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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

27. 2. 2012 - 18:27

More Charlize, pleaze!

In "Young Adult" beweist Charlize Theron erneut, dass sie zu den großartigsten Schauspielerinnen ihrer Generation gehört. Eine Liebeserklärung.

Als ich sie das erste Mal auf der Leinwand sehe, Ende der Neunziger, in Woody Allens köstlicher Promizirkus-Persiflage "Celebrity", ergeht es mir wie ihrem filmischen Gegenüber Kenneth Branagh. Ich bin einfach hingerissen.

Der unglaubliche Charme, den Charlize Theron in einer Nebenrolle als hedonistisches Model aufblitzen lässt, ihr spezielles Charisma, die Art und Weise wie sie den großkotzigen Protagonisten völlig überrollt, all das nimmt mich gefangen. Sofort suche ich in der Videothek nach weiteren Filmen der jungen Actrice.

The Devils Advocate

Warner Bros

Im eigentlich völlig vergessenswerten Beelzebuben-Schocker "The Devil's Advocate" taucht eine ganz andere Charlize auf. Als in die Depression getriebene Ehefrau eines jungen Staranwalts flackern Abgründe in ihren verheulten Augen auf. Weder Al Pacino noch Keanu Reeves bleiben mir von dem Streifen in Erinnerung, nur das traurige Wegdriften der Charlize Theron.

Die gebürtige Südafrikanerin schafft es in Folge immer wieder, höchst nebensächliche Filme mit ihrer Präsenz zu veredeln. Sogar das infantile Monsterepos "Mighty Joe Young", der mittelmäßige Science-Fiction-Thriller "The Astronauts Wife" und die John Irving-Schnulze "The Cider House Rules" werden durch sie irgendwie sehenswert. Es sind aber Meisterregisseure wie Woody Allen oder James Gray, die Charlize Theron den Spielraum geben, zu betören, zu berühren und mitzureißen.

Young Adult

Paramount

Zwischen den Welten

Im ziemlich grandiosen Gangsterepos "The Yards" trifft Charlize Theron in den desolaten Hinterhöfen von Brooklyn auf Mark Wahlberg und Joaquin Phoenix, mehr als eine größere Nebenrolle ist auch in diesem Film nicht drin, aber sie holt auf unaufdringliche Weise ein Maximum heraus.

Trotzdem bleiben viele Kritiker skeptisch, Theron scheint von ihrer abgebrochenen Karriere als Tänzerin und Model verfolgt zu werden, ihre Schönheit steht ihr bei der strengen Cineastenpolizei im Weg. Erst als sie in dem 2003 veröffentlichten White-Trash-Drama "Monster" zur abgefuckten Serienmörderin mutiert, bekommt sie die verdiente Aufmerksamkeit. Mehr noch, für ihre beklemmende Darstellung der zum Tode verurteilten Aileen Wournos wird Charlize Theron mit dem Oscar gekrönt.

Head In The Clouds

tobis

Nach "Monster" kann sich die Schauspielerin ihre Parts aussuchen, sie wechselt leichtfüßig zwischen Blockbuster-Action ("Hancock"), Glamour ("Head In The Clouds") und Sozialrealismus ("The Burning Plain"), riskiert auch gewaltige Flops, engagiert sich für kontroverse politische Themen und vertritt gleichzeitig eine berühmte Parfümmarke in Kampagnen.

Es ist dieses Pendeln zwischen den Welten, das Charlize Theron so besonders macht. Ihr Trademark-Lächeln macht sich zwar perfekt in einschlägigen Frauenmagazinen. Dann begeistert sie aber, Lichtjahre entfernt vom spießigen Ernst mancher Hollywood-Kolleginnen, in tatsächlichen und gefakten Interviews mit einem Witz, der öfter mal die Grenze zur Derbheit überschreitet. Gleichzeitig kommt kaum ein Portrait der Oscargewinnerin ohne die Erwähnung aus, dass ihr alkoholkranker, gewalttätiger Vater von der Mutter in Notwehr erschossen wurde, in Anwesenheit der kleinen Charlize.

Monster

3L Filmverleih

Umdrehung der Klischees

In "Young Adult" darf Charlize Theron jetzt viele ihre Facetten kollidieren lassen, das Existentielle prallt auf das Oberflächliche, die Tragik auf den Humor, der Dior-Glitzer trifft auf den Schmuddelchic von Frotteetrainingsanzügen.

Die Figur, in der all diese Seiten zusammenkommen, heißt Mavis Gary, ist Mitte Dreißig, sieht blendend aus und finanziert ihr chices Appartment mit Bestseller-Romanen. Wie so oft trügt aber der schöne Schein. Mavis taumelt gelangweilt von einem One Night Stand zum nächsten, zählt die ersten Falten, säuft aus Frust, weil sie als Ghostwriter doch bloß kitschige Teen-Novels für andere schreibt.

Young Adult

Paramount

Als sie via Mail erfährt, dass ihr einstiger Highschool-Lover Vater geworden ist, beschließt Mavis ihrem verhassten Geburtsort in der amerikanischen Provinz einen Besuch abzustatten. Und nicht nur das. Vielleicht, denkt sich die frisch geschiedene Auftragsautorin, ist der fesche Buddy ja doch noch in sie verliebt, trotz Frau und Kind.

Diablo Cody, die nach "Juno" hier wieder mit Regisseur Jason Reitman zusammenarbeitet, wird als Drehbuch-Spezialistin für Freaks & Geeks gehandelt. Das erfrischende an "Young Adult" ist aber endlich einmal die Umdrehung der Klischees. Codys neueste Antiheldin ist eben keine nerdige Außenseiterin, sondern eine ehemalige Cheerleader-Prinzessin, die den Sprung in die mondäne Großstadt schaffte. Eine clevere, abgefeimte, verführerische Frau, die dennoch in einer gewaltigen Krise steckt.

Young Adult

Paramount

Kompromisslose Charakterstudie

Die zwiespältige Rolle ist Charlize Theron auf den Leib geschrieben. Wo andere aus Mavis Gary wahrscheinlich eine hassenswerte Karikatur machen würden, verleiht sie der Figur Tiefe, Substanz und Glaubwürdigkeit.

Aber auch Regisseur Reitman liefert den gelungensten Film seiner Karriere. Denn wo seine bisherigen schwarzen Komödien immer ins Versöhnliche abgebogen sind, kollidiert hier der Humor mit einer Schmerzhaftigkeit, die man gar nicht erwartet hätte. Eine herrlich kompromisslose Charakterstudie, getarnt als Mainstream-Romcom.

Charlize Theron in "Young Adult"

paramount

Von der Dramaqueen zur Komödiantin zur diabolischen Fädenzieherin: Demnächst sehen wir Theron als böse Königin, die es in "Snow White & The Huntsman" auf die Titelheldin abgesehen hat. Auch in Ridley Scotts Alien-Comeback "Prometheus" wird sie als hinterlistige Konzernmanagerin ihre dunkle Seite zeigen. Und in "Mad Max: Fury Road", der lang erwarteten Rückkehr zur legendären Apokalypse-Saga spielt sie an der Seite des fantastischen Tom Hardy.

Wohl nicht nur mein Fanherz klopft heftig bei diesen Vorankündigungen. Mehr Charlize, please.