Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ein Drittel vom Mindesten"

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

22. 2. 2012 - 19:06

Ein Drittel vom Mindesten

Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der Diakonie über die Probleme mit der geringen Grundversorgung und den Umgang mit falschen Zahlen.

Dieses Facebook-Posting war der Auslöser der Debatte um falsche Zahlen und die Versorgung von Asylwerbern.

Durch die Falschrechnungen von Heinz Christian Strache ist die Versorgung von Asylwerbern wieder in die Öffentlichkeit gerückt. Christoph Riedl vom Flüchtlingsdienst der Diakonie über das wirkliche Leben mit fast keinem Geld.

Wenn man solche Zusammenstellungen liest und tagtäglich mit der wirklichen Situation konfrontiert ist - was geht da in einem vor?

Es erscheint schon sehr absurd. Gerade wir NGOs fordern eigentlich seit vielen Jahren, dass es zu einer Gleichstellung von Asylsuchenden in der Grundversorgung mit Mindestsicherungsempfängern kommen soll. Weil wenn man davon ausgeht, dass die Mindestsicherung das ist, was man mindestens zum Leben braucht, dann kann es eigentlich nicht sein, dass ein Asylsuchender mit einem Drittel davon auskommen muss. Und es ist tatsächlich so: es ist ungefähr ein Drittel der Mindestsicherung, was jemand bekommt, der privat wohnt und in der Grundversorgung ist.

Habt ihr die erste Version des Flugblatts schon gekannt?

Ja, und wir haben uns damals auch den Spaß gemacht es nachzurechnen. Es wird halt immer vergessen, dass der österreichische Facharbeiter, wenn er tatsächlich der einzige Verdiener ist in der Familie, eine ganze Menge Sozialleistungen zusätzlich bekommen kann. Er hat Anspruch auf Wohnbeihilfe oder den Mehrkindzuschlag. In so einem Fall, wenn das Gehalt so wenig ist und er tatsächlich sechs Kinder hat, wahrscheinlich sogar einen Anspruch auf eine Richtsatzergänzung in der Mindestsicherung, weil das ja weit unter dem wäre, was die Mindestsicherung zahlen würde.

Arbeiten verboten

Peter Hacker vom Fonds Soziales Wien hat gemeint, dass das Grundproblem ja eigentlich ist, dass Asylwerber nicht arbeiten dürfen.

Ja, das ist wirklich ein großes Problem. Gerade Asylsuchende leiden oft wahnsinnig darunter, dass sie keine Möglichkeit haben, für sich selbst oder ihre Familie zu sorgen und auf Sozialleistungen angewiesen sind. Wir haben in Österreich nach wie vor das Problem, dass es zwar nach sechs Monaten theoretisch möglich sein müsste, dass Asylsuchende um eine Arbeit ansuchen können, aber es gibt nach wie vor den sogenannten Bartenstein-Erlass, der das verhindert. In diesem komplizierten Ersatzkräfteverfahren im Ausländerbeschäftigungsgesetz sind die Asylwerber einfach so weit hinten gereiht, dass sie niemals die Möglichkeit haben, einen Job zu bekommen – und das oft über Jahre, und das zermürbt oft wahnsinnig.
Als Erntehelfer oder im Tourismus als Tellerwäscher gibt es manchmal eine Möglichkeit, aber gerade bei Erntehelfern ist das auch sehr schwierig, weil die Landwirte ihre fixen Arbeiter haben, die jedes Jahr kommen. Die wollen oft gar keine neuen und lassen sich auf Asylwerber als Arbeitskräfte gar nicht ein.

Wie geht man damit um? Man muss die Leute ja auch beschäftigen.

Wir legen in unseren Häusern schon sehr großen Wert darauf, dass wir eine sinnvolle Tagesbeschäftigung immer wieder anbieten können. Das sind kleinere Arbeiten am Haus, Mithilfe, alle möglichen Kurse – irgendwas, damit die Leute beschäftigt sind, um einfach eine Tagesstruktur zu geben. Nur: das funktioniert eine Zeit lang, aber irgendwann sind die Leute wirklich psychisch zerstört. Und wenn sie dann anerkannt werden, ist es oft eine große Herausforderung, sie dann noch in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Man sagt ja oft auch, dass diese Situation auch dazu beiträgt, dass manche anfällig werden für illegale Beschäftigungen.

Naja, wenn man überhaupt keine legale Möglichkeit hat, und das, was man als Zuschüsse bekommt, sehr sehr gering ist, dann ist es natürlich naheliegend, dass man versucht, sich das eine oder andere dazu zu verdienen, und das ist dann nicht immer legal.

Eine Wohnung um 220 Euro

Wie funktioniert das überhaupt: für 220 € Miete, die in der Grundversorgung vorgesehen sind, findet ja keine Familie eine Wohnung, geschweige denn eine achtköpfige.

Das ist das, was uns auch in der Beratung immer wieder zu schaffen macht: gerade wenn jemand noch nicht lange in Österreich ist und das System nicht kennt, stellt er sich oft vor, dass das schon irgendwie gehen wird. Man rechnet alles zusammen, was man als Geldleistungen bekommen kann; das heißt aber de facto: da wird Bekleidungshilfe und Schulgeld für die Kinder und vor allem das Lebensmittelgeld mit in die Miete hinein gerechnet und man glaubt dann, man muss halt sparsam sein beim Essen. Das fällt den Leuten dann oft nach sehr kurzer Zeit auf den Kopf: Wenn die erste Energieabrechnung kommt, dann sind sie oft hoch verschuldet. Es geht einfach nicht, man kann de facto mit 220 € keine Wohnung mieten in Österreich.

Das heißt, ihr ratet den Leuten eher dazu, in betreuten Heimen zu bleiben?

Ja, wenn nicht ganz klar ist, woher das Geld kommen kann, es nicht von irgendwo anders noch eine Unterstützung gibt oder vielleicht doch die Aufnahme einer Beschäftigung in Aussicht ist, raten wir eher davon ab, weil wir diese Gefahren eben kennen, weil die Leute es eben selbst oft nicht einschätzen können, wie weit das Geld dann reicht.

225 Schilling am Tag

Es ist ja auch die finanzielle Unterstützung für Leute, die in Gruppenunterkünften untergebracht sind, nicht rosig. Vierzig Euro Taschengeld im Monat ist ja auch nicht wahnsinnig viel.

Ja, es kommt noch darauf an, ob man Lebensmittelgeld bekommt und sich selbst versorgen kann. Das ist das, was natürlich beliebter ist, weil es die Selbstständigkeit erhält und man zumindest eine Beschäftigung hat, nämlich Einkaufen zu gehen und sich selbst oder in Gruppen etwas zu kochen. Aber das ist leider in der Grundversorgung auch oft nicht gegeben. Das sind oft wirklich noch Pensionen, Gastwirte, die dann dreimal täglich ein Essen auf den Tisch stellen. Das ist nicht nur von den verschiedenen Geschmäckern her sehr schwierig, sondern nimmt den Menschen oft auch jede Beschäftigung und Eigenständigkeit.

Wie kann man denn aus diesem Kreislauf der Hoffnungslosigkeit entkommen?

Der wichtigste Punkt wäre tatsächlich, Asylwerbern eine Beschäftigung zuzulassen. Bis dort hin ist es einfach dringend notwendig, die Tagsätze in der Grundversorgung anzuheben. Der Tagsatz für organisierte Unterkünfte stammt ja aus Zeiten, als es noch gar keine Grundversorgung gegeben hat, nämlich aus den alten Bundesbetreuungs-Zeiten, und das waren damals, vor mittlerweile fast 14 Jahren, 225 Schilling, das sind in etwa 16,40 €, und der Tagsatz heute liegt bei 17 €. Und damals haben uns schon die Wirte gesagt, dass sich das nicht ausgeht, dass man dafür vollwertige Mahlzeiten kocht, da muss man schon einmal den Salat weglassen oder sehr sparen. Mit Wertanpassung wäre man heute ungefähr bei 24 €.

Was sagt es denn über unser Land aus, wenn man so wenig bereit ist zu geben?

Da gibt es den schönen Satz „Man kann eine Gesellschaft immer daran messen, wie sie mit den schwächsten Mitgliedern umgeht.“ Und die Schwächsten sind mit Sicherheit die Asylsuchenden. Da wird angefangen, Rechte wegzunehmen und Versorgung streitig zu machen, und das ist schon ein sehr übles Spiel. Man muss sich ja immer fragen: Wer ist denn dann der Nächste? Es ist meistens nur der Beginn bei den Allerschwächsten, aber dann gibt es sicher die nächste Gruppe, auf die das dann auch Auswirkungen hat.