Erstellt am: 10. 2. 2012 - 16:29 Uhr
Musik/Praxis: Vertrieb und Handel
Welche Möglichkeiten gibt es, Tonträger direkt – also ohne professionellen Vertrieb - an den Handel oder gleich an die Endkonsumenten zu verkaufen?
Musik/Praxis
Rechtliche Grundlagen
Grundsätzliches zum Urheberrecht.
Coverversionen, Remix & Sampling
Die rechtlichen Grundlagen musikalischer Bearbeitungen.
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AKM, Austro Mechana und Co.
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Konzerte als gutes Geschäft?
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Vetrieb und Handel
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Wie kann ich mich bzw. meine Band gut präsentieren?
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Legalitäten für Urheber (Komponisten/Texter) und Labels
Bei Konzerten selbst verkaufen – ein Muss! Das empfiehlt sich selbst im Falle, dass man einen Vertrieb hat (Konditionen dafür müssen mit dem Vertrieb vertraglich ausgemacht werden). Ein Live-Konzert ist die beste Verkaufsshow, die ich bekommen kann. Konzertpublikum ist oft kaufwillig und nimmt gerne ein Andenken an einen gelungenen Abend mit. Meist wird es auch als zusätzlicher Kaufimpuls empfunden, wenn die Musiker selbst ihre Produkte verkaufen oder vielleicht signieren.
Verkauf über eigene Website ist eine einfache und nicht allzu aufwändige Methode, physische Tonträger und Merchandise zu verkaufen. Viele Menschen schauen sich die Website von Bands an, die sie mögen, dort sollte man es ihnen ganz einfach machen, etwas zu bestellen. Die Zahlungsmethode ist diesbezüglich wohl der heikelste Punkt:
- Per Nachnahme: Ist sehr teuer und schreckt potenzielle Kunden ab.
- Vorauskasse: Wird von vielen Menschen nicht gerne gemacht, vor allem bei unbekannten Websites.
- Auf Rechnung: Man verschickt die Tonträger mit Rechnung und bittet um Überweisung. Das ist natürlich ein gewisses Risiko, aber gerade den Fans, die direkt auf meiner Artist/Label-Website einkaufen, sollte ich eigentlich vertrauen können.
- Zahlung mit Kreditkarten: Ist nur über Verträge mit Kreditkarten-Gesellschaften möglich und es fallen hohe Gebühren an – zahlt sich für kleine Händler somit kaum aus.
- PayPal: Bessere Konditionen, aber auch Gebühren (zurzeit bei bis zu € 2500.Umsatz pro Monat: 3,4% vom VK (=Verkaufspreis) + € 0,35), die man in den Verkaufspreis einkalkulieren müsste.
Etablierte Online-Händler (zum Beispiel Amazon) haben den großen Vorteil, dass sie weltweit bekannt sind und Kunden ihre Zahlungen gerne über vertraute Händler abwickeln. Der Nachteil sind anfallende Gebühren. Momentan 15% des Verkaufspreises + € 0,99 pro erfolgreichem Verkauf. Dazu kommen noch 15% Umsatzsteuer wenn man keine EU-UID Nummer (Umsatzsteuer-Identifikationsnummer) hat.
Natürlich kann man auch den Handel teilweise direkt mit physischen Tonträgern beliefern. Bei den großen Handelsketten wird man damit wenig Erfolg haben, diese arbeiten nur mit professionellen Vertrieben zusammen und sie verlangen selbst für Vertriebe schwer zu erfüllende Konditionen, Vertriebe mit zu wenig kommerziellem Repertoire werden erst gar nicht gelistet.
Aber die meisten der leider immer seltener werdenden Fachhändler sind eine Option. Die meisten arbeiten auf Kommission: Das heißt, man gibt dem Shop Ware (Lieferschein nicht vergessen, Übernahme bestätigen lassen) und bekommt erst dann Geld, wenn dieser was verkauft hat. Abgerechnet wird monatlich oder meist noch seltener. In vielen Fällen wird man die Shops an die Abrechnung erinnern müssen. Dieser Weg ist nur zu empfehlen, wenn das nötige Vertrauen vorhanden ist. Dafür werden bei Fachhändlern Kunden noch persönlich betreut, wodurch sich auch Alben ohne großes Marketingbudget gut verkaufen lassen. Oftmals ist es möglich, Produkte oder Poster in Auslagen oder im Geschäft gratis zu platzieren.
Direct To Fan Marketing Services sind Plattformen, auf denen Bands oder Labels vorgefertigte Marketing-, Promotion- oder Verkaufstools nutzen können. Darunter z.B.
- Artist-Websites
- Music-Player
- digitaler Vertrieb oder direkter Download auf der Artist-Site
- CD oder DVD Herstellung & Verkauf
- Merchandise- Herstellung und Verkauf (T-Shirts, etc.)
- Ticketing für Konzerte, Newsletter
- Statistik-Tools
Manche Anbieter bieten eine Vielzahl dieser Services an, andere sind auf einzelne Dienstleistungen spezialisiert, lassen sich aber auch gut mit anderen Services kombinieren. Die Angebote sind wirklich vielfältig und es entstehen laufend neue Services. Die Geschäfts- und Abrechnungsmodelle sind sehr unterschiedlich. Es ist zu empfehlen, sich Zeit für die Recherche der Angebote zu nehmen und sich gut zu überlegen, welche der Angebote man wirklich nutzen wollt, was es einem laufend kostet und wie viel man von seinen Einnahmen abgeben muss. Unbedingt die Geschäftsbedingungen gut durchlesen!

bandcamp, reverbnation, topspin & soundcloud
Einige dieser Direct To Fan – Tools sind wirklich gut gemacht, ersparen eine Menge Arbeit und sind auch für kleinere Bands leistbar, wie z.B.:
Ausführliche Artikel zu diesen Services, bei denen Möglichkeiten und Kosten anschaulich erläutert sind, finden sich hier: www.musicaustria.at
Was macht ein professioneller Vertrieb?
Ein Vertrieb (wir sprechen hier jetzt zunächst von physischen Vertrieben) verkauft Produkte an den Einzelhandel, der diese dann an die Endkonsumenten weiterverkauft. Dafür hat er meist Telefonverkäufer und Außendienstmitarbeiter. Diese halten Kontakt zu den Einkäufern bei Handelsketten und Fachhändlern und bekommen regelmäßig Termine, um ihre Waren zu präsentieren. Diese im guten Fall flächendeckende Abdeckung des Handels wird man als kleines Label ohne Vertrieb niemals erreichen können. Man muss sich aber auch überlegen, ob das für die eigenen Releases überhaupt notwendig bzw. realistisch ist.
Der Vertrieb verschickt regelmäßig Aussendungen (per E-Mail oder Post) an Händler und Medien mit Informationen über Neuheiten, Aktionen, Chart-Platzierungen und Live-Terminen seiner Künstler. Er plant in Absprache mit den Labels Zeitpunkt von Veröffentlichungen, Auflage der Pressung, Preisgestaltung etc. sowie Marketing- und Promo-Aktivitäten. Ein Vertrieb hat ein Lager und sorgt dafür, dass immer ausreichend Ware zur Verfügung steht. Darüber hinaus hat er oftmals ein Netzwerk von internationalen Vertrieben, denen er sein nationales Repertoire weiterverkaufen kann.
Vertriebe hat der Strukturwandel in der Musikbranche wohl am stärksten betroffen, basiert ihr Geschäftsmodell doch oftmals nur auf den weiterhin rückläufigen Verkäufen von Tonträgern. Man muss daher darauf hinweisen, dass es ein gewisses Risiko darstellt, mit einem Vertrieb zu arbeiten. Ein Großteil der heimischen und internationalen Vertriebe ist im letzten Jahrzehnt eingegangen, niemand kann vorhersehen, wie lange die verbleibenden Vertriebe dieses Geschäftsmodell noch aufrecht erhalten können. Für das Netzwerk von internationalen Independent-Vertrieben, die gegenseitig die Ware der anderen Vertriebe in ihren Heimmärkten verkaufen, bedeutet das leider auch, dass es immer lückenhafter geworden ist. Fast kein Vertrieb kann mehr eine physische Veröffentlichung in allen größeren Märkten weltweit ermöglichen.
Wie auch bei den Labels, gibt es bei Vertrieben Majors und Independent Vertriebe. Alle Major-Labels haben auch in Österreich eine Vertriebsstruktur. Diese Vertriebe arbeiten aber vorwiegend mit ihren hauseigenen Labels. Als Indie-Label ist es nur sehr schwer möglich, von Majors vertrieben zu werden.
Auch unter den Independent Vertrieben gibt es einige, die mit vergleichbaren Strukturen wie die der Majors arbeiten und auch eine entsprechende Größe haben (z.B. PIAS, Edel). Für ein neues Label ist es fast unmöglich bei diesen großen internationalen Vertrieben unterzukommen.
Leider gibt es in Österreich nur mehr ganz wenige kleinere Independent Vertriebe. Diese kämpfen alle mit (zu) viel Repertoire auf einem kleinen Markt und haben nicht alle Zugang zu den großen Handelsketten (Libro, Media/Saturn, Müller).

Kozumel/CC
Nach welchen Kriterien soll ich mir einen Vertrieb suchen?
Zunächst sollte ich recherchieren, welche der Vertriebe in Österreich und welche Internationalen für mein Label geeignet wären. Es ist sicher nicht unbedingt einfach, von Österreich aus einen internationalen Vertrieb zu finden. Das kann aber durchaus notwendig sein, weil es z.B. in der Nische, in der ich arbeite, gar keinen geeigneten heimischen Vertrieb gibt.
Es gibt ein paar Punkte, die man von einem Vertrieb erfahren sollte, um beurteilen zu können, ob es der geeignete Vertrieb für das eigene Label wäre:
- Welche Labels hat der Vertrieb noch im Programm, bzw. wie groß sind die? Das hilft einzuschätzen, welchen Stellenwert man in diesem Vertrieb haben würde. Es nützt einem ja der beste Vertrieb nichts, wenn das eigene Label dort nur unter ferner liefen rangiert.
- Welche Musikgenres bietet der Vertrieb an? Wichtig auch um herauszufinden, welche Glaubwürdigkeit dem Vertrieb von Fachhändlern zugestanden wird. Ein Außendienstmitarbeiter, der in einem Gespräch Schlager und Dubstep-Alben verkaufen soll, kann kaum in beiden Bereichen als kompetent gelten.
- Hat der Vertrieb Zugang zu den wichtigen Ketten? Steht meine Musik dann möglicherweise auch beim Saturn oder Libro?
- Hat der Vertrieb internationale Partner zumindest in den wichtigsten Territories? Wie groß sind somit die Chancen, dass die eigenen Produkte international verkauft werden können.
Um sich einem guten Vertrieb entsprechend zu präsentieren, ist eine professionelle Selbstdarstellung wichtig. Die folgenden Punkte interessieren einen potenziellen Vertrieb:
- Mit welchen Künstlern arbeitet das Label?
- Welche davon spielen live?
- Sind Compilations und/oder Artist Alben geplant?
- Anzahl der geplanten Veröffentlichungen pro Jahr?
- Wird Promo (auch) selbst gemacht?
- Arbeitet das Label mit nationalen und/oder internationalen Promo-Agenturen?
- Arbeiten die Künstler des Labels mit Managern oder Booking-Agenturen?
- Ist das Label zu Marketingausgaben bereit?
- Was ist das Alleinstehungsmerkmal dieses Labels?
Hat man einen passenden Vertrieb gefunden, wird man einen Vertrag mit ihm abschließen, einen einfachen Muster-Vertriebsvertrag findet man auf der mica-Website.
Verträge mit Vertrieben sind keine allzu komplexe Angelegenheit, zwei Hinweise dazu:
Vertragsdauer: Man sollte sich nicht fix länger als 3 bis maximal 5 Jahre an einen Vertrieb binden, unter zumindest 1-2 Jahren wird es aber schwierig sein, die Arbeit eines Vertriebs zu beurteilen. Auch wird ein Vertrieb nur ernsthafte Anstrengungen für ein Label unternehmen, wenn er eine gewisse Zeit sicher mit einem Label arbeiten wird. Eine gute Möglichkeit wäre die Vereinbarung über eine kurze Vertragsdauer mit automatischer Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung.
Kommission: Heutzutage machen die meisten Vertriebe fast nur noch Kommissionsgeschäfte, das heißt sie übernehmen die Ware, zahlen dem Label aber nur tatsächliche Verkäufe. Vorfinanzierungen an Labels sind für die Vertriebe durch die schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen meist nicht mehr möglich.
Wie kann ich meine Musik in Online-Shops bringen?
In der Online-Welt ist es glücklicherweise um einiges leichter, die eigene Musik in die wichtigsten Shops und Portale zu bekommen. Allerdings kann man auch nicht so einfach selbst einen Deal mit iTunes machen, dafür gibt es Aggregatoren.
Aggregatoren sind Digitalvertriebe. Sie beliefern in der Regel die wichtigsten Shops (wie iTunes, Napster oder Amazon), eine Menge von Spezialstores (wie Beatport, Juno oder Zero“) und auch die wichtigsten Streaming-Services (wie Spotify oder Simfy). Sie bemühen sich auch, rasch mit neuen Services Verträge abzuschließen.
In Österreich gibt es momentan zwei unterschiedliche und gute Modelle für den Digitalvertrieb, den Aggregator ORDIS (Online Reseller Distribution Service) und das Software Paket für digitale Distribution der Firma Rebeat.
In der nächsten Folge von Musik/Praxis geht es um die Rolle von Verlagen.
Aber auch am internationalen Markt gibt es gute Aggregatoren, mit denen man als österreichisches Label arbeiten kann, wie etwa Finetunes oder Zebralution. Als Entscheidungshilfe sollte man die unterschiedlichen Angebote hinsichtlich der folgenden Fragen vergleichen:
- Welche Fixkosten entstehen pro Release/Jahr, wie viele % gebe ich von den Einnahmen ab?
- Mit welchen Shops und Services arbeitet der Aggregator?
- Wie lange binde ich mich an den Aggregator?