Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Facebook-Games"

Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

22. 2. 2012 - 16:31

Facebook-Games

Kühe klicken, Hunger bekämpfen, SOPA stoppen: Webgames zwischen Satire, Täuschung und Aktivismus.

Als der Videospiele-Forscher Ian Bogost im Sommer 2010 seine App "Cow Clicker" veröffentlichte, horchte die Games-Welt auf. "Cow Clicker" war ein Facebook-Spiel über Facebook-Spiele - teils Satire, teils spielbare Theorie zum wachsenden Genre der Social Network Games. "The making of obsession" betitelte Wired einen Artikel über das Game, nachdem Bogost in Interviews und Vorträgen immer wieder betont hatte, dass auch die durch das Spiel selbst erschaffene Besessenheit zu seinem Forschungsgebiet gehöre.

Ian Bogost

Tatsächlich spiegelte der geniale Querdenker mit "Cow Clicker" mehrere Facetten von Social Network Games wider - indem er sie auf das Wesentliche reduzierte: Man erhält eine Kuh. Man kann darauf klicken. Nach sechs Stunden Wartezeit darf man erneut klicken. Durch Klicken der Kuh verdient man Klicks. Man kann "Premium Cows" kaufen. Bezahlt wird in der Spielwährung "Mooneys", die für Facebook-Credits erworben wird. Mit "Mooneys" lässt sich aber auch das Sechs-Stunden-Zeitlimit umgehen, sprich: Man darf öfter klicken. Auf die Pinwand kann man Nachrichten über Klicks posten. Freunde können die Nachrichten über die Klicks klicken. Wer am meisten Klicks sammelt, scheint in der wöchentlichen Highscoreliste auf.

Ian Bogost

Ian Bogost

Bogost entwickelte sein satirisches Forschungsprojekt für einige Monate weiter und für viele Facebook-User wurde es zur Leidenschaft. Der Ludologe selbst war überrascht davon, wie hartnäckig einige seiner User waren: "Ich tue mein Bestes, die Spieler zu behindern und ihre Wünsche nicht zu erfüllen - aber sie finden immer einen Weg, Cow Clicker trotzdem zu genießen." Einen Teil der Einnahmen aus seinen virtuellen Kühen spendete Bogost eigenen Angaben zufolge an Entwicklungshilfe-Organisationen.

Geschätzte 200 Millionen Menschen spielen regelmäßig Games auf Facebook. Neben den Social Network Games, deren Funktionsweise Ian Bogost in "Cow Clicker" gekonnt persiflierte, finden sich auf der Website aber auch viele traditionelle Browsergames - vom Webpublisher Silvergames etwa übersichtlich zusammengefasst in sogenannte "Collections": Diese haben oft ungewöhnliche Themen wie zum Beispiel "Zombie".

VladG, Max & Alexander Balint

In der Zombie-Abteilung findet man Juwelen wie das Spiel "All We Need Is Brain". Da die Untoten bekanntlich am liebsten die Gehirne der Lebenden verspeisen, hat man im Spiel die Aufgabe, ein Gehirn so in der Landschaft abzulegen, dass ein Zombie beim Versuch es zu erreichen stirbt. Bei steigendem Schwierigkeitsgrad knobelt man sich so durch Friedhöfe und dunkle Gassen.

Super SOPA Brothers

Eine weitere "Collection", die auf Facebook zu finden ist, heißt: "Mario". Das ist eine Sammlung von Browsergames, die dem Nintendo-Maskottchen Tribut zollen - etwa mit "Super SOPA Bros", einer "Super Mario Bros"-Variante, in der sämtliche Spielfiguren durch schwarze Balken mit der Aufschrift "Censored" ersetzt wurden.

NoNanLabs

In der Collection "Music" gibt es Juwelen wie Bloblobs "Take A Walk": Ein trauriger Mann mit Kopfhörern verlässt das Büro und spaziert durch die triste Stadt. Der elegante Minimalismus der Bleistift- und Tintenzeichnungen erinnert an schwarzweiße Indie-Comics, die Klaviermusik verstärkt das sentimentale Ambiente.

Bloblob

Je länger man ohne Zusammenstoß durch die Szenerie wandert, umso schöner wird sie – bei einer Kollision heißt es Rückwärtsgang einlegen, wobei auch der wunderbare Soundtrack verkehrt abgespult wird. Dieses Kleinod eines Browsergames ist in einer Viertelstunde geschafft, den Abspann genießt man dann während die Spielfigur unter einem Baum im Grünen sitzt.

Man findet auf Facebook grandiosen Unfug wie Games, die dem Internet-Meme "Nyan Cat" Tribut zollen. Das Spiel "Nyan Cat Lost In Space", die "Mexican Nyan Cat" oder die "Nyan Cat 3D".

Nyan

Diese bizarren kleinen Spiele, die in Facebook präsentiert werden, unterscheiden sich also nicht von jenen Flashgames, die auch auf anderen Websites zu finden sind. Oder anders ausgedrückt: Nicht jedes Spiel, das man auf Facebook finden kann, ist ein "Social Network Game" mit jenen Merkmalen, die Ian Bogost in "Cow Clicker" so gekonnt persiflierte.

Von "Friend Game" zu "Farm Ville"

Der weit verbreitete Irrtum, dass "Facebook-Spiele" gleichzusetzen wären mit Social Network Games entstand, weil die virale Verbreitung von Spielen auf Facebook schon in den Anfangstagen der Plattform stattfand: Im Jahr 2006 baute Bob Trahan eine App namens "Friend Game", ein Quiz das Usern Fragen über die eigenen Facebook-Freunde stellte und so die damals noch spartanische Website auflockerte. Davon inspiriert führte Mark Zuckerberg 2008 viele der heute bekannten Schnittstellen ein, die eine virale Verbreitung von Games begünstigten. Nichtsdestotrotz überraschte der Erfolg von Games auf der Plattform auch ihren Gründer, wie er Jahre später zugab. Entwickler jedenfalls nutzten die Programmierwerkzeuge, die Facebook bot, immer besser und der Grundstein für Massenphänomene wie "Farm Ville" war gelegt. Womit wir wieder beim Kühe klicken wären.

Ian Bogost

Social Network Games, irrtümlich oft als "social games" bezeichnet, verfügen zwar über Multiplayer-Features, interagiert wird mit den anderen Spielern aber asynchron: Man löst Aufgaben mit Hilfe anderer Spieler, ohne dass diese gleichzeitig online sein müssen. Die Gemeinsamkeit beschränkt sich auf hilfreiche Klicks und Geschenke. Typische Facebook-Funktionen wie Einladungen, Wall-Posts, Likes und Kommentare werden gekonnt von den Spieleprogrammierern eingesetzt, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Der daraus resultierende, oft lästige Games-Spam kann deaktiviert werden, doch das hat Spielehersteller wie den Marktführer Zynga nicht gestoppt, Millionen User zu locken: Der bisher erfolgreichste Hersteller von Social Network Games betreibt Spiele wie "Mafia Wars", "Farm Ville" und "City Ville". Nach jahrelanger Marktführerschaft setzt ihm allerdings seit einigen Monaten der alteingesessene Entwickler und Publisher Electronic Arts schwer zu: "Die Sims Social" ist derzeit mit 40 Millionen Spielern das zweitpopulärste Facebook-Game, hinter dem von 50 Millionen Menschen gespielten "City Ville".

Das Interesse steinreicher Firmen wie EA kommt nicht von ungefähr: Facebook-Credits, die für US-Dollars erworben werden, dienen in den Spielen zum Kauf von Extra-Features, Bonusgegenständen oder Extra-Spielzeit - das umstrittene "Pay-To-Win"-Modell hat sich also zumindest auf Social Networking Websites marktbeherrschend durchgesetzt.

Gaia

Im Vorjahr betrug der Umsatz mit Spielen in Facebook 1,4 Milliarden Euro, für heuer sind 2 Milliarden Euro prognostiziert. Die freilich noch höheren Umsätze durch Werbung sind dabei nicht mitgerechnet. Facebook-Games sind ein Milliardengeschäft, obwohl sie gratis gespielt werden können. Facebook bereichert aber auch die Indiegames-Kultur: Schnittstellen wie "Facebook Connect" bzw. deren Nachfolger, das "Open Graph Protocol" helfen, Webgames auf beliebigen Servern mit den sozialen (bzw. viralen) Funktionen von Facebook zu verbinden. Mit Hilfe der Credits können die Entwickler relativ rasch Geld verdienen, ohne die Rechte an ihrer Idee an einen der Majors abgeben zu müssen. Wenn dabei infantiler, aber hochkomplexer RPG-Wahnsinn wie "Monster Galaxy" entsteht, ist das schon eine gute Sache.