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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

28. 2. 2012 - 15:01

Fußball-Journal '12-6.

Upgegraded - wie ein zufälliges Hoch der Legionäre die Krise der Bundesliga vertuscht und welche Gefahr fürs Nationalteam entsteht.

So wie in den Vorjahren - das war das Fußball-Journal '11 - gibt es auch heuer wieder ein Fußball-Journal '12, welches die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das Umfeld begleitet.

Extras: nach dem Afrika-Cup-Journal '12 kommt im Juni ein Special zur Euro, im Sommer ein Journal zu dem London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches und anlass-bezogenes Journal 2012.

Heute mit einem Blick auf die aufgehende Schere: Legionäre hui, Bundesliga pfui.

Siehe dazu auch Notizen zum Bundesliga-Auftakt, Teamchef Kollers Tanz um die Medienlogik und die ausführlichste Legionärs-Info Österreichs.

Dass aktuell sowohl Öffentlichkeit und Medien als auch die Branche und das Nationalteam selber mit deutlich breiterer Brust und erhöhtem Selbstvertrauen auftreten, ist angesichts der Krise der Bundesliga auf den ersten Blick absurd. Denn eigentlich dürfte das wieder einmal in aller Breite aufgebrochene Salzburger Elend und der selbstzerstörerische Kurs der Austria Wien (wo Ivica Vastic eine spielerisch funktionierende Truppe auf sein Level an strategischer Mangelwirtschaft runterzieht) nicht spurlos an der Entwicklung des zentralen internationalen Aushänge-Schilds vorübergehen.

Vielleicht täuscht die okaye Position im UEFA-Ranking, die für die übernächste Saison einen zusätzlichen Startplatz bereithält, drüber hinweg. Dieser Platz 15 ist der brauchbaren Salzburg-Performance des Herbsts, der Saison 09/10 und der aktuellen Schwäche der Ligen von Schottland, Tschechien oder Rumänien zu verdanken und auch der Tatsache geschuldet, dass sich Salzburg, aber auch die Austria in den letzten Jahren auf internationaler Ebene wahrhaftig mehr angestrengt hatten als im heimischen Bewerb.

Das führte traditionell zu einer Lähmung der Bundesliga im die Spitzenteams überfordernden Herbst. Dass diese Ödnis aktuell auch den Frühjahrsstart überfällt ist neu und ein Alarmsignal.

Die Legionärs-Community im kollektiven Hoch

Aufgewogen wird die Liga-Krise durch ein vielleicht zufälliges Zusammentreffen von Hochs in der Legionärs-Gemeinschaft, die sich aktuell in Pörtschach zusammengefunden hat. Denn bei den Österreichern bei Vereinen im Fußball-Ausland hat sich innerhalb der letzten Wochen eine wahre Hausse eingestellt.

  • Harnik ist der Mann der Stunde in der deutschen Bundesliga.
  • Alaba spielt stamm bei Bayern, Dragovic besiegt sie in der Champions League.
  • Janko trifft in jedem Spiel für den Euro-League-Titelhalter Porto.
  • Junuzovic hat sensationell eingeschlagen und zieht bei Werder auch gleich Arnautovic mit ins Hoch.
  • Pogatetz und Fuchs werden als Führungsspieler ihrer Teams gehandelt und sind in der Europa-League ordentlich unterwegs.
  • Nach Kavlak und Dag sind jetzt auch Pehlivan und sogar Kayhan Stammspieler bei ihren türkischen Vereinen.
  • Garics ist nach langwieriger Verletzung zurück bei Bologna.
  • Sogar Robert Almer wird wieder eingesetzt.

Praktisch alle ins ÖFB-Team berufene Legionäre sind also aktuell gut dabei - und zwar nicht irgendwo, sondern in der europäischen Spitze. Zwar sind gerade Pogatetz und Kavlak (wie schon Scharner und Prödl davor) verletzt ausgefallen für den morgigen Test gegen Finnland, trotzdem werden wohl sieben, acht, neun Akteure auflaufen, die bei wirklich guten internationalen Adressen spielen; und das entsprechende Selbstbewusstsein mitbringen.

Optimaler Zeitpunkt zur Installierung einer Spiel-Philosophie

Deshalb die momentan so siegesgewisse Stimmung. Man fühlt sich ungegraded, aufgewertet, ernster genommen. Janko bei Porto und Juno bei Werder unterzubringen, das macht was her. Drago und Alaba in Hauptrollen eines echten Champions League-Thriller zu sehen - wow! Harnik, Pogatetz, Fuchs als Stammgäste im Team der Runde, aller Ehren wert.

In diesem Klima fällt es der neuen Führungscrew rund um Marcel Koller und seinen pfiffigen Co Fritz Schmid dann auch nicht ganz so schwer, die neue schon in der Ukraine angedeutete Philosophie zu implementieren.
Wegen der Schwäche der Bundesliga, die Koller rein höflichkeitshalber abstreitet, die auch eine Schwäche der Strategie (Austria), des Systems (Salzburg) und des Selbstvertrauens (aktuell Rapid und Sturm) ist, kann ein solcher Lernjob auch nur von Spielern durchgeführt werden, die in ihrem Arbeitsalltag nicht auf dumpfe Reaktion im Vastic-Stil, sondern auf einen agiernd-kreativen Ansatz setzen.

Soll heißen: Es wird an den neuerdings in ihren Karrieren upgegradeten Legionären hängen, ob sich das ÖFB-Team in Richtung Europa entwickelt. Blöderweise gibt es dann die gesamte restliche Saison über kein weiteres gemeinschaftliches Gathering dieser Truppe um die neu erarbeitete Philosophie in der Praxis zu üben. Und im September kann es für Alaba und Junuzovic, für Janko und Fuchs schon wieder anders ausschauen: Fußball ist schnelllebig, verletzt oder außer Form ist man bald.
Und: das aktuelle Hoch wird so nicht über Jahre hinweg konservierbar sein.

Bleibt das Problem der hochgerechneten Erwartungshaltung

Insofern täte ein wenig Realismus allen gut. Glücklicherweise sind die Erwartungen (dank der letzten ÖFB-Jahre berechtigterweise) nicht allzu hoch. Eine, den aktuellen Befindlichkeiten entspringende und nicht komplett unmögliche, Vorstellung ausgesuchter Brillanz im morgigen Test gegen Finnland, ein womöglich überzeugender Erfolg, könnte diese natürliche Zurückhaltung allerdings auch in eine grenzdebile Euphorie verwandeln. Und für die WM-Quali ab September die Latte in absurde Höhen treiben.

Falls das passieren sollte, wäre der Hinweis auf die Lage der Liga umso bedeutender. Denn dan,n wenn die aktuell in die Business Class umgesetzten Jungstars vielleicht wieder nur Economy kriegen, wären es die Akteure aus der Liga, die für eine stabile Basis dahinter sorgen müssten. Und aus denen ist, pardon, vor allem in der Offensive aktuell keine international kompetative Mannschaft destillierbar.

Allein aus diesen Gründen hielte ich eine dezente Steigerung zum Ukraine-Spiel mit einem knappen Erfolg gegen nicht zu unterschätzende Finnen für deutlich wertvoller.