Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fußball-Journal '12-3."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 2. 2012 - 21:02

Fußball-Journal '12-3.

Lehrstunde vom anderen Oligarchen-Team: Notizen zur heutigen Salzburger Demütigung.

So wie in den Vorjahren (das war das Fußball-Journal '11) gibt es auch heuer wieder ein Fußball-Journal '12, das die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das bizarre Umfeld begleitet.

Dazu kommt nach dem Afrika-Cup-Journal '12 im Juni klarerweise auch ein Special zur Euro, ein Journal zu dem London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches und anlass-bezogenes Journal 2012, mit Einträgen zu Jugend- und Popkultur, aber auch zu Demokratie- und Medienpolitik.

Heute mit Anmerkungen zum katastrophalen Spiel von Salzburg im Europa League-Sechzehntelfinale.

Analyse auf ballverliebt, weiterführende These dann hier bei 90minuten.

Zugegeben: es war wieder eine allgemeine Unvernunft eingezogen, nicht nur in die Medien - da forderte ein Printmedium einen Sieg gegen Metalist Charkiv quasi als Beleg fürs Endlich-Angekommensein; da spuckte das Red Bull-Camp zunehmend großkotzige Töne.

Dabei hatte jeder, der Augen im Kopf hat und sie auch zu verwenden versteht (um jetzt einen abgewandelten Pinter zu zitieren) im Herbst sehen könne, was die Nummer 3 der Ukraine alles kann. Metalist Charkiv hatte da die spielstärkste Mannschaft Österreichs, die Austria Wien, demontiert. Zweimal. Vorgeführt. Gefressen und kaum zerkaut ausgespuckt. Daheim und Auswärts.

Diese Spiele waren in voller Länge zu sehen.
Und trotzdem ging die Teil-Öffentlichkeit "Fußball" ernsthaft davon aus, dass man sich im Sechszehntelfinale der Europa League mit einem Gegner in Augenhöhe matchen kann. Realistische Einschätzungen (wie diese hier) wollte keiner hören. Ich war Ersthand-Augen/Ohrenzeuge als anlässlich der Bundesliga-Produktpräsentation der FreeTV-Broadcaster des Matches Fachleute befragte, die - analytisch begründet - warnten. Ausgestrahlt wurde das nicht. Alles, was im Vorfeld zu sehen war, war realitätsfremdes Happy-go-lucky-Gegluckse.

Das Mit-Versagen der Teilöffentlichkeit 'Fußball'

Das soll nicht heißen, dass die Medien schuld sind an der Blamage zu Wals-Siezenheim. Das obliegt, wie immer, der sportlichen Führung und dem schwächlichen, allzu fluid aufgestelltem Management der Fußball-Abteilung des Red Bull-Konzerns.

Ein kleines Beispiel dafür: im Winter wurden zwei neue Leute geholt (der Spanier Soriano und der Brasilianer Cristiano). Wegen dieses Transfer-Fensters, darf, wer im europäischen Bewerb überwintert, drei neue Spieler für seine UEFA-Liste nominieren. Nun hatte die sportliche Führung der Salzburger im Herbst aber die damals verletzten Douglas und Mendes nicht auf diese Liste gesetzt (aus Vorsicht; man muss eine gewisse Anzahl von Spielern, die im Verein ausgebildet wurden, erreichen. Salzburg schafft das seit Jahren kaum, der vielzitierten Nachwuchsarbeit zum Trotz; anderes, trauriges Thema). Und Trainer Moniz musste aus vier drei machen. Der neue Zehner, der Brasilianer Cristiano, zog die Arschkarte, war deshalb auch in den Vorbereitungsspielen kaum dabei.

Eine funktionierende Personalplanung sieht irgendwie anders aus.

Dass just (der, was spielentscheidende Fehlerhaftigkeit betrifft, quasi vorbestrafte) Douglas die Katastrophe des heutigen Abends einleitete, dass auch Mendes ausgewechselt wurde und dass Soriano das gesamte Spiel über nicht zu sehen war, ist zwar eher zufällig passiert, aber auch irgendwie typisch für Salzburg.

Wie man das Projekt Prestige-Fußball richtiger angeht als RB

Wie ein Oligarchen das Projekt Prestige-Fußball geschickt angeht, zeigt Olexandr Jaroslawskyj, ein Ex-Polizist, der seine Milliarden offiziell im Baugeschäft gemacht hat und jetzt quasi die Stadt besitzt (und auch einer der Konstrukteure der ukrainischen Heim-EM - weil es da eine Menge zu bauen und zu verdienen gibt).

Die Philosophie bei Team Metalist zielt nicht darauf ab, mit einer Hauruck-Aktion die Positionen der lange gewachsenen Traditions-Vereine Dinamo Kiev und die der früh erblühten Oligarchentruppe von Schachtar Donezk anzugreifen. Metalist hat sich als dritte Kraft etabliert und wird den beiden früher oder später gefährlich werden. Die aktuelle Euro-League-Saison lief bereits so gut wie makellos.

Erreicht wird das mit einer gezielten Blockbildung, die auf Traditionen und Mentalitäten Rücksicht nimmt. Wie in der Ukraine oder Russland mittlerweile üblich sind einige Argentinier (sechs) und Brasilianer (vier) im Kader. Dazu kommen vereinzelte Akteure wie Papa Gueye, der große Senegalese, und der eine oder andere Osteuropäer.

Trotzdem hat man deutlich weniger Legionäre als das Red Bull-Zentrum. In Salzburg hat man zwar drei Brasilianer abgeschoben, beschäftigt aber immer noch vier. Dazu drei Deutsche, je zwei Spanier und Schweden und vereinzelte Slowaken, Schweizer, Ugander, Finnen, Argentinier und Niederländer. Eine babylonisch gewürftelte Truppe, die immer mit der Ausrede operieren kann, das man einander nicht versteht.

Babylonische Zustände, Experten jenseits von Lernfähigkeit

Das kann in Charkiv eben nicht passieren: die südamerikanischen Rivalen und Nachbarn haben eine traditionelle Verständigungs-Basis. Und genau eine solche, gezielte und konzentrierte Zusammenstellung zeugt von tatsächlicher Planung und Überlegung. Dem schieren Gegenteil dessen, was man in Fuschl, der Red Bull-Zentrale, dem was in Österreich einem oligarchischen System noch am nächsten kommt, seit Jahren in die auf sportlichen Treibsand gebauten Standorte setzt.

Dass sich Salzburg heute abend deutlich tölpelhafter anstellte als die Austria im Herbst, erzählt auch eine Menge über den aktuellen Zustand dieser Mannschaft und gibt deutliche Hinweise auf die österreichische Meisterschaft.

Dass etwa Andreas Herzog, jetzt Hilfsassistent und Scout der US-Nationalmannschaft, direkt nach dem Spiel keinen Klasseunterschied erkennen konnte, führt mich wieder zum Ausgangspunkt zurück: eine Fußball-Öffentlichkeit, egal ob Medien und vor allem sogenannte "Experten", die weder aus der Vergangenheit, noch aus der eben erlebten Gegenwart etwas zu lernen gewillt ist, dient automatisch als zusätzlicher Sargnagel.

Dass die Akteure auf dem Platz schon nach dem zweiten Gegentor in ihren bereits klassischen Modus des Desinteresses verfielen, der die Salzburger Spiele gegen kleinere Teams so grauenvoll anzusehen macht, anstatt sich - wie sonst eh nur auf internationaler Bühne - zumindest partiell zu präsentieren, wirft das übliche, verheerende Bild auf dieses Team.