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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

28. 2. 2012 - 14:12

Geständnisse eines Skunk-Sekret-Essers

"Skunk", der Debüt-Roman von Justin Courter, erforscht seltsame Fetische. Und natürlich das Leben.

Schön ist's, wenn Plattenlabels oder auch Verlage nicht zuvorderst aufgrund von großem Profitdenken, sondern aus Liebe zur Sache das Licht der Welt erblicken. Die Geschichte des noch jungen Hablizel Verlags baut auf ähnlicher Legende: Weil den Machern des Verlags der Debüt-Roman des New Yorker Autors Justin Courter so gut gefallen hat, jedoch nicht auf Deutsch vorlag, musste die Angelegenheit selbst geschaukelt und ein Verlag gegründet werden. Ende letzten Jahres ist "Skunk" in der deutschen Übersetzung von Stephan Glietsch - wie alle Bücher des Hauses übrigens wunderhübsch aufgemacht - im Hablizel Verlag erschienen. Ein Buch, das schon im Titel klar macht, wovon die Rede sein wird.

"Vor gerade mal drei Jahren habe ich mich endlich entschlossen, mir einen eigenen Skunk anzuschaffen. Zuvor hatte der Skunk-Geruch mich lange zaghaft umworben. Stieg mir auf der Landstraße die Witterung eines Stinktiers in die Nase, fuhr ich sofort rechts ran und blieb mit heruntergelassenen Fenstern im Wagen sitzen - manchmal stundenlang. Tief inhalierend ließ ich meine Gedanken schweifen und gab mich den Tagträumen hin, die der Duft des Skunks in mir weckte. Häufig packte ich mir ein Lunch-Paket ein und widmete meinen Sonntag einem dieser Ausflüge. Aber ich sehnte mich, dem Genuss des Stinktiergeruchs zu frönen, wann immer ich Lust dazu verspürte."

Justin Courter

Justin Courter

Justin Courter

Damien Youngquist ist ein Einzelgänger. Durchschnittlich gut aussehend und unscheinbar erfüllt er seine Arbeit in mittlerer Position bei einer nicht näher definierten Firma pünktlich und zufriedenstellend. Sein Fetisch für das Sekret des Stinktiers jedoch wird immer intensiver. Genügte ihm zunächst der vage Duft, hält er sich nach nur kurzer Zeit schon eine ganze Skunk-Familie im Garten und tropft sich den geliebten Nektar als Aphrodisiakum ins Essen. In der Garage züchtet er Käfer und Ameisen als Futter für seine Tierchen. Irgendwann - der Geruch hat freilich auf ihn abgefärbt - wird Damian gebeten, seinen Job ab jetzt doch bitte von zuhause aus zu erledigen. Die Hauptfigur von "Skunk" wird immer mehr zum Einsiedler; der auch vorher schon kaum üppig vibrierende Kontakt mit der Außenwelte auf ein Minimum heruntergeschraubt - bis Damian auf die - kaum für möglich gehaltene - Liebe trifft: Eine Frau mit ähnlich merkwürdigen olfaktorischen Vorlieben.

"Diese Nacht hatte ich schreckliche Probleme einzuschlafen. Diese Frau strahlte etwas seltsam Fesselndes und Vertrautes aus. Jeder der sich im Supermarkt in Bademantel und Hausschuhen sehen lässt, und auch noch ganze Wagenladungen Dosenfisch kauft, bewahrt mit Sicherheit das eine oder andere hochinteressante Geheimnis."

Stinktier

Skunk

Pearl ist eine geniale Ozeanologin - längst schon hat auch sie ihr Haus zum einzigen Arbeitsort erklärt und sich ein Heim-Labor eingerichtet. Ihr Haus schmücken Aquarien, Eimer voller vor sich hin faulender Fischköpfe, ihre Martinis mischt sich Pearl mit Dorschleberöl an. Gemeinsam geben sich Damian und Pearl ihren Obsessionen - einmal Skunk, einmal Fisch - hin und schlittern durch ein Labyrinth von mit ihren Leidenschaften unvermeidbar einhergehender Abenteuern. Ähnlich wie vielleicht in einem Roman von John Irving oder Tom Robbins ist "Skunk" voller Spinnertheiten und Charaktere, deren Zeichnung schon als "schrullig" gelesen werden kann.

Skunk

Hablizel

"Skunk" von Justin Courter. Auf Deutsch von Stephan Glietsch, erschienen bei Hablizel

Mitunter grenzt das Debüt von Justin Courter an einen Science-Fiction-Roman, er erzählt von eventuell die Zukunft verändertem Seegras als Super-Bio-Nahrung und von Riesenfischen. Langweilig wird das nie. Die Idee des "Skurrilen" ist da und dort vielleicht eine Nuance zu überspitzt, insgesamt aber bleibt der Roman in einem möglichen, echten Leben verwurzelt und spürt nicht zuletzt der Frage nach, was denn nun Fetisch, Perversion und Sucht bedeuten und sein können. Es gibt ja alles, und wodurch konstituiert sich der Begriff des Normalen? Ein Buch mit herber Note - man muss ja nicht gleich ständig die Ausscheidungen des titelgebenden Tiers im geistigen Munde spüren - das vor einem zunächst möglicherweise abartig wirkenden Hintergrund vom Dasein von Menschen berichtet, ihrem Verhältnis zur "Gesellschaft", ihrem Wandel - sei er nun als Läuterung oder als Kapitulation zu verstehen.

"Als Pearl mir aufhalf und mich ins Haus führte, überkam mich ein Gefühl, das ich nur als Geborgenheit beschreiben kann. Ich war zögerlich, mich ihm vollständig hinzugeben, aber ich verstand, dass es die Verärgerung verdrängte, welche die Gesellschaft anderer Menschen und die Erkenntnis, wie erschreckend wenig Kontrolle man über die Umstände der eigenen Existenz hat, normalerweise hervorruft. Wenn ich jetzt auf das Leben zurückblicke, das ich geführt habe, bevor ich in die Klinik kam, sehe ich einen Blinden, der krampfhaft versucht, sein Leben so zu organisieren, dass er einen Außenstehenden damit täuschen kann - und womöglich sogar sich selbst."