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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

29. 2. 2012 - 14:35

Champions of Lybia

Der bulgarische Fußballverein CSKA Sofia hat seinen ersten Titel im neuen Jahr gewonnen.

Exaltierte Mengen, ein Empfang eines europäischen Fußballspitzenreiters und ein Meer von stolz im Wind wehenden Fahnen. Das ist etwas, was bulgarische Fußballklubs schon lange nicht mehr erlebt haben. In den letzten Jahren stürzten sie sich immer mehr in die Mittelmäßigkeit und schieden immer wieder in früheren Runden der europäischen Fußballwettbewerbe aus. Die Stadien in Bulgarien werden von immer weniger Menschen besucht und das Niveau der bulgarischen Liga ist grauenvoll.

Trotzdem haben die Spieler der bulgarischen Rekordmeister CSKA Sofia etwas zu feiern. Letzte Woche sind sie Meister von ... Libyen geworden. CSKA hat als erster ausländischer Sportclub die zweitgrößte libysche Stadt Bengasi nach dem Bürgerkrieg in Libyen besucht. Dort spielten die „Armeer“, wie sie in Bulgarien bekannt sind (CSKA ist eine Abkürzung für „Zentraler Sportklub der Armee“, obwohl die bulgarische Volksarmee schon lange nicht mehr existiert und CSKA schon lange nichts mehr etwas mit der Armee zu tun hat) ein Turnier mit den zwei größten Vereinen in Bengasi, Al-Nasr und Al-Ahli, und bekamen nach einem Sieg und einer Niederlage den „Pokal der Märtyrer des 17. Februars“.

CSKA Sofia

ESAM OMRAN AL-FETORI/REUTERS

Zehntausende Menschen verfolgten das Turnier im Stadion und Millionen im Fernsehen. Es war das erste Sportereignis in Libyen nach dem Sieg der Rebellen gegen das Gaddafi-Regime und wurde zu Ehren der Opfer der Proteste in Bengasi organisiert.

Die Spieler von CSKA wurden am Flughafen von Tausenden begrüßt, die libysche und bulgarische Flaggen hoch in die Luft hielten. In der gleichen Stadt - Bengasi - wurden nur einige Jahre zuvor bulgarische Flaggen verbrannt. Grund dafür war die Anklage gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt, die angeblich im Auftrag der CIA Hunderte von Kindern vorsätzlich mit dem HIV-Virus infiziert haben. Laut der verbreiteten öffentlichen Meinung wurden die Krankenschwestern aus Bulgarien als Sündenbocke genutzt, um die mangelnde Hygiene im libyschen Krankenhaus zu vertuschen. Dazu äußerte sich unter anderem der Entdecker des HI-Virus Luc Montagnier.

Angeklagte Krankenschwestern und ein Arzt beim sogenannten "HIV Prozess" vor Gericht

EPA

Die Krankenschwestern wurden zum Tode verurteilt und auf wundersame Weise nach neun Jahren Haft und Folter nach persönlicher Vermittlung des französischen Präsidenten Sarkozy und seiner damaligen Ehefrau Cecilia freigelassen. Es ist bis heute immer noch unklar, auf was für einen Deal sich die französischen und die bulgarischen Behörden mit Gaddafi eingelassen haben, um die Freilassung der Krankenschwestern zu ermöglichen.

Es ist auffallend, dass einige der heutigen Rebellen in Bengasi, die CSKA (weil sich nie ein echter europäischer Spitzenreiterclub auf so ein Turnier einlassen wird) nach Libyen eingeladen haben, zu den Hauptanklägern gegen die Krankenschwestern gehörten. So schnell kann sich das Blatt wenden.

Nach der „sanften Revolution“ von 1989 blieb in Bulgarien die Macht in den Händen der ehemaligen Staatssicherheit - in Medien, Wirtschaft und Politik. Diese Leute bereiteten den Wandel vor und schwebten auf dessen Wellen, in dem sie die ganze Schuld für kommunistische Verbrechen in die Schuhe des Diktators Zhivkov schoben. Ob es in Libyen genauso sein wird, kann noch niemand sagen. Vielleicht ist das der natürliche Prozess der Demokratiesierung – der Dreck wird verborgen und der Schaum kommt nach oben. Ich drücke den Libyern die Daumen, dass ihr Weg zur echten Demokratie nicht so lange sein wird wie der bulgarische.