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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

21. 2. 2012 - 15:00

Touch und Tasten

Die PlayStation Vita vermengt mobiles Videospielen von damals und heute. Doch der Hersteller Sony scheitert am hohen Anspruch und schafft kein innovatives Gerät sondern eine tragbare Game-Konsole mit Identitätsproblemen.

1989 ist der allererste Game Boy auf den Markt gekommen und hat für viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ein völlig neues Videospielerlebnis für unterwegs eröffnet. Bis heute ist der Game-Boy-Hersteller Nintendo gut im Geschäft, doch seit die Firma Apple durch iPhone und Co. den tragbaren Spielkonsolen Konkurrenz macht, rinnt dem alten Platzhirschen die Marktherrschaft nach und nach durch die Finger.

Auch der Unterhaltungsriese und Nintendo-Rivale Sony hat seit 2004 ein tragbares Videospielgerät am Markt: die vor allem in Japan unter männlichen Teenagern beliebte PlayStation Portable (PSP). Acht Jahre und einige Iterationen später erscheint nun der Nachfolger der PSP, die PlayStation Vita. Auf den ersten Blick gleicht sie wegen des übernommenen "Super Oval Design" ihrer Vorfahrin bis in die transparente Schultertaste. Doch die Vita ist trotz optischer Ähnlichkeit mit weitaus mehr Funktionen und Bedienmöglichkeiten ausgestattet.

Drei weiße, junge Männer sitzen in einem Café und spielen mit ihren PS-Vita-Geräten.

Sony PlayStation

Spielerinnen kommen in den Werbesujets der PS Vita interessanterweise nie vor.

Design-Debakel

Sony präsentiert die PS Vita in Promotion-Spots und Werbungen als eierlegende Wollmilchsau. Die Fähigkeiten sind tatsächlich reichhaltig: Da gibt es die klassischen Tasten und Knöpfe, zwei Analogsticks, ein Touch-Display vorne und - innovativ - eine berührungssensitive Oberfläche an der Rückseite. Zusätzlich dazu hat die PS Vita zwei Kameras, ein eingebautes Mikrophon und Bewegungserkennung. Offensichtlich wollten die Designer die Vorteile von Smartphone und klassischer Game-Konsole vereinen. Das ist auch gelungen, doch die Anordnung der Bedienelemente ist missglückt. Die Tasten und die Oberflächen der PS Vita sind so nahe aneinander angeordnet, dass selbst kleinere Hände im Eifer des Gefechts Probleme mit der Steuerung bekommen. Entweder man hält das Gerät gut und fest in der Hand, verbiegt sich aber mit der Zeit die Finger, oder man hält es lose, kann dann aber nicht mehr präzise steuern.

Auch bei der Software hat sich Sony an der Smartphone-Konkurrenz bedient. Die lange Jahre bei PlayStation-Konsolen verwendete XrossMediaBar wurde bei der PS Vita zu Gunsten des App-Prinzips fallen gelassen. Das macht die Bedienoberfläche weitaus einladender und weniger technisch, führt aber auch dazu, dass die Software-Funktionen des Gerätes nun in viele kleine Einzelteile verstreut sind: hier die App für die Freundesliste, da die App für das Voice-Chat-Programm, und so weiter. Auf den ersten Blick sieht das alles aufregend aus, ist in der Bedienung aber unnötig umständlich.

Die PlayStation Vita mit der Desktop-Oberfläche und einigen Apps, als runde Icons dargestellt.

Sony PlayStation

Die Games werden wahlweise digital angeboten oder auf unsexy PS-Vita-Karten ausgeliefert, die nichts anderes sind als proprietäre SD Memory Cards. Apropos: Als Speichermedium für Download- und Medien-Inhalte erlaubt die PS Vita ebenfalls nur proprietäre PS-Vita-Speicherkarten, die wiederum microSD-Karten verblüffend ähnlich sehen.

Die ersten Spiele für die PS Vita sind durchwegs gut, aber wenig überraschend. Es gibt etwa neue Teile von bekannten Serien wie "Wipeout", "Uncharted", "Motorstorm", "Katamari" oder "Lumines" - also Autorennen, Action-Abenteuer, Geschicklichkeit und Rätsel. Nett, aber auch nichts Neues sind Augmented-Reality-Spielchen. Die kennt man schon vom im Vorjahr erschienenen Nintendo 3DS. In der Packung beigefügte Spezialkarten werden auf den Tisch gelegt, und durch die Kamera der Konsole sprühen aus ihnen dann etwa Feuerwerke oder es entstehen Fußballfelder. Zum Launch soll die "Augmented Reality Suite" gratis im PlayStation Store zum Download bereit stehen. Bei den Download-Spielen sticht der Indie-Titel "Escape Plan" positiv hervor, bei dem man einen traurigen, humanoiden Blob aus einer todgefährlichen Irrenanstalt lotsen muss. Hier kommen auch die vielen Features der Vita gut zum Einsatz, inklusive dem Klopfen auf die hintere Touch-Fläche.

Die schwarz/weiße Heldenfigur von "Escape Plan" steht vor einem Abgrund.

Fun Bits

"Escape Plan"

An der kurzen Leine

Die Konsolen-Konkurrenz von Nintendo und Microsoft ist um nichts besser, wenn es darum geht, die eigene Marke in den Mittelpunkt zu rücken und externe Technologien und Software möglichst außen vor zu halten. Sony schießt innerhalb dieser fragwürdigen Tradition aber trotzdem immer wieder den Vogel ab. Nirgendwo wird man so oft und so offensiv mit Verträgen, Lizenzvereinbarungen, Updates und Einschränkungen konfrontiert wie auf PlayStation-Konsolen. Bei der Vita gibt es etwa die Besonderheit, dass pro Gerät nur ein einziger PlayStation-Network-Account angemeldet werden darf. Alternative: komplettes Neuaufsetzen des Systems.

Die PlayStation Vita ist ein krampfhafter Versuch, es allen recht machen zu wollen. Vom Spielchen für zwischendurch bis zum ausgiebigen, epischen Abenteuer sollen alte Traditionen und neue Trends gleichermaßen in ein ultimatives Gerät für unterwegs gepackt werden. Doch die Vita ist mit Funktionen und Möglichkeiten überladen und wirkt trotz der technischen Raffinessen im Vergleich zu einem guten Smartphone oder Tablet träge - übrigens auch wegen der langen Ladezeiten, die selbst bei vermeintlich einfachen Aktionen und Programmen auftreten. Im direkten Vergleich mit dem konzeptuell ähnlich designten Nintendo 3DS, hat die Vita aus denselben Gründen das Nachsehen wie vor acht Jahren die PSP gegenüber dem DS: Das Gerät wirkt im Vergleich zur Nintendo-Klappkonsole zwar edler, aber auch verletzlicher und klobig. Zwar ist die PS Vita leichter als die PSP, dass aber Sony das Grunddesign nicht neu überdacht hat, ist in Anbetracht der ergonomischen Schwächen völlig unverständlich.

Das letzte Aufbegehren

Die PlayStation Vita kostet in der WiFi-Version 249 und in der 3G-Version 299 Euro und ist ab dem 22. Februar in Österreich erhältlich.

Möglicherweise ist die PS Vita die letzte Konsole einer Videospieltradition, die bald obsolet sein wird. Spezielle Spielgeräte für unterwegs und dazugehörige, teure Software, werden bei jedem Mal Stöbern durch Apples Appstore um ein weiteres Stück unattraktiver. Nintendo nimmt eine Sonderstellung ein, weil Marken wie "Super Mario" oder "Zelda" auch überholte Hardware-Konzepte mitverkaufen, aber auch das wird zunehmend schwieriger werden. Dass die Fans von Serien wie "Motorstorm" und "Uncharted" - bei aller spielerischer Qualität - so treu sind, dass sie eine hakelige Handheld-Konsole mit Identitätsproblemen finanzieren, darf jedenfalls bezweifelt werden.