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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

12. 2. 2012 - 17:28

Song Zum Sonntag: Silversun Pickups

Die Seele wird zu Stahl: Not Dark Yet

Meine Seele fühlt sich an als ob sie zu Stahl werden würde, mein Sinn für Menschlichkeit ist schon den Bach runter gegangen, ich suche in niemandes Augen mehr irgendwas, ich weiß nicht mal mehr, was es war, vor dem ich hierher geflohen bin - noch ist es nicht dunkel, aber wir treiben dorthin.

Natürlich sind diese Zeilen nicht von einer jungen, wenn auch leicht melancholischen, so doch kalifornischen Rockband, sondern von his Bobness selbst. Auf einer seiner besten späten Platten, Time Out Of Mind (1997), macht sich eine dunkle Altersweisheit breit. Die hatte Dylan freilich schon immer, doch hier wird sie mit einer enttäuschten Note endlich in das knorrige Skelett eingewebt und mit der ebenso knorrigen Tonlosigkeit vorgetragen, in der der Todesnahe die Geschichten von früher vor sich hin murmelt und zugleich betont, wie sehr sie ihn durch die schlechte Erfahrung des Lebens, die Begegnung mit Eitelkeit und Niedertracht, mit Lügen und der Last des Daseins dazu gebracht haben, nichts mehr zu suchen, nichts mehr zu wollen, nicht mal ein Gebet mehr wahrzunehmen.

plattencover

amnesty

Schöne große alte Ballade, ein Seufzer bevor man sich umdreht um einzuschlafen, wie ein "Alter Sack voll Knochen" (Anthony Burgess).

Zu finden ist diese schöne Shoegazer Variante auf einer Jubiläumsplatte, die dieser Jahre rauskommt: "Chimes of Freedom: Songs of Bob Dylan Honoring 50 Years of Amnesty International." Darauf sind allerlei Promis (Sting, Costello, Kravitz, Dave Matthews) und Dylan Kumpels (Kristofferson, Patti Smith, Knopfler, Baez) neben jungen Industriehoffnungsbands wie eben Gaslight Anthem, Silversun Pickups, Adele oder Miley Cyrus (!) zu finden... da hatten R.E.M. wohl das Glück, sich doch noch für etwas rechtzeitig aufgelöst zu haben.

Aber die Platte ist besser als dieses "We are the World"- Horrorlineup glauben ließe und es gibt - neben dieser flirrenden Version eines unbekannteren Dylan Tracks - ein wiederhören mit Johnny Cash und , jawohl, Sinead O'Connor, und es gibt nochmal den nettesten aller alten Männer zu hören, Pete Seeger, den Mann, der pikanterweise vor über 40 Jahren mit einer Axt auf Dylans Gitarrenkabel losgegangen sein soll, um ihn zu zwingen, Protestsänger zu bleiben anstatt der große Künstler zu werden, der nun auf sein wirres, hochpersönliches Werk mittels Amnesty Tributplatte zurückschauen kann. Seeger, 92, singt mit einem Kinderchor "Forever Young". Naja, das Weihnachtsgeschäft kommt bestimmt.