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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

15. 2. 2012 - 21:43

Fußball-Journal '12-2.

Österreichs Fußball erreicht, durchaus überraschend, 2.0-Level. Oder: Taifun überm Thalersee.

So wie in den Vorjahren (das war das Fußball-Journal '11) gibt es auch heuer wieder ein Fußball-Journal '12, das die heimische Bundesliga, den Cup, Nationalteam und ÖFB, den Nachwuchs, das europäische Geschäft und das bizarre Umfeld begleitet.

Dazu kommt nach dem Afrika-Cup-Journal '12 im Juni klarerweise auch ein Special zur Euro, ein Journal zu dem London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches und anlass-bezogenes Journal 2012, mit Einträgen zu Jugend- und Popkultur, aber auch zu Demokratie- und Medienpolitik.

Die von Sturm Graz heute bekanntgegebene Ernennung von Christopher Houben zum Geschäftsführer im Bereich Wirtschaft, ist in etwa mit einem Taifun über dem Thalersee zu vergleichen; sie stellt eine bislang für unmöglich gehaltene Sensation dar.

Sturm ist somit nämlich der erste Spitzenverein, der einen Vertreter der Digital Natives in eine Spitzenposition hievt - Houben ist einen derer, die mit Einsatz der neuen Medien den Mief von Jahrzehnten von Bierdunst-Stammtisch-Gewaber, der den heimischen Fußball im Würgegriff hielt, wegzuwaschen geholfen hat.

Damit tut sich die Nomenklatura merkbar schwer. In einer morgigen Zeitung ist etwa heute abend von Houben als Gründer/Leiter einer 'Homepage' zu lesen, so wenig versteht die alteingesessene Holzklasse, was da eigentlich passiert ist.
Das kritische Magazin Sturm12, eine auch im Journal hier von Anfang an hochgelobte Analyse-Plattform von Fans des Grazer Traditions-Clubs, ist nämlich das exakte Gegenteil einer Homepage, einem Begriff der landläufig einen PR-Auftritt beschreibt. Schon gar nicht im Sinn des zu behandelnden Objekts, im Fall vom sturm12.at eben Sturm Graz. Seit die Grazer den Trend gesetzt haben, verfügt etwa auch Innsbruck oder Salzburg über ein kritisches, analytisches und von unabhängigen Fans organisiertes Web-Magazin - von den vielen in Wien ansässigen Analyse-Seiten im Netz (von abseits.at bis zu 90minuten.at) gar nicht erst zu reden.

Houbens Ernennung als Zeichen, sogar als Wendepunkt?

Eineinhalb Tage später wird Hannes Kartnig zu fünf Jahren und 6,67 Mill. Euro verurteilt.

Houben ist einer aus der imaginierten linken Partie, dieser Papiertiger-Erfindung der Holzmedien-Sportchefs, die ihre Felle davonschwimmen und ihre bis an die Grenze des Korrupten reichende Kooperation mit der Branche damit angeklagt sehen. Links ist gar nichts an einer Entwicklung, die bislang sprachlosen Fans und Interessierten die Möglichkeit der Teilnahme an einer öffentlichen Diskussion bietet - damit stellen sich die alten Fußball-Oligarchen und ihre journalistischen Helfer nur selber ins reaktionäre Gutsherren-Eck der Marke Kartnig. Dass die Ernennung Houbens mit den Schlussakkorden des Kartnig-Prozesses zusammenfällt, ist ein schöner Gag der jüngeren Fußball-Geschichte des Landes.

Dass ausgerechnet Sturm Graz, zuletzt unter den Präsidenten Rinner und Stockenhuber ganz tief unten in der "Moderne Strukturen? Brauchmaned!"-Liga des vorigen Jahrtausends unterwegs, ein solches Zeichen setzt, überrascht doch ein wenig - schließlich ist der neue Präsident Christian Jauk erst seit kurzer Zeit im Amt; und nach Jahren gruseliger Personalentscheidungen des Managements ist ein solcher Modernitätsschub dann doch sogar ein wenig schockierend.

Am Ende meint es Rapid Wien tatsächlich ernst mit seiner neuen Kommunikations-Struktur; und vielleicht schafft es die exzellente Management-Kultur der SV Ried sogar, dem tumben Riesen Red Bull diesbezüglich den Weg zu weisen. Womöglich präsentiert sogar der ÖFB dieses Frühjahr das im Rahmen der Koller-Bestellung versprochene Reform-Konzept - vielleicht sogar mit einer Lösung der Vakanz im Kommunikations-Bereich.

Es wären allesamt Taifune überm Thalersee - seit heute weiß man aber, dass sie möglich sind.