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Hanna Silbermayr

Lateinamerika, Migration, Grenzen und globale Ungleichheiten

25. 2. 2012 - 13:04

Über den Unnutzen von Zäunen

Vor einem Jahr verkündeten griechische Politiker, einen Zaun an der Grenze zur Türkei bauen zu wollen, um die irreguläre Migration zu stoppen. Jetzt soll dieses Vorhaben Realität werden. Doch bringen Zäune denn etwas?

Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko

Hanna Silbermayr

Man wolle die illegale Migration stoppen, verkündeten die Griechen vor einem Jahr voller Elan. Dafür brauche man einen Grenzzaun nach US-amerikanischem Vorbild. Oder vielleicht orientiere man sich doch besser an jenen Zäunen, die zwischen Spanien und Marokko stehen. Und vielleicht vorerst doch nicht die gesamte Grenze zur Türkei. Besser nur das kleine Stück Grenzregion nahe Orestiada, das ist am stärksten vom Wanderstrom betroffen. Zurückrudern, um mit den Kritikern nicht allzu sehr in Konflikt zu geraten. Der Zaun soll gebaut werden, Punkt. Drei Millionen Euro wird das Projekt kosten. Die EU will für diesen Grenzzaun kein Geld locker machen. So will Griechenland das Projekt selbst finanzieren, trotz der schweren Krise, mit der das Land momentan zu kämpfen hat. Denn man wolle ja die illegale Migration stoppen.

Über das Leben und den Kampf irregulärer Migranten in Ceuta:
Tiger im Wald

Die Ausweglosigkeit, in der Griechenland steckt, lässt sich aus diesem Vorhaben herauslesen. Von der Europäischen Union größtenteils im Stich gelassen, weiß man sich nicht mehr anders zu helfen. Man ist bereit, Maßnahmen zu ergreifen. Maßnahmen, die sich in der Vergangenheit an anderen Orten der Welt als wenig zielführend erwiesen haben. Die Zäune um Ceuta und Melilla, den beiden spanischen Exklaven auf afrikanischem Kontinent, gibt es seit Mitte der 90er Jahre. Kein Zweifel, dort wo die Zäune stehen, sinkt die Zahl der illegalen Grenzübertritte. Anderswo aber steigt sie. Die Routen, über welche Menschen versuchen, nach Europa zu gelangen, werden gefährlicher.

Ein Mann schaut über den Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko.

Hanna Silbermayr

Griechenland und der Zaun

Wüsten, Flüsse, Meere. Sie werden überwunden, um das Ziel zu erreichen. In den vergangenen Jahren standen Spanien und Italien im Mittelpunkt des Geschehens. Das harte Durchgreifen von Seiten der Regierungen hat die irreguläre Migration in den Osten getrieben - an die Grenze Griechenlands. Jetzt will das krisengeschüttelte Land also auch seinen Zaun. Logisch, dass man sich bei diesem Vorhaben an der ganz ähnlich gelagerten Situation an der Südgrenze der USA orientiert.

Immerhin ist die Supermacht das Einwanderungsland schlechthin, und dort wird man schon wissen, wie mit solchen Gegebenheiten umgegangen werden soll. Allerdings scheint Griechenland in seiner Verzweiflung das Rundherum zu vergessen: Die USA erließen schon 1986 ein Gesetz, das der irregulären Migration ein Ende bereiten sollte. Eine großangelegte Legalisierung, Sanktionen am Arbeitsmarkt und die verstärkte Grenzsicherung sollten sie stoppen. Das brachte nichts.

US-amerikanische Grenzpatrouille auf der anderen Zeite des Zaunes

Hanna Silbermayr

Steigende Zahl an irregulären Migranten

Der Report (PDF) des Pew Hispanic Center gibt Aufschluss über die Zahl irregulärer Migranten in den USA

Zehn Jahre später griff man härter durch. Geld- und Haftstrafen, Massenabschiebungen und Einreiseverbot sollten potentielle Migranten abschrecken. Doch auch dadurch ließ sich das Problem nicht lösen, die Zahl der Migranten in irregulärer Situation in den USA stieg stetig an. Im Jahr 2007 erreichte sie Schätzungen zufolge ganze 11,8 Millionen. Erst 2008 sank die Zahl. Zum ersten Mal. Nicht etwa, weil die von den Vereinigten Staaten angewandten Maßnahmen so gut funktionierten. Nein, schlichtweg wegen der Wirtschaftskrise, meinen Experten.

Auch in Nordamerika verlagerten sich die Migrationsrouten. Von der überschaulichen Grenzstadt Tijuana im Nordwesten Mexikos nach Osten in die unwegsame Wüste von Sonora. Tote. Genauso wie in den europäischen Meeren. Doch nicht nur das. Die USA und die EU verschieben das Problem über ihre Grenzen hinaus. Es wird abgewälzt, an angrenzende Staaten. Nicht nur in Griechenland wird der Ruf nach einem Grenzzaun laut. Auch Mexiko will einen. An der Grenze zu Guatemala. Der Druck von Seiten der Vereinigten Staaten ist groß, Mexiko soll die Migranten draußen halten. Genauso wie Mauretanien, Marokko, Tunesien, Lybien. Sie sollen als Türsteher für die EU fungieren. Und vielleicht bald auch die Türkei. Auch diese Länder werden in Zukunft ihre Zäune bauen.

Am Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA hängen Holzkreuze

Hanna Silbermayr

Einheitliche Migrationspolitik fehlt

Johannes Pollak, Professor für Politikwissenschaft an der Webster University Vienna, über Europas Flüchtlingspolitik

Menschen werden weitergereicht, von einem Staat in den nächsten. Man glaubt, dass diese Menschen das Problem wären. In Wahrheit aber ist das Problem zum guten Teil bei uns zu suchen. Dem vereinten Europa fehlt eine einheitliche Migrationspolitik. Mitgliedsstaaten werden mit gesamteuropäischen Problematiken allein gelassen. Sie greifen zu unmöglichen Maßnahmen und die EU schaut zu, gibt Verantwortlichkeiten weiter, schottet sich ab. Zäune aber lösen keine Probleme. Das wird Europa genauso lernen müssen wie die Vereinigten Staaten.