Erstellt am: 14. 2. 2012 - 14:42 Uhr
Afrika-Cup-Journal '12. Eintrag 17.
Der 28. Afrika-Cup wird im Afrika-Cup-Journal '12 mit einem täglichen Eintrag begleitet. Heute mit einem finalen Fazit.
Was steht 2012 noch an? Ein Fußball-Journal '12, klarerweise ein Special zur Euro, ein Journal zu dem London-Olympics und auch ein (anders als im Journal '11) nicht tägliches anlass-bezogenes Journal 2012, mit Beiträgen zu Jugend- und Popkultur oder Demokratie- und Medienpolitik.
Große Coaches zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie in jeder Situation lernfähig sind; dass sie jeglicher interessant gespielte Fußball zu beschäftigen vermag.
In Österreich ist/war die Wahrnehmung des Afrika-Cups wieder bei etwa Null angesiedelt - was auf die vielen kleinen Coaches und auf die noch deutlich kleineren Medien (Ausnahme von der Regel: der ballesterer und einige Online-Medien - hier ein ausführliches Fazit auf ballverliebt) zurückzuführen ist.
Rafa Benitez ist ein großer Coach und sich nicht zu schade in seinem Blog eine Analyse des Afrika-Cup-Finals zu verfassen; unaufgefordert und unbezahlt - einfach um selber zu lernen und etwas weiterzugeben.
Was ich daraus gelernt habe: Benitez sieht Team Zambia als 4-4-2 (und nicht als 4-2-3-1) und Team Cote d'Ivoire als 4-2-3-1 (und nicht als 4-3-3). Und zwar weil er die Rollen der zentralen Spielgestalter, die von Yaya Toure bzw von Chris Katongo, anders einordnet. Das zeigt mir wie fluid strategische Interpretationen sind. Auch wenn Yaya Toure im Finale deutlich weiter vorne zu finden als in manch Gruppenspiel.
Es gibt aber dennoch einen deutlichen Unterschied zu völliger Planungsunsicherheit, wie sie in Österreich zuletzt vom neuen U21-Coach ausgesprochen wurde: international ist mittlerweile das schnelle und problemlose Umschalten von differierenden Systemen üblich. Gerade die Ivoirer (Coach Francois Zahoui) stellten ihre Mittelfeld-Zentrale in jedem ihrer 6 Spielen leicht um - die Grundausrichtung blieb aber (bis auf das dritte, bedeutungslose Gruppenspiel, in dem mit einem echten 4-4-2 experimentiert wurde) immer dieselbe: ein Center, zwei echte Flügel und immer einer aus dem Dreier-Mittelfeld stößt mit in die Offensive vor.
Ziemlich dasselbe, fast ein wenig konziser, war vom Überraschungsdritten Mali (Coach Alain Giresse) zu sehen: auch ein 4-3-3, mit Seydou Keita in der Yaya Toure-Rolle.
Das schnelle und problemlose Switchen zwischen Systemen
Immer bei ihrem 4-2-3-1 blieben sowohl die Enttäuscher aus Ghana als auch die Sieger aus Zambia. Die Unterschiede sind in der personellen Fluktuation und in der Interpretation des jeweiligen Matchplans zu suchen. Während sich Stefanovic bei Ghana gern auf die Fähigkeit das irgendwann aufblitzende Momentum zu nutzen verließ, musste das Team von Herve Renard von Anfang an hohes Tempo in höchster Konzentration gehen.
Interessant: die 4-3-3-Versionen von Sami Trabelsis Tunesiern, die allesamt auf einen Playmaker hinter den Spitzen zurückgriffen, der sich aber nicht als klassischer Zehner, sondern eher als zusätzliche hängende Spitze mit zusätzlichen Box-to-Box-Aufgaben verstand.
Viel Zeit auf taktische und systemische Vorbereitung wurde bei den beiden Gastgebern verwendet. Gernot Rohr verpasste Team Gabun die Fähigkeit sehr schnell zwischen einem klassischen 4-4-2, einem angriffslüsternen 4-2-3-1 und einem überfallsartig-konterndem 4-3-3- zu changieren. Gilson Paulo verließ sich bei seinem 4-2-3-1 auf dauernde Rochaden der vier Offensiv-Kräfte.
Durchaus bemerkenswert: die sudanesische Interpretation eines 4-3-3, die von kompletter Unausrechenbarkeit der vordersten Drei und oft zwei zusätzlich vorstoßenden Mittelfeldspielern lebte.
Gar nicht zurecht kam der Senegal: Coach Amara Traore gab sein eigentlich geplantes 4-3-3 nach nur einer Halbzeit auf, und stellte auf ein 4-4-2 um, mit dem in der Folge niemand glücklich wurde.
Michel Dussuyers Guinea begann mit einem 4-3-3 samt seltsam gestaffelten Mittelfeld und stellte nach der Auftaktniederlage auf ein 4-1-4-1 um, das genauso wenig griff.
Eric Gerets Marokko erholte sich von der durch taktische Fehler (groteske Rechtslastigkeit) verursachten Niederlage im ersten Spiel wegen eines dann übervorsichtig gespielten 4-2-3-1 nicht mehr.
Europa ist nicht mehr der Nabel des afrikanischen Fußballs
Ein bemerkenswertes Fazit des Turniers ist auch die Erkenntnis, dass die Anwesenheit vieler in Europa beschäftigter Spieler allein keine Vorteile mehr bringt. Burkina Faso, Senegal, Guinea verließen sich da allzu sehr drauf und fielen auf die Nase. Mannschaften wie der Sudan (der sich praktisch ausschließlich aus Spielern der beiden Groß-Klubs aus Karthoum zusammensetzte) Libyen, Tunesien und vor allem Sieger Zambia zeigten, dass man auch mit Akteuren der großen afrikanischen Ligen bestehen kann.
Es ist zudem auch anzunehmen, dass die beim Turnier auffälligen Homeboys auch weiter lieber in Südafrika, dem Congo oder Tunesien bleiben werden als in der zweiten französischen Liga zu versauern.
Men to watch: Msakni von Esperance Tunis, Saad Osman vom Club Africain, Sunzu oder Kalaba von Mazembe, Mudathir von Al-Hilal, Nguema aus Gabun oder Konate aus Äquatorial-Guinea
Interessant auch, dass sich die Herren Boussaidi und Traoui deutlich besser schlugen als dazumals in Salzburg und, dass Thierry Fidjeu seit seiner Kärnten-Zeit deutlich an Wucht gewonnen hat.
Die nicht durch Schiebereien sondern sportliche Leistung erzielten Achtungserfolge der beiden Gastgeber-Nationen belegen, dass eine profunde und zielgerichtete Vorbereitung, die einer Philosophie folgt, deutlich mehr bringt, als letztlich improvisierte Auftritte loser Star-Ansammlungen.
Zudem aufgefallen: die Torleute fallen längst nicht mehr so ab wie früher, Leute wie Mweene oder Ovono repräsentieren sogar Extraklasse. Und: das hohe Niveau das die taktische Schulung vor allem der jüngeren Spieler erreicht hat - man ist sich des Exportwerts seiner Sportler zunehmend bewusster.
Das nächste Afrika-Turnier kommt schon in Jahresfrist wieder auf uns zu: stattfinden wird es in der besten Infrastruktur des Kontinents, den südafrikanischen WM-Arenen von 2010.