Erstellt am: 10. 2. 2012 - 16:52 Uhr
Weltweiter Aktionstag gegen ACTA
Das Handelsabkommen ACTA wurde seit 2006 von 39 Nationen ausverhandelt - allerdings nicht von gewählten Vertretern dieser Länder, sondern von Vertretern diverser Industriezweige. Der weltweite Widerstand gegen ACTA wird täglich stärker. Die Bewegung, die sich in Österreich gegen ACTA gebildet hat, ist breit: Internetaktivisten und Blogger gehören ebenso dazu wie auch NGOs und Parlamentsabgeordnete.
Der vorläufige Text des ACTA-Abkommens auf Deutsch.
Zur Teilnahme am morgigen Aktionstag STOPP ACTA ruft etwa auch Martin Ehrenhauser, fraktionsloser Abgeordneter im Europaparlament auf. Die größte Gefahr, die für ihn vom Antipiraterie-Abkommen ausgeht ist die Sperre von Websites auf Geheiß privater Firmen: „In Artikel 27 steht: ‚Länder sind dazu aufgefordert, Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben zur straf- und zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung zu fördern.‘ – Was das heißt, sieht man am Beispiel Irland, wo unter dem Stichwort ‚Wirtschaftskooperation‘ Netzsperren durchgeführt werden. Man sieht es auch am Beispiel der wirtschaftlichen Maßnahmen, die gegen Wikileaks durchgesetzt wurden. Oder an einer geleakten Fußnote zum Vertrag, die ganz konkret anführt: Netzsperren.“
Erich Möchel beschreibt, wer die Köpfe hinter ACTA in der EU-Kommission sind.
Das EU-Parlament könnte das umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommens ACTA ablehnen, meinte Martin Ehrenhauser heute. "Eine Mehrheit zur Ablehnung von ACTA ist möglich, sie ist sogar greifbar."
Google Maps
Ein Aufruf zum morgigen Aktionstag erfolgt auch seitens Marco Schreuder, Abgeordneter zum Bundesrat (Die Grünen). Er kritisiert, dass ACTA von den Regierungen vieler Staaten unterschrieben wurde, ohne den Inhalt zu kennen. „Der gerade zurückgetretene rumänische Ministerpräsident hat auf die Frage nach seiner Haltung zu ACTA zugegeben: 'Ich habe keine Ahnung, was mein Land unterzeichnet hat'“.
Markus Beckedahl von der "Digitalen Gesellschaft" schreibt in einem Gastkommentar im Spiegel Warum Acta in den Papierkorb gehört
Auch Österreich ist bereits unter den Unterzeichnerstaaten, denn der Vertrag wurde in Japan vom Botschafter im Auftrag der Regierung unterschrieben. Doch auf Anfrage des "Kurier" fühlte sich noch gestern kein Ministerium in Österreich für ACTA zuständig. Schreuder: "Immer wieder wurde ich in den letzten Tagen gefragt, wer denn für ACTA zuständig sei. Denn ich sei ja im Parlament und könnte das sicher herausfinden. Ich habe dann immer geantwortet: Ja, ich würde das auch sehr gerne wissen. Jedes Ministerium sagt, das andere sei zuständig. Man erkennt auch daran, dass dieses Abkommen völlig undemokratisch zustandegekommen ist."
Schreuder kritisiert die seit 2006 andauernden Geheimverhandlungen zwischen Lobbyisten und EU-Kommission, an denen weder KonsumentenschützerInnen beteiligt waren, noch Digital-Rights-Experten oder Vertreter von KünstlerInnen. "Auch Musiker erkennen, dass Plattenfirmen nicht unbedingt eine künstlerische Vertretung sind, sondern eigene Interessen, nämlich ökonomische Interessen, haben."
Wie weit die Diskussion zu ACTA bereits in die Gesellschaft vorgedrungen ist, zeigte sich am Safer Internet Day, der im Nationalrat abgehalten wurde. Schülerinnen und Schüler aus ganz Österreich waren gekommen, um Abgeordneten ihre Fragen über ACTA zu stellen.
Podcaster und Netzaktivist Thomas Lohninger alias socialhack kritisiert, dass durch ACTA Urheberrechts-Delikte von zivilrechtlichen zu strafrechtlichen Tatbeständen würden: "Das heißt, die Staatsanwaltschaft müsste diese Dinge dann ermitteln. Was natürlich zu einer totalen Überlastung führen würde, weil diese Kapazitäten bei der Staatsanwaltschaft nicht vorhanden sind. Es käme dann zu starken Bestrebungen, diese Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Und zwar, im Sinne der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, seitens der Provider, die anfangen würden zu filtern, um Links zu Torrents, zu Filesharing-Plattformen oder auch zu Blogs, die über dieses Thema schreiben, zu zensieren."
Wie problematisch eine solch undifferenzierte Regelung sein kann, zeigte erst vor kurzem die Abschaltung der Plattform Megaupload: Viele der 180 Millionen User verwendeten sie zum Speichern selbst erstellter Videodateien, zum Vertrieb selbst aufgenommener Musik oder als günstigen Cloudspeicher für eigene Dokumente - durch die Sperre sind diese Dateien verloren, obwohl keine Urhebrechtsverletzungen vorlagen. Und auch das BitTorrent-Protokoll wird nicht nur für die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke verwendet.
Weltweit finden am 11. Februar 2012 mehrere hundert Demonstrationen gegen ACTA statt, sagt Markus Stoff von der Initiative für Netzfreiheit. Allein in Österreich sind es acht Protestaktionen: Demonstriert wird in Wien, Graz, Salzburg, Klagenfurt, Leoben und Innsbruck. Sogenannte "Paperstorms" - also Verteilungen von Flyer und Informationsmaterial - gibt es in Bregenz und Linz.
Die Teilnehmerzahl wollen die Aktivisten nicht schätzen – sie wünschen sich einen ähnlichen Effekt wie nach den Demos in Polen letzte Woche: Dort wurde die Ratifikation von ACTA vorläufig gestoppt, ebenso wie in Deutschland, Lettland, Tschechien und der Slowakei. Nur so kann die längst fällige öffentliche und parlamentarische Diskussion über den Inhalt des Abkommens geführt werden.