Erstellt am: 14. 2. 2012 - 15:40 Uhr
ATTAC zur Finanztransaktionssteuer
Das laut Finanzministerin größte Sparpaket aller Zeiten ist – zumindest grob – fixiert. Es soll unter anderem bei den Förderungen und den Pensionen, beim Arbeitsmarkt oder den Beamten gespart werden. Fix eingeplant sind 500 Millionen Euro pro Jahr durch die Finanztransaktionssteuer, die auf EU-Ebene ab 2014 geplant ist.
Wir haben David Walch von ATTAC zum Interview getroffen.
Paul Sturm
Attac fordert ja schon seit der Gründung eine Finanztransaktionssteuer. Wie schaut die aus?
David Walch: Grundsätzlich ist das eine minimale Steuer auf alle möglichen Arten von Finanztransaktionen. Seien es Währungen, Aktien, Anleihen, Derivate,... Der Sinn dieser Steuer ist, dass man vor allem diese ganz schädlichen Spekulationen dadurch eindämmen kann. Das funktioniert dann in der Realität so, dass derzeit im Millisekunden-Bereich Kursschwankungen ausgenützt und dadurch die Märkte extrem destabilisiert werden. Mit einer kleinen Steuer könnten einerseits diese spekulativen Geschäfte vermindert werden, aber gleichzeitig natürlich auch sehr große Einkommen lukriert werden.
Und was soll die Finanztransaktionssteuer bringen?
Finanziell gesehen gibt es auf EU-Ebene jetzt einen Vorschlag der Kommission, die rechnet EU-weit mit 50 Milliarden Euro. Man muss sagen, dass ist schon einmal ein Fortschritt, dass die EU hier den Druck erhöht und diese Steuer einführen will. Das sehen wir sehr positiv. Konkret bietet der Vorschlag der EU allerdings sehr viele Schlupflöcher. Es gibt da unterschiedliche Steuersätze und auch die Steuerbasis ist nicht ganz einheitlich. Das heißt, es wäre sehr sinnvoll, hier noch nachzubessern. Aber ein erster Schritt wäre gesetzt. Zum Vergleich jetzt: Die EU rechnet eben mit diesen 50 Milliarden, das WIFO kommt bei einer umfassenden Besteuerung ohne Ausnahmen und unterschiedliche Steuersätze auf 250 Milliarden Euro pro Jahr. Hier wären also enorme Summen zu holen, wenn die Steuer richtig umgesetzt wird.
Gegner und GegnerInnen sagen immer, dass die Kosten dann erst recht von den kleinen AnlegerInnen getragen würden. Die Big Player an den Börsen können aus andere Handelsplätze oder in Steueroasen ausweichen. Was meinen Sie?
Das sind schon ein bisschen vorgeschobene Argumente. Gerade der aktuelle Vorschlag der Kommission ist in einem Punkt besonders gut und begrüßenswert, und zwar geht es da darum, wie man vermeiden kann, dass die Big Player sich dieser Steuer entziehen. Da würde dann das Sitzland-Prinzip gelten, das heißt, die Steuer würde dort eingehoben, wo der Konzern den Sitz hat. Um der Steuer zu entgehen müsste man also den gesamten Firmensitz verlagern. Und das ist in der Realität dann doch teurer als die Steuer einfach zu entrichten. Natürlich wäre es am sinnvollsten, die Steuer global einzuführen. In Europa ist im Moment ja auch noch Großbritannien stark dagegen, aber die Euro-Zone alleine könnte ja schon mal einen sinnvollen ersten Schritt wagen.
Welche Kräfte wehren sich gegen die Einführung und warum? Wir reden über einen Steuersatz von zwischen 0,01 und 0,1 Prozent auf den Handel mit Aktien und Derivaten. Wieso wird der so bekämpft?
Diejenigen, die jetzt speziell mit diesem High-Frequency-Trading große Profite machen, aber ganze Währungen, Aktienkurse und Rohstoffpreise damit destabilisieren, die wehren sich da jetzt natürlich dagegen. In Europa ist da der stärkste Handelsplatz London. Großbritannien steht da sehr im Einfluss dieser Finanzlobbies, und die sind da die großen Bremser jetzt auch. Aber Frankreich will die Steuer jetzt im Sommer einführen, auch nur national, Angela Merkel tritt stark für diese Steuer ein, auch in Österreich gibt es da einen Parteienbeschluss. Also der politische Prozess arbeitet sozusagen für die Steuer.
Aber es ist unbestritten, dass diese Steuer nur sinnvoll ist, wenn alle wichtigen Börsenplätze mit dabei sind. Was wären Ihrer Meinung nach die Folgen, wenn die EU oder gar Österreich das alleine macht?
Die wichtigsten Börseplätze in Europa sind London und Frankfurt. Es wäre natürlich sinnvoll, wenn London dabei ist. Es sieht jetzt nicht danach aus. Wobei man sagen muss: Interessanterweise hat London eine Aktiensteuer von 0,5% und das hat auch nicht dazu geführt, dass das Kapital dort massenhaft abfließt. Aber die Eurozone wäre sicher ein Raum der groß genug ist, das einzuführen. Auch national kann man im Detail schauen. Es ist wichtig, dass hier einmal ein politischer Wille, eine Dynamik entsteht. Damit man dann hier auch die nötigen Erfahrungen gewinnt und dann die Steuer nach und nach wohl auch international eingeführt wird.
Die Österreichische Regierung rechnet schon jetzt fest mit einer halben Milliarde Euro pro Jahr für das Budget. Und die EU-Kommission würde die Steuer gerne innerhalb des nächsten Jahres beschließen. Aber wie realistisch ist es, dass sie tatsächlich kommt?
Es gibt immer mehr Länder die sich dafür aussprechen. Kürzlich haben zum Beispiel neun EU-Länder eine Deklaration dafür verabschiedet. Gleichzeitig wird auch der Widerstand immer geringer. Wenn man sieht, wo wir noch vor zwei, drei Jahren, oder gar vor zehn Jahren waren, da wurde das ja noch als Utopie abgetan. Jetzt ist die EU-Kommission dafür. Man muss schon auch sagen, dass angesichts der enormen Budget-Probleme, vor denen die Staaten stehen, es natürlich auch eine Frage der Gerechtigkeit ist, dass hier der Finanzsektor seinen Beitrag leistet.
Mehr als eine Milliarde Euro soll ja alleine dadurch ins Budget gespült werden, dass ÖsterreicherInnen, die ihr Geld in der Schweiz in vor dem Finanzamt in Sicherheit gebracht haben, anonym Steuern nachzahlen können. Sie kritisieren in einer Aussendung dieses geplante Steuerabkommen mit der Schweiz. Was stört Sie daran?
Das klingt zwar im ersten Augenblick ganz nett, allerdings muss man auch sehen, dass das ganz massive Probleme beinhaltet. Einerseits wäre das ja wirklich eine anonyme Abgeltungsstelle. Das heißt, diejenigen, die jetzt jahrelang ihr Geld in der Schweiz versteckt haben, würden nicht rechtlich belangt werden, sondern könnten sich einmalig freikaufen. Das ist natürlich ein moralisches Problem, weil der ehrliche Steuerzahler dann der dumme wäre. Andererseits ist aber auch die Summe einfach nicht nachvollziehbar. Es gibt dann ja auch viele Möglichkeiten, das Geld von der Schweiz in andere Steueroasen zu transferieren oder über bestimmte rechtliche Konstruktionen weiterhin zu verstecken. Letztendlich muss das Geld von den Schweizer Banken an Österreich überwiesen werden, und es gibt kein Strafverfahren. Es ist einfach wirklich das völlig falsche Signal, Steuerhinterzieher zu belohnen. Das effektivste wäre natürlich ein automatischer Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden. Das machen alle Länder in der EU. Nur Österreich und Luxemburg haben ein Bankgeheimnis, das verhindert, dass die Finanzbehörden sich automatisch über Steuerhinterziehung informieren. Und sie Schweiz hat das auch. Es ist natürlich im Interesse von Österreich zu sagen, wir machen so ein Abkommen und können so auch das eigene Bankgeheimnis länger behalten. Aber auch die EU-Kommission hat schon gesagt, dass es eigentlich gegen EU-Recht verstößt, solche Abkommen zu schließen, wo Geld anonym über Abgeltungssteuern bezahlt werden kann.
Die österreichische Regierung orientiert sich da an einem geplanten Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Wie reagiert die Steueroase Schweiz auf solche Wünsche?
Der Steueroase Schweiz ist das nur recht, weil diese Abkommen auch ihr eigenes Bankgeheimnis weiter festigen. Sie könnten weiter daran festhalten und damit Steuerhinterziehern auch weiter Unterschlupf bieten. Man müsste sich nicht diesem effektiven automatischen Informationsaustausch beugen.
Aber wie soll man Ihrer Meinung nach mit diesen Steuersündern umgehen? Auf die nächste Daten-CD warten?
Nein, sollte man nicht. Natürlich ist es wichtig, dass so etwas auch ausgewertet und verfolgt wird. Aber es braucht internationale Gesetze, die einfach diese grundsätzlichen Probleme an der Wurzel packen und es einfach unmöglich machen, dass so viel Geld einfach in dunklen Kanälen verschwindet.
Die österreichische Regierung will die Einnahmen aus einer Transaktionssteuer ja fürs eigenen Budget haben. Die EU-Kommission hat das eigentlich fürs EU-Budget angedacht, und ATTAC hatte da noch einmal ganz eigene Ideen. Wohin soll das Geld denn nun fließen?
Wir sehen die Pläne für die Verwendung sehr kritisch, weil es eben schon so viele Ansprüche darauf gibt. Die ursprüngliche Forderung von ATTAC war immer, dass dieses Geld dafür verwendet werden muss, international Armut und auch Klimaveränderung zu bekämpfen. Es wäre also am sinnvollsten, die österreichische Regierung würde sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Steuer nicht in einer abgeschwächten Form kommt, sondern in einer umfassenden. Da würde dann fürs nationale Budget etwas übrig bleiben und vielleicht auch für das EU-Budget. Und es sollte wirklich ein großer Teil für internationale Aufgaben und globalen Herausforderungen reserviert sein.