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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

23. 2. 2012 - 16:00

Zombie-Mama braucht Weizenkeim-Peeling

"Ich will schlafen!" von Helen Walsh.

Cover des Buchs Ich will schlafen!

KiWi Verlag

Helen Walsh: "Ich will schlafen!" (aus dem Englischen übersetzt von Maria Hummitzsch), Kiepenheuer & Witsch, Februar 2012

"So rührend, knallhart und realistisch ist über Geburt und Mutterschaft noch nie geschrieben worden", schreibt Charlotte Roche über "Ich will schlafen!" und sitzt einem weit verbreiteten Irrtum auf. Jenem Irrtum, dass es eine Form der Mutterschaft gäbe, eine wahre Realität. Dabei hätte Helen Walsh die Roche'sche Lobhudelei gar nicht nötig: Bei ihr ist das riesige Mutterschafts-Ding, wie sie es nennt, ein lebender Alptraum und unerreichbarer Wunschtraum.

Nun gilt es, sich den Alptraum vom Leib und gegen den Wunschtraum anzuschreiben. Um so etwas wie realistische Mutterschaft geht es Helen Walsh dabei gar nicht, sie erzählt eine Geschichte. Ihre Geschichte.

Liest man die Artikel von Helen Walsh über ihre eigene Mutterschaft zeigt sich, sie und ihre Romanfigur Rachel sind praktisch deckungsgleich. Wie bereits in ihrem Debütroman Millie sind auch in "Ich will schlafen!" die autobiographischen Teile des Texts am packendsten.

Ein waches Baby ist ein schlechtes Baby

Portraitfoto der Autorin Helen Walsh

Jenny Lewis

Als "Brass" 2004 in Großbritannien erschienen ist, waren alle geschockt: da hat sich eine 27-Jährige aus Liverpool die Erfahrung von Drogen, Sex und Parties vom Leib geschrieben und zwar so, wie ihr der dreckige Mund gewachsen ist. Als das Buch auf deutsch unter dem Titel "Millie" erschienen ist, hat Helen Walsh in einem Interview gesagt, ihre Jugend sei vorbei. Mittlerweile lebe sie abstinent. Und am Land.

Fast körperlich vereinnahmend beschreibt Helen Walsh die ersten Wochen nach der Geburt. Rachel merkt, was ihr genommen wurde, aber nicht, was sie bekommen hat. Walsh veranschaulicht diese Phase über das Offensichtlichste, den Schlafmangel, der Rachel in den Wahnsinn und bis zur totalen Apathie treibt. Sie lässt das schreiende Kind zu hause liegen und sich selbst in einer Bar vollaufen. Sie flößt sich und dem Kind Schlafmittel ein. Sie führt den Kinderwagen über eine dünne Eisschicht am Fluss, bis das Eis einbricht. Oder sie fantasiert das nur.

Rachel ist eine zweifelnd um sich schlagende Zombiemutter, die das Kind vor den eigenen Abgründen schützen muss, die einen Pakt schließen muss mit dem neugeborenen Wesen, einen Pakt für das Überleben oder was auch immer.

Die Zustände, die Helen Walsh beschreibt, sind existentiell. Sie handeln von der unheimlichen Verwandtschaft zwischen Tod und Geburt, zwischen Liebe und Schmerz, zwischen einer Mutter und ihrem Kind.

All das muss man aber eher hineinlesen in diesen holprig-polternd geschriebenen Roman und Worte wie "Pillepalle" in der deutschen Übersetzung sind dabei nicht gerade förderlich.
So kann man "Ich will schlafen!" auch einfach als die Geschichte einer Frau lesen, die ihren Exfreund wieder trifft, mit ihm den besten Sex ihres Lebens hat, schwanger wird, beschließt, den Kindesvater Kindesvater sein zu lassen und irgendwann von einem Straßenkind gerettet wird. Und deren haarsträubend plattes Happy End in einer Tube Weizenkeimpeeling liegt.