hier die Widerstände?

Kurioserweise hat man einerseits den Binnenmarkt mit höchster Priorität erschaffen und gleichzeitig durch das Heranzüchten systemrelevanter Banken diesen Markt auch gleich wieder abgeschafft. Es sind also dieselben Eliten, die jetzt erbitterten Widerstand gegen die Marktwirtschaft leisten, dass eben diese Banken nicht in die Insolvenz gehen dürfen, dass sie mit Steuergeld am Leben erhalten werden und ihnen gleichzeitig jede Spekulationsmöglichkeit weiterhin bleibt. Dahinter stehen meiner Meinung nach schon 1-2 %, maximal vielleicht 5% der Bevölkerung, die eben die großen Vermögen besitzen, die den größten Teil der Unternehmensanteile besitzen, die eine wirtschaftlich-politisch-mediale Elite ausmachen – und die sind sich einig, dass wir eben keine Marktwirtschaft haben dürfen, dass die Umverteilung von unten nach oben weitergehen muss und sie sind leider auch zunehmend bereit, einen Demokratieverlust hinzunehmen, damit die derzeitigen Machtverhältnisse zementiert werden können.

Liberale deutsche Ökonomen argumentieren manchmal so ähnlich, etwa wenn sie von "Bankenrettungs-Sozialismus" sprechen. Haben wir also doch zu wenig an Markt?

Als kurzfristige Lösung ist mehr Markt tatsächlich sinnvoll – vor allem eben was das Geschäftsmodell der Banken betrifft. Leider ist der Markt aber für viele grundlegende Probleme überhaupt keine Lösung. Langfristig bräuchte es ein völlig anderes Finanz- und Bankensystem, wo Banken sowie Krankenhäuser und Schulen als öffentliche und nicht-gewinnorientierte Dienstleister verstanden werden, die einen Gemeinwohlauftrag durchführen.

Kommen wir noch zur Vermögensverteilung: Es wird behauptet, wir hätten aktuell eine sehr ähnliche Verteilungsstruktur wie am Beginn der 30er Jahre. Was dann historisch passierte, ist bekannt. Dennoch scheint die Schere aber nicht still zu stehen, wie kann man hier politisch gegensteuern, siehst du in der Politik den Willen zur Veränderung?

Nun, es gibt zarte Ansätze des Einlenkens, etwa manche Multimilliardäre, die sich in Deutschland, Frankreich und den USA zu Wort melden und sagen, bitte besteuert uns, denn ohne einer fairen Besteuerung der Vermögendsten dieser Gesellschaft werden wir aus der Staatsschuldenkrise niemals heraus kommen. Die Information ist nämlich eine ganz einfache, die man etwa mit einer kurzen Recherche bei der OeNB herausfinden könnte: Die privaten Vermögen der Eurozone sind etwa fünfmal so groß wie die Staatsschulden. D.h. eine einprozentige Vermögenssteuer könnte die Staatsschulden in einem Jahr um 5% senken und in 10 Jahren halbieren. Dadurch, dass Vermögen so ungleich verteilt sind, dass 10% der Menschen zwei Drittel des Vermögens halten, blieben so 90% steuerfrei. Wenn man kurz in der Geschichte zurückblickt sieht man, dass etwa die USA nach der großen Depression exakt durch solche sehr saftigen Steuern für Vermögende und Spitzensteuern ihre Schuldenberge, die auch über 100% der Wirtschaftsleistung ausmachten, abtragen konnten.

Zum Abschluss noch die Frage: Du bist Autor, unterrichtest an der WU und bist Publizist, zieht es dich auch in irgendeiner Form in die Parteipolitik?

Das konnte ich mir noch nie vorstellen. Ich glaube, dass die Fraktionalisierung der Parteien schlussendlich gegen die Demokratie gerichtet ist. Demokratie sollte ein Kooperationsverfahren sein. Was ich mir aber sehr gut vorstellen kann ist, sollte es einst zu verfassungsgebenden Konventen kommen, dass ich vorübergehend durch ein direktes Mandat der Bevölkerung in eine solche Versammlung für ein paar Jahre setzen würde.