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Chrissi WilkensAthen

Journalistin in Griechenland

15. 2. 2012 - 19:00

"Wir werden sowieso Bankrott gehen"

Resignation und Pessimismus unter Athens Studierenden.

Athen. Matina sitzt bedrückt auf einer Bank im Vorsaal der Jura-Fakultät. Sie hält ein paar Notizblätter in ihren Händen fest. In ein paar Minuten findet ein Examen statt, doch die Gedanken der 19-jährigen Studentin sind immer noch beim Sonntag, beim Massenprotest gegen das neue Sparpaket, bei den Ausschreitungen und den darauffolgenden Krawallen. „Als ich es im Fernseher sah, war mir zum Heulen. Solche Aktionen sind etwas sehr Schlechtes für unser Land und repräsentieren uns nicht.“

Eingangshalle der Universität

Chrissi Wilkens

Vorsaal der Universität

Matina hat nicht an der Demonstration teilgenommen; nicht weil sie die von den internationalen Gläubigern diktierte Sparpolitik unterstützt, sondern weil ihre Eltern sehr besorgt waren wegen der Polizeigewalt und den Krawallen Angst hatten.

Fast eine halbe Million Menschen demonstrierten am Sonntag in den Straßen Athens. Schon am Anfang der Demonstration reagierte die Polizei mit großen Mengen von Tränengas. Augenzeugen berichten, dass in vielen Fällen die Polizei die friedlichen Demonstranten angegriffen hat und die Randalierer ungestört gelassen hat.

„Wir haben Orangen auf die Polizei geschmissen, und sie antwortete mit Tränengas“, sagt wütend Alexia, eine 20 jährige Jurastudentin. Sie sitzt neben Matina und wartet ebenfalls auf das Examen. Sie nahm an der Demonstration am Sonntag teil, trotz Prüfungsstress. Ein bitteres Lächeln zeichnet sich in ihrem Gesicht ab. „In Griechenland ist es generell so, dass wir Leute keine Stimme haben. Wir müssen kämpfen, damit wir sie zurückbekommen.“

Sie hat die Hoffnung aufgegeben, dass mit friedlichen Protesten etwas zu erreichen sei. Doch Gewaltaktionen befürchtet Alexia auch nicht. „Nach den Protesten der Empörten in Sommer, haben wir realisiert, dass sich nichts ändern wird. Wenn wir keine kreative Form des Protestierens finden, werden wir nie zu einer Lösung kommen. Wir müssen realisieren, dass wir nicht mehr mit der Korruption leben können. Wir Studenten kämpfen manchmal gegen ein System, von dem wir bald selbst Teil werden“, sagt Alexia kritisch.

Einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone, der vielleicht auch einen Austritt aus der EU als Folge hätte, kann sich die Jurastudentin nicht vorstellen. „Europa ohne Griechenland wäre ein Kind ohne Geburtsurkunde!“, meint sie.

Spiros, ein 19-jähriger Anglistik-Student, ist sehr pessimistisch: „Ich glaube, dass die Proteste nichts ändern können, weil unsere Politiker so korrupt sind, dass es sie nicht einmal interessiert, was die Bürger denken oder fühlen. Sie ignorieren uns völlig. Unsere Regierung ist so korrupt! Das ist der Hauptgrund, warum unser Land zurzeit keine Zukunft hat.“

Ausgebranntes Haus in Athen

Chrissi Wilkens

Ein ausgebranntes Haus in Athen

Als Student in Griechenland während der Krise zu leben ist für ihn sehr schwierig: „Es finden so viele Streiks und so viele Besetzungen statt. Es ist, als ob wir uns in einem schwarzen Loch befinden.“

Spiros ist so hoffnungslos, dass er sogar denkt, es wäre besser, wenn Griechenland so schnell wie möglich Bankrott geht. Dieselbe Meinung hat Christos, ein Freund von ihm, der Betriebswirtschaft studiert: „Wir werden sowieso Bankrott gehen, wir können es nicht mehr vermeiden. Es wird immer schlimmer. Die Regierung ist korrupt, die Banken sind korrupt. Wir werden immer ärmer und irgendwann werden wir nicht mal Geld zum Essen haben“, sagt er.

Alles, was er sich wünscht, ist, dass die Griechen die Möglichkeit haben, eine neue Regierung zu wählen und dass der parteilose Premierminister Lukas Papademos zurücktritt. Medienberichten zufolge sollen sich erst im April die Urnen öffnen.

Matina, die 19-jährige Studentin, verfolgt mit besonderem Interesse die Diskussion, obwohl sie erschöpft ist. „Ich glaube, in dieser Zeit ist es hart, aber auch interessant, ein Student zu sein. Wir müssen mit wenig Geld auskommen, aber mit dem Ziel, sich weiterzuentwickeln, mehr zu arbeiten, um ein bessere Zukunft zu gestalten und unsere Heimat aufzubauen. Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung für uns.“