Erstellt am: 11. 2. 2012 - 15:10 Uhr
Something For the Weekend
Der deutsche DJ, Autor, Produzent, Radiomacher und allgemeine Supertyp Hans Nieswandt beschreibt in seinem dritten Buch "DJ Dionysos - Geschichten aus der Diskowelt" das gute, alte Problem mit der "Disco-Szene": In Film - und Fernseh-Produktionen will sie selten hinhauen, die akkurate Abbildung einer Nacht voller Schweiß, Rausch und Ekstase im Tanzpalast deiner Wahl. Das wissen wir nicht erst, seit Harald Krassnitzer im Fluc gewesen ist. Die Sound- und Licht-Verhältnisse sind falsch, der Jargon ungelenk jugendlich und angestaubt, die Musikauswahl von einem Mann getroffen, der seit zwanzigen Jahren keinen Club mehr von innen gesehen hat.
Ein Weg aus der Misere ist die absichtliche Totalüberhöhung und Unwirklichmachung des Ausgehlebens im Filmformat. Man sieht das vielleicht ganz gut in der Korova Milchbar in "Clockwork Orange" oder, so weiß es auch Nieswandt, im Video zum ewigen Hit, nein, zur zum geflügelten Wort gewordenen Club-Hymne seiner Combo Whirlpool Productions: From: Disco To: Disco. Der seltene Moment, in dem man VIVA vermissen möchte.
Vor Kurzem durfte im Wiener Morisson Club eine atemberaubende Disco-Szene von seltener Entrücktheit und außerweltlicher Eleganz erlebt werden. Die großartige schwedische Musikerin Molly Nilsson war da im Mini-Club auf einem Podest samt Pole-Dancing-Pole zu sehen, wie sie im billig "Disco" sagenden Gegenlicht zu aus ihrem Laptop fahrenden Wehmuts-Synthiepop Halb- und Vollkaraoke, sowie teils auch Komplettplayback performte. Ein apathischer Blick mit der Fähigkeit, in fremde Galaxien zu starren, ein Lokal mit dem ranzigen Charme eines Wurststands, Momente des Humors und der Wärme, eiserne Elektronik. Man fühlte sich wie sediert und hineingeworfen in eine absurde Allianz aus einem harten, kalten 80er-Jahre-Wave-Schuppen namens "Neon", in dem immer nur D.A.F. und Cabaret Voltaire läuft, einer weichgezeichneten Schmuse-Szene aus "La Boum" und einem von David Lynch komplettkonzeptionalisierten Free-Jazz-Club in Tangier. Leider haben die Kameras nicht richtig gut draufgehalten.
Samstag
Wer sich in Innsbruck oder Umgebung befindet, geht hierhin. Drums Of Death ist nämlich immer ein Irrsinn, im Wortsinne. Wer sich in Wien befindet und nach Demut dürstet, geht ins Konzerthaus und lässt sich bei einer Spoken Word Performance von Henry "Amboss" Rollins die Leviten lesen.

Praterei
An großen Namen ist sonst nicht viel los. Gut so, mag manch einer sagen, z.B. die Pratersauna, die sich für den gesamten Februar, man hat vielleicht schon davon gehört, eine Programmgestaltung auf die Fahne geschrieben hat, die gänzlich auf irgendwie in Österreich wurzelnde Acts zurückgreift. Man mag das eventuell als lokalpatriotisch empfinden, oder aber sich über das - trotzdem? - sehr, sehr feine Programm freuen: Ogris Debris, Christopher Just oder Makossa & Megablast waren beispielsweise schon da, der große RNDM, Zanshin, Ken Hayakawa und viele, viele mehr werden noch kommen. Am Samstag gibt's die verlässlich gute Reihe Praterei, die diesesmal die sympathischen Top-Auskenner von den Plattenläden Das Market und Tongues geladen hat. Wird sich soundtechnisch wohl zwischen Disco und House bewegen. Was es mit dem neuen Bunkerfloor in der Pratersauna auf sich hat, muss noch erkundet werden.

Magnetic Poetry
Montag
Gehört der Montag noch zum Wochenende oder schon zum nächsten? Kommenden Montag startet das Flex mit einem neuen wöchentlichen Club, der seine glücklicherweise weit interpretierbare Ausrichtung schon im Namen trägt:

Bassclub
Der Bassclub wird sich also all things Bass widmen, Dubstep, seinen Derivaten und Post-Ausformungen, Ghettofunk, Breaks diverser Couleur oder auch HipHop. Den Eröffnungsabend bestreiten die englischen Jazzsteppa, die Dubstep als echte Live-Band an echten Instrumenten deuten.
Davor hätte man am Montag die Gelegenheit, ein, zwei, drei andere Bands zu besuchen, die eher Musik machen, die Bands für gewöhnlich eben so machen, mit Liedern und so. Die tolle Band mit dem großartigen Namen Black Fag, die schon für ihr Logo geliebt werden muss, verbeugt sich in der Arena vor den Hardcore-Legenden Black Flag. Vielleicht ist ja Henry Rollins noch in der Stadt.
Das, was gemeinhin "Geheimtipp" genannt wird, findet zur gleichen Zeit im rhiz statt. Da nämlich haben die guten Veranstalter der Reihe Dendritic Shows ein schönes Doppelpaket aus Russland eingeflogen: Human Tetris schwelgen in jangly Gitarren-Pop im Koordianten-System von Postpunk und Wave, Aszendent Joy Division und The Smiths. Das wunderbare Duo Magnetic Poetry hingegen zimmert putzigen Heimwerker-Pop aus dem Schlafzimmer. Man möge sie sich als die jungen, unernsten, aufgekratzten und immer totally verliebten kleinen Geschwister der englischen Göttinnen-Band Broadcast vorstellen. Oder sich wieder einmal an Lali Puna oder irgendeine andere Wald- und Wiesen-Elektronik-Band mit Schmacht-Gesang und Orgelei erinnern. Empfohlen sei dieses Konzert, ebenso wie das "Magnetic Mini Album" von Magnetic Poetry. Man soll es sich anhören und am Montag dann hingehen und es dort am Merchandise-Tisch höchstpersönlich käuflich erwerben. Musikerinnen und Musiker müssen schließlich auch von etwas leben!
P.S.: Ebenfalls an diesem Abend im rhiz am Start: Die österreichische Band Beach Girls and the Monster mit ihrem ersten Auftritt. Hoffentlich Beachpunk.