Erstellt am: 2. 3. 2012 - 11:33 Uhr
Sachen: Machen!
Ferdinand Oberbauer
Die Mauern aus Granitstein-Blöcken sind so dick, dass BesucherInnen beim Eingang das Soundsystem gar nicht hören, obwohl es auf fünfhundert Personen ausgerichtet ist. Der "Kunstfreiraum Papierfabrik" ist der jüngste Ort in Graz, der auf das Prinzip Eigeninitiative setzt. Heute Abend ist dort wieder was los.
DJing und Konzerte, Vernissagen und Performances finden in dem Gebäude in der Ungargasse immer öfter und am Besten zeitgleich statt. Es ist Underground im doppelten Sinne: der Kunstfreiraum Papierfabrik agiert auf Vereinsbasis und die Veranstaltungen finden im Keller statt. Wenn und wann an einem Wochenende Einlass in die 850 Quadratmeter umfassenden, einstigen Lagerräumlichkeiten ist, setzt es drei Tage zuvor ein Posting auf Facebook.
Das Lineup ein Festival
Zur Tweety Party von Numavi Records Ende letzten Jahres kursierten Stunden zuvor einige Tweets. Abends war der Partykeller bestens besucht, als 23 Bands in einem Konzertreigen bis sechs Uhr früh spielten. Das Line-up war ein Festival, von Crystal Soda Cream zu Spring and the Land bis Grinddaddy. Im Eingangsbereich saßen zwei junge Menschen, statt einer Kasse informierte ein handgeschriebenes Schild über den Eintritt: "freiwillige Spende, 3 bis 5 Euro".
Zugegeben, die Ankündigungspolitik sei ausbaufähig, sagt Ferdinand Oberbauer. Gemeinsam mit Manuel Schöndorfer organisiert er das Geschehen in der einhundert Jahre alten Papierfabrik. "In Graz erzählen sich die Menschen viel. Da kommen auf einmal Leute, das glaubst du gar nicht!" Ferdinand ist beglückt und erstaunt zugleich, wie schnell die Kunde von der neuen Location die Runde macht.
Radio FM4
Worauf warten
Mehr davon: Beim diesjährigen Lendwirbel im Mai machen die Papierfabrik und die Niese den "Griesbrei", das Abend- und Nachtprogramm.
Auszugehen, um sich auf ein Getränk zu treffen, wäre langweilig. Ein Offspace nach dem anderen eröffnet in Graz, behauptet sich und wird erobert. "Nicht alles ist auf Kohle angelegt", erklärt Ferdinand Oberbauer, "sondern es geht darum, mit wenig viel zu machen." In der Papierfabrik sollen viele verschiedene künstlerische Facetten Platz haben. Der Plan erinnert an die Niese, die beiden Locations liegen eine Parallelstraße entfernt voneinander im Bezirk Gries.
In der Niesenbergergasse wird am 3. März Joe Goddard von Hot Chip nach Captain Pressure und disko404s Doze auflegen. Bereits nachmittags lehrt der britische Elektro-Wizzard alle Wissbegierigen in einer Red Bull Music Academy Session. Gratis Soda schenken die Menschen hinter den Theken in den Clubnächten aus.
Elf DJs und siebzehn KünstlerInnen bzw. Kunstkollektive präsentieren sich heute, 2. März, in der Papierfabrik: Die Plattform "Das Karussell" kombiniert Ausstellungen mit Clubnächten. Malerei und Fotografien hängen über- und nebeneinander wie im Biedermeier.
Kollektiv Graukarte
Gefallen muss einem nicht alles. Das sehen auch die zehn FotografInnen ein, die sich zum Kollektiv Graukarte zusammengetan haben. Christoph Staber hat eine Gummipuppe tagelang mit Dämmschaum ausgestopft und ihr die Haut abgezogen. Miriam Raneburger zeigt eine Serie an Polaroids, die sie mit selbst gebastelter Lochkamera gemacht hat.
Kollektiv Graukarte
In der Tat diverses Kultur- und Unterhaltungs-programm bietet auch die CuntRa - la Kunsthure in der Jakoministraße, Graz, gleich ums Eck vom barprojekt.
Die Reminiszenzen an die Riot Grrrl Bewegung beschränken sich auf Details in der Ausstattung. Auch in einer frei- stehenden Badewanne ohne Wasser im Lokal sitzen abends Menschen und plaudern.
Die Fotografin Miriam Raneburger hat die Grafische in Wien absolviert und auf der Suche nach einem Atelier die "Graukarte" vor vier Monaten gleichermaßen gefunden wie mitbegründet. Nächste Woche hat das Kollektiv bereits die nächste Vernissage, im kleinen Feinkostladen Mild in der Stubenbergergasse hat genau ein Bild von jeder und jedem der jungen FotografInnen Platz. Zu belegten Brötchen und Bratlfett serviert DJ Bernstein noch Platten.
Von Konkurrenz zu sprechen wäre fehl am Platz. "Wir sind gescheiter und vernetzen uns", sagt Ferdinand Oberbauer. Für ihn sind die momentanten Initiativen kein kurzes Aufflackern. Für die Papierfabrik ist ein längerfristiger Mietvertrag in Aussicht. Dann will Oberbauer sein Live-Elektro-Projekt Abbondanza wieder aufnehmen und findet vielleicht Zeit, wieder Instrumente zu bauen. Eigenbau, das versteht sich von selbst.